Auf dem Weg von der Westminister Hall in die Westminister Abbey und anschließend nach Schloss Windsor kam der Trauerzug mit dem Sarg auch am Buckingham Palace vorbei.
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Nach zehntägiger Staatstrauer und unter der Anteilnahme von Milliarden Zuschauern an den Fernsehschirmen weltweit hat Großbritannien am Montag seine Königin Elizabeth II. zu Grabe getragen. Nach dem feierlichen Staatsakt in der Londoner Westminster Abbey und dem Trauerzug durch die Innenstadt fuhr der königliche Leichenwagen mit dem Sarg der Queen ins 45 Kilometer entfernte Windsor. Abends wurde die 96-jährig auf Schloss Balmoral Verstorbene in der königlichen Gruft unter der Schlosskirche St. Georg zur letzten Ruhe gebettet.

Von früh morgens an strömten an diesem extra als Feiertag ausgerufenen Septembermontag die Briten in ihre Hauptstadt, schon um 5.30 Uhr waren die sonst um diese Zeit noch weitgehend leeren U-Bahnzüge gut besetzt. Dort gesellten sich die Neuankömmlinge zu jenen Unentwegten, die teilweise schon seit Tagen vor der königlichen Kirche und entlang der Trauerroute ausgeharrt hatten. Sie mussten im Morgengrauen ihre Zelte abbrechen, der Platz entlang der Mall zwischen Trafalgar Square und dem Buckingham Palace hätte sonst nicht ausgereicht. Fliegende Händler boten Zimtschnecken und Croissants, dazu Kaffee an. Pünktlich brach auch die Sonne durch den wolkenverhangenen Morgenhimmel.

DER STANDARD

Leichenwagen statt Zug

Wie immer mischten sich auch bei diesem royalen Ereignis Traditionen aus dem 19. Jahrhundert mit Anpassungen ans moderne Zeitalter. Der Sarg von George VI., dem Vater der Queen, war 1952 direkt von der Westminster Hall zum Bahnhof Paddington gefahren und von dort mit dem königlichen Zug nach Windsor überführt worden, wo damals die einzige Trauermesse in der Schlosskirche gefeiert wurde. Ein Beerdigungsgottesdienst für das verstorbene Staatsoberhaupt war in der Westminster Abbey zuletzt 1760 nach dem Tod von George II. zelebriert worden.

Hunderttausende weinten in London um die Queen.
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Diesmal legten Platzerwägungen und die globale Dimension des Ereignisses die Zweiteilung der kirchlichen Handlung nahe, eingebettet in das militärische Ehrengeleit. In feierlichem Geleit ihrer Kinder und Enkel, angeführt von König Charles III., zogen junge Marinesoldatinnen und -soldaten den auf einem Kanonenwagen ruhenden Sarg von der Westminster Hall zur kaum mehr als 300 Meter entfernten Kirche, wo pünktlich um elf Uhr Ortszeit die Messe begann. Nach dem Staatsakt bewegte sich der Trauerzug von der Kirche zum Wellington-Triumphbogen am Eingang zum Hyde Park, ehe der Sarg die letzte Reise nach Windsor antrat.

In der Abbey gruppierte sich die Familie der Toten rechts vom Sarg. Wie schon bei vorherigen Anlässen trugen der König, seine Schwester Anne, sein Bruder Edward und der Thronfolger William Uniform. Hingegen mussten der als Sexualverbrecher verdächtige Prinz Andrew und der nach Kalifornien umgezogene Prinz Harry mit Zivilkleidung vorliebnehmen, obwohl beide als Kriegsteilnehmer in den britischen Streitkräften gedient hatten.

Auf der anderen Seite des Sarges durften jene gekrönten Häupter Platz nehmen, mit denen Elizabeth II. ein enges Verhältnis verband: Königin Margrethe II. von Dänemark, König Harald V. von Norwegen, die frühere Königin der Niederlande, Beatrix, ebenso wie Carl XVI. Gustav von Schweden.

Trauer auch bei Meghan, Camilla, George und Kate (v.l.n.r.).
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Die versammelten Monarchinnen und Politiker aus aller Welt mahnte der Erzbischof von Canterbury in seiner gewohnt kurzen Ansprache zum Dienst an ihren Nationen. "Wenige Staatsführer erleben eine solch gewaltige Welle von Liebe, wie wir sie in den vergangenen Tagen gesehen haben", sagte Justin Welby. "Die meisten werden im Leben bejubelt und sind im Tod vergessen." Dazu passend sang die Gemeinde am Ende der Messe die Worte aus dem letzten Vers des Gemeindeliedes "Göttliche Liebe, die alles übertrifft": "Bis wir dir unsere Kronen zu Füßen legen" – eine Mahnung an die versammelten Fürsten, dass nach dem Tod all ihre irdische Herrlichkeit nicht zählt.

Eine der handschriftlichen Einladungen zum Staatsakt in der Westminster Abbey hatten nicht nur, wie bei derartigen Anlässen üblich, Präsidentinnen und Premierminister aus aller Welt erhalten. Zur Trauergemeinde zählten auch die lebenden Träger der höchsten militärischen und zivilen Auszeichnungen, des Victoria- und des Georgskreuzes. Hinzu kamen 183 Bürgerinnen und Bürger, die erst im Juni anlässlich des 70. Platinjubiläums der Königin für ihr ehrenamtliches Engagement mit dem Mitgliedsorden des britischen Empire (MBE) ausgezeichnet worden waren.

Bis Montagfrüh hatten geschätzt rund 750.000 Menschen die Strapazen auf sich genommen, bis zu 20 Stunden in der Schlange auszuharren, die den Zugang zur Westminster Hall ermöglichte. Dort war der Sarg der Monarchin aufgebahrt. Weil ausdrücklich Filmen und Fotografieren verboten war, herrschte in der Halle eine überraschende und eindrucksvolle Stille.

Gemeinsames Warten als Trost

Mindestens genauso wichtig schien vielen das Erlebnis des gemeinsamen Anstehens zu sein. "Am Anfang war die Prozession das Ereignis. Dann wurde die Menschenmenge selbst das Ereignis", sagt Psychologieprofessor Stephen Reicher von der Uni St. Andrews. "Fragen Sie nicht, ob sich das Anstehen gelohnt hat", schrieb die normalerweise nüchterne Financial Times. "Das Warten machte es lohnend." Hatten die Menschen so etwas wie Tröstung erfahren aus der gemeinsamen Trauererfahrung, die so vielen während der Covid-Pandemie verwehrt geblieben war?

Dazu gehörte vor 17 Monaten auch die jetzt Verstorbene. Bei der Totenmesse für ihren mit knapp 100 Jahren verstorbenen Prinzgemahl Philip musste die trauernde Witwe im April 2021 gemäß den damals geltenden Corona-Regeln allein in der Kirchenbank der Georgskirche von Windsor Platz nehmen. Am Montagnachmittag war auch dieses Gotteshaus bis auf den letzten Platz gefüllt – vor allem mit den Angehörigen der königlichen Haushalte, Verwandten und Freunden.

Salut für die Queen: König Charles III. und Prinz William.
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Dementsprechend wies diese eigentliche Begräbnismesse deutlich persönlichere Züge auf. So erklang Musik eines früheren Organisten der Kirche, William Harris, der einst der jungen Prinzessin Elizabeth das Klavierspiel beigebracht hatte. Der Chor sang einen Teil der Trauerliturgie der orthodoxen Kirche – eine Verbeugung vor Prinz Philip, der 1921 als griechischer Prinz zur Welt gekommen war.

Gegen Ende kam der symbolische Moment, an dem der Verstorbenen die Bürde ihres Amtes abgenommen wurde: Der königliche Juwelier löste die Krone vom Sarg; Domdekan David Conner legte sie mit dem Zepter und dem Reichsapfel auf den Altar seiner Kirche. Der Lord Chamberlain, Chef des Hofes von Elizabeth II., zerbrach seinen Amtsstab und legte ihn auf den Sarg, ehe dieser in der königlichen Gruft und damit aus den Augen der Öffentlichkeit verschwand.

Abends blieben die engsten Angehörigen unter sich. Nach einer kurzen Andacht wurde Elizabeth II. in der nach ihrem Vater George VI. benannten Kapelle beigesetzt – neben dem Sarg ihres Mannes. (Sebastian Borger aus London, 19.9.2022)