Der hinterste Raum ist der wichtigste. Zumindest für Santiago Sabo. Der Sohn von Schmuckunternehmer Thomas Sabo, groß gewachsen, schwere Stiefel, stapft durch das Geschäft der neuen Marke Saboteur in der Wiener Spiegelgasse im ersten Bezirk. An dessen Ende befindet sich das Piercingstudio, es ist das Projekt von Santiago Sabo.

Thomas Sabo (rechts) holt für die neue Marke Saboteur Sohn Santiago (links) mit ins Boot.
Foto: Saboteur / Monica Gasbichler

Der zertifizierte Piercer hat seinen Vater nicht lange von der Relevanz der heißen Nadeln überzeugen müssen. "Das Piercing ist im kompletten Schmuckmarkt das interessanteste Produkt", davon scheint Thomas Sabo, Jahrgang 1961, überzeugt. Santiago habe schließlich das Schmuckgefühl seines Vaters, grinst der Unternehmer. Die beiden haben mittlerweile im zweiten Geschoss des 150 Quadratmeter großen Stores auf einem Sofa, das einer Liegelandschaft gleichkommt, Platz genommen. Sie sind vom Schal bis zum Schuh schwarz gekleidet, überhaupt scheint große Eintracht zu herrschen zwischen Vater und Sohn. Für Schmuck habe er sich immer interessiert, der Vater sei sein Vorbild gewesen, meint der Nachwuchs beflissen.

Die Achtziger

Mit dem Ende 2021 gegründeten Schmucklabel Saboteur, in das neben dem Sohn auch Ehefrau Rita eingebunden ist, will man das Thema Piercing aus der Nische holen. Drei Jahre habe man hingearbeitet auf die Marke, die Geometrie und Minimalismus vereinen und eine jüngere Kundschaft ansprechen soll. Die muss für den Schmuck aus 925 Sterling Silber oder 18 Karat Gelb- und Weißgold zwischen 500 und 1.000 Euro lockermachen. Ob das Konzept aufgeht? Sabo wird wissen, was er tut. Er ist seit vier Jahrzehnten im Business und drückt nun aufs Gas. Eine Store-Eröffnung folgt auf die nächste. Der erste Saboteur-Shop wurde mit großem Tamtam in Wien eröffnet, einer Party im Wiener Bridge Club mit DJ Hell. Es folgten neue Läden in Hamburg, Frankfurt, London. An den meisten Standorten werden Piercings angeboten, wenn auch nur jugendfrei für Nasen und Ohren.

Der Selfmade-Mann mit dem schulterlangen Haar, den man sich genauso gut auf einer Harley vorstellen könnte, wirkt zurückhaltend. Warum er seit Beginn an Schmuck unter seinem Namen verkauft? Das sei in den 1980er-Jahren üblich gewesen, "haben wir dann auch so gemacht". 1983 hat der ausgebildete Feinmechaniker, damals noch mit dem Rucksack unterwegs, den ersten Schlangenring von Goldschmieden in Sri Lanka fertigen lassen. Dann stieg er in den Silberschmuckmarkt ein.

Sabo setzte auf Bettelarmbänder und Totenkopfschmuck, Sonnenbrillen, Uhren und Düfte, erschwinglich für viele: Oft hatte er den richtigen Riecher für Trends, die in der Breite funktionieren, die auf dem Flughafen, in deutschen Einkaufsstraßen wie im Kaufhaus über die Budel gehen oder online gekauft werden. Männer hat Thomas Sabo früh als Zielgruppe entdeckt, heute würden viele Stücke unisex getragen.

Standleitung nach Franken

Ob es eigentlich etwas gibt, was er nicht machen würde? Da muss Sabo passen: "Ich sage niemals nie." Mit dieser Einstellung ist der gebürtige Tullner weit gekommen. 2016 wurde im fränkischen Lauf an der Pegnitz der Firmensitz gebaut, ein luftiges Gebäude für 1800 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen. Ob er mal eingefahren ist? "In 40 Jahren kann das ab und zu mal passieren", konkreter wird Sabo nicht, alte Kamellen. Braucht er auch nicht. Die Umsätze des Unternehmens Thomas Sabo liegen im dreistelligen Millionenbereich, 2018 hat sich der Gründer aus der operativen Geschäftsführung zurückgezogen. Mit seiner Frau Rita und Sohn Santiago ist er nach Wien umgezogen, jetzt wolle er "in Österreich heimisch werden". Der Unternehmer wuchs in Tulln auf, mit zehn zog er mit seinen Eltern nach Nürnberg.

Das Headquarter bleibt in Deutschland, die Standleitung nach Franken wird gehalten. Dass das funktioniert, hat sich nicht zuletzt in der Pandemie gezeigt. Bei Thomas Sabo deutet auch mit Anfang 60 nichts auf Rückzug hin. Bis heute ist alles unter seiner Kontrolle. "Ich habe nie die Freude am Schmuck verloren", erklärt der Unternehmer, der bis heute jedes Stück abzeichnet. Es habe zwar regelmäßig Kaufofferte gegeben, sagt Sabo. Und ja, "halbschwach" werde jeder mal. Er aber sei froh, dass es nie dazu gekommen sei. (Anne Feldkamp, RONDO, 2.10.2022)