Stefan Koubek und Roger Federer, der nicht viele Freunde aus der Tour-Anfangszeit hat. Koubek: "Ich bin einer davon."

Foto: imago/Hasenkopf

Aus einer Zeit, in der sich Roger Federer erst anschickte, zur Tennislegende aufzusteigen, ist Stefan Koubek mit dem Schweizer bekannt. Eine Trainingszusammenarbeit in jungen Jahren entwickelte sich zur Freundschaft. Der 45-jährige Ex-Profi erinnert sich an seine Treffen mit Federer.

STANDARD: Es war das Jahr 2001, und es war in der Wiener Stadthalle. Sie haben Roger Federer im Viertelfinale 7:6 und 7:5 geschlagen. Eine Ihrer schönsten Tenniserinnerungen?

Koubek: Ich habe Roger in Wien geschlagen, ein Jahr bevor er die Nummer eins der Welt geworden ist. Damals war er noch nicht die Legende, die er heute ist. Er war ein geiler Spieler, ein Freund. Ich habe eine Partie vom Allerfeinsten gespielt, wollte unbedingt daheim in der Stadthalle gewinnen. Der Sieg steht definitiv auf der Liste meiner schönsten Erfolge, war etwas Besonderes. Hätte ich Roger fünf Jahre später geschlagen, wäre es noch spezieller gewesen.

STANDARD: Danach gelang Ihnen in vier Partien gegen Federer kein einziger Satzgewinn mehr.

Koubek: Er ist vorbeigezogen, und ich konnte nicht mehr mitziehen. Stolz bin ich trotzdem auf das Zweitrundenduell in Wimbledon 2003, weil es auf dem Center-Court war. Ich habe bei 5:3 auf den ersten Satz serviert. Dann ging nichts mehr.

STANDARD: Sie sind mit Federer lange befreundet, kennen ihn seit seinen Anfängen als Tennisprofi. Was ist Federer für ein Mensch?

Koubek: Er ist menschlich super. Wir haben nicht regelmäßig Kontakt, aber wenn wir uns irgendwo treffen, ist es sofort wie früher. Da rennt der Schmäh, es gibt keine Zurückhaltung. Ich habe einmal mit seiner Frau Mirka geplaudert. Sie hat mir erzählt, dass Roger nicht so viele Freunde aus der Zeit hat, bevor er seine großen Erfolge zu feiern begann. Ich bin einer davon.

STANDARD: Wie ist Ihre Freundschaft entstanden?

Koubek: Wir beide hatten Anfang der Nullerjahre schwedische Trainer, er wurde damals von Peter Lundgren betreut, ich von Joakim Nyström. Die beiden haben sich ein Apartment in Monte Carlo geteilt, dadurch haben Roger und ich sehr oft gemeinsam trainiert, sind essen gegangen. Damals war ich noch der viel bessere Tennisspieler als Roger, auch im Ranking.

STANDARD: Sie haben Federer in der Schweiz öfter besucht, welche Erinnerungen haben Sie daran?

Koubek: Er war immer sehr unkompliziert. Wir haben uns gemeinsame Trainingstage ausgemacht, eine Uhrzeit, wann er mich vom Hotel abholt. Und dann ist er irgendwann auch gekommen, weil der Pünktlichste war er nie. Wir haben uns dabei dann auch über unsere Sorgen ausgetauscht.

STANDARD: Wer Tennis mag, muss das Spiel von Roger Federer lieben. Warum?

Koubek: Seine Variabilität war besonders, er hat super Augen und eine einzigartige Beinarbeit. Und damit meine ich nicht das Hinlaufen zum Ball, sondern die Bewegung nach dem Schlag, um sich bereit zu machen für den nächsten. Das konnte niemand besser. Er hat einen unglaublich respektvollen Umgang mit seinen Gegnern, mit der Presse. Es gab meines Wissens nie einen Skandal. Selbst diejenigen, die Nadal- oder Djokovic-Fans waren, haben ihn respektiert, wenn er gegen ihre Idole gewonnen hat. Nadal steht mittlerweile auf einer Ebene mit Roger, aber danach kommt niemand. Djokovic hat einfach eine andere Persönlichkeit.

STANDARD: Fällt Ihnen ein anderer Sportler ein, der so unumstritten hohe Sympathiewerte genießt? Es gibt ja niemanden, der Federer nicht mag.

Koubek: Nein. Federer ist einzigartig, weil er nicht nur eine Tennislegende, sondern auch eine Sportlegende ist. Er thront ganz oben im Olymp, bei Pele oder Maradona, aber auch die hatten Hasser.

STANDARD: Mit dem Erfolg kommt oft die Arroganz. Hat sich Federer verändert?

Koubek: Roger ist überhaupt kein arroganter Typ. Er weiß, was er will und was nicht. Wenn ihn jemand beim Essen stört und ein Foto machen will, ist er nicht happy. Ich finde das auch respektlos. Wenn ihm etwas nicht passt, sagt er das auch, aber immer auf eine freundliche Art und Weise. Das ist bemerkenswert, ich kann das nicht. Er hat seine Emotionen gut unter Kontrolle.

STANDARD: Federer hielt sich fast zwei Jahrzehnte an der Spitze. Konnte er einfach mit dem Druck besser umgehen als andere?

Koubek: Ich war zehn Jahre in den Top 100, und ich weiß, was ich dafür leisten musste, es war nicht wenig. Ich bin stolz darauf, dass ich einmal zu den 20 besten Tennisspielern der Welt gezählt habe. Aber Roger war 20 Jahre lang in den Top Ten. Mein bestes Ergebnis war ein Viertelfinale bei einem Grand-Slam-Turnier, Roger hat fünf Jahre lange nie weniger als ein Viertelfinale erreicht. Da fragt man sich schon, wie geht das? Körperlich und vor allem mental ist Roger für mich unerklärbar. In den Tagen nach meinem Rücktritt bin ich daheim die Stufen raufgegangen und habe gemerkt, welch riesiger Druck auf einmal weggefallen ist. Da merkst du erst, wie schwer deine Schultern jahrelang waren. Auch wenn Roger jetzt traurig ist, denke ich, er wird sich bald von einer Last befreit fühlen. (Florian Vetter, 20.9.2022)