Einige wenige von geschätzt 20 Billiarden Ameisen, die unseren Planeten bevölkern.

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Wenn die Erde irgendwann in mehr oder weniger ferner Zukunft keine Menschen mehr beherbergen wird, dann werden sie mit ziemlicher Sicherheit noch lange weiterexistieren: Schließlich gibt es Ameisen auch schon deutlich länger, nämlich mehr als 100 Millionen Jahre.

Die staatenbildenden Insekten, die gemeinhin als besonders robust, fleißig und kräftig gelten, sind fraglos ein Erfolgsmodell der Evolution – auch wenn die extremen Kräfte, die ihnen zugeschrieben werden, eher ein Mythos sind: Umgerechnet auf Menschengröße stemmen Ameisen nämlich nicht mehr als rund 40 Kilogramm.

Britische Muster

Anlässlich des Begräbnisses von Elisabeth II. fiel auf, dass Britinnen und Briten einige sonderbare Eigenheiten mit Ameisen teilen: ihre seltsame Loyalität gegenüber der Königin; den Instinkt, sich in Schlangen einzureihen und fortzubewegen; die Angewohnheit, Dinge in die eigene Kolonie zu schaffen, die eigentlich anderen gehören, sowie ihre gemeinsame Vorliebe für Streuselkuchen.

Grundsätzlich sind Ameisen so wie Menschen Allesfresser, was mit dazu beitrug, dass sie sich bis auf die Pole fast über die gesamte Erde verbreiteten: Sie töten andere Insekten, fressen Aas, "melken" Blattläuse oder züchten Pilze. Dabei leisten sie wichtige Beiträge zur Aufrechterhaltung von Ökosystemen, indem sie Tierkadaver entsorgen, Pflanzensamen verbreiten oder selbst als Nahrung dienen: Der heimische Grünspecht etwa vertilgt bis zu 5.000 Ameisen täglich. Was bei den Abermillionen von Ameisen, die unsere Wälder beherbergen, kein großer Verlust ist.

Doch wie viele Ameisen leben aktuell insgesamt auf der Erde? Diese Frage gingen bereits Ende des 20. Jahrhunderts zwei der berühmtesten Myrmekologen und Soziobiologen der letzten Jahrzehnte nach, nämlich der Ende 2021 verstorbene E.O. Wilson und Bert Hölldobler. Sie kamen in ihrem Buch "Journey to the Ants" (1994) auf rund eine Billiarde, eine Zahl mit 15 Nullen. (Auf Englisch klingt das noch eindrucksvoller: Da spricht man von einer "quadrillion".)

Deutlich mehr als bisher gedacht

Fast drei Jahrzehnte später gibt es nun einen neuen Anlauf: Ein internationales Team um Patrick Schultheiss (Uni Würzburg) wertete dafür 489 Studien aus, die Zählungen aus rund 1.300 unterschiedlichen Standorten von allen Kontinenten der Welt umfassen und die wichtigsten Lebensräume abdecken, in denen Ameisen vorkommen.

Die neue Schätzung liegt, wie die Fachleute im Fachblatt "PNAS" ("Proceedings der Nationalen Akademie der Wissenschaften der USA") berichten, bei rund 20 Billiarden, also deutlich über den bisherigen Annahmen.

Ungleiche Verteilung

Wie die Forschenden außerdem berichten, ist der Ameisenbestand auf der Erde ungleichmäßig verteilt: Er erreicht seinen Höhepunkt in den Tropen und variiert je nach Lebensraum um das Sechsfache. Den neuen Ergebnissen zufolge sind fast zwei Drittel (61 Prozent) der oberirdisch lebenden Ameisen in tropischen Feuchtwäldern und tropischen Savannen zu finden.

Die erstellte globale Karte der Ameisenhäufigkeit würde damit das Verständnis der Geografie der Ameisenvielfalt erweitern und eine Grundlage für die Vorhersage der Reaktionen der Ameisen auf besorgniserregende Umweltveränderungen liefern, die sich derzeit auf die Biomasse der Insekten auswirken. Denn Ameisen leisteten einen wichtigen Beitrag zur Aufrechterhaltung von Ökosystemen – zum Beispiel, indem sie Pflanzensamen verbreiteten.

Vergleich zum Menschen

Angesichts der aktuell ziemlich genau acht Milliarden Menschen kommen auf einen Menschen rein rechnerisch in etwa 2,5 Millionen Ameisen. Alle Sechsbeiner dieser Familie zusammen haben laut den Berechnungen des Teams eine Gesamtbiomasse von zwölf Megatonnen Kohlenstoff. Das ist mehr als die Masse aller Wildvögel und wildlebenden Säugetiere der Erde zusammen, aber nur 20 Prozent der menschlichen Biomasse. (tasch, 20.9.2022)