Im Gastblog gibt Anlageberater Bernhard Führer persönliche Ratschläge zum Umgang mit Geld.

Wenn man in der heutigen Zeit ein Buch über Geld schreibt, ist die größte Belohnung die Dankbarkeit, die einem von Leserinnen und Lesern entgegengebracht wird. Bei den erhaltenen Schreiben frage ich mich immer wieder, warum so viele junge Menschen "verloren" sind, wenn es darum geht, ihre Finanzen zu ordnen, zu sparen und anzulegen. Tatsächlich gibt es eine Reihe von Gründen.

Menschen in ihren 20ern und 30ern haben außer Sparen und Investieren noch viele andere Dinge, die sie mit ihrem Geld machen können. Viele kämpfen während ihrer Ausbildung mit finanziellen Nöten, während ihnen gleichzeitig oft die Wohnsituation zu schaffen macht. Dazu kommen Gruppenzwang und soziale Medien. Jugendliche achten sehr genau darauf, was ihre Altersgenossen tun. Sie sehen, wie andere mit Bitcoin oder Penny Stocks schnell Geld verdienen, und versuchen, das Gleiche zu tun. Die meisten haben aber keine Ahnung, wie sehr die Chancen gegen sie stehen.

Während ein Sparschwein ein praktisches Mittel für den Umgang mit der Portokasse sein kann, bedarf es weiterer Prinzipien für die Verwaltung des eigenen Vermögens.
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Leider ist die Anlagebranche oft eher hinderlich als hilfreich und von kommerziellem Eigennutz getrieben. Socialtrading, Kryptowährungen, geschlossene Fonds und andere risikoreiche Anlageformen werden an Orten wie Fußballplätzen und in sozialen Medien stark beworben. Ich spreche auch von einigen der größten Namen im Finanzdienstleistungsbereich, darunter Direct-to-Consumer-Anlageplattformen, welche oftmals auf Kosten der Anleger und Anlegerinnen profitieren.


Einige dieser großen Finanzmarken sprechen von Fair Play und Aufklärung, aber ihre Handlungen erzählen eine andere Geschichte. Unter dem Strich haben sie ein kommerzielles Interesse daran, Menschen dazu zu bringen, ihre Plattform zu nutzen. Sie wissen, dass Verbraucher und Verbraucherinnen von risikoreichen Anlageformen im Lotterie- beziehungsweise Casino-Stil angezogen werden, und tun daher nur sehr wenig, um sie davon abzuhalten.

Prinzipien, die helfen

Mit zehn Jahren bekam ich meinen ersten mager bezahlten Job. Ich musste Christbäume an Menschen verkaufen. Der Job war nicht befriedigend, aber das erstmalig verdiente Geld war für einen Zehnjährigen eine große Sache. Da ich bei meinen Eltern lebte, hatte ich keine Ausgaben. Das war also Geld, das ich ausgeben oder sparen konnte. Und wie die meisten Menschen in diesem Alter habe ich offensichtlich Ersteres getan. Ich wusste es nicht besser, lernte im Lauf der Jahre jedoch immer mehr über Verhalten, Ausgabegewohnheiten und Geld. Wenn ich zurückgehen und mir selbst einige Finanzlektionen beibringen könnte, hätte ich meine finanzielle Denkweise viel früher geändert. Hier ist, was ich mir sagen würde:

  1. Materielle Umstände sind relativ. Ich habe sowohl in einfachsten Wohnungen als auch in schönen Häusern gelebt. Aber ich kann nicht mit hundertprozentiger Sicherheit sagen, dass ich mit irgendetwas davon glücklicher wäre. Vielmehr ist Zeit wertvoller als Geld. Wenn ich mich entscheiden müsste, wäre ich lieber ein Backpacker, der mit wenig Geld die Welt erkundet, als ein Großverdiener, der einen Job hat, der keinen Spaß macht.
  2. Geld ist mit Freiheit verknüpft. Jedes Mal, wenn man etwas kauft, gibt man ein bisschen Freiheit und Zeit dafür auf. Je mehr Geld man hat, desto mehr Freiheit hat man für die Arbeit, die Spaß macht. Und irgendwann kommt der Zeitpunkt, wo man erst gar nicht mehr für Geld arbeitet – aber nur, wenn man heute nicht das ganze Geld ausgibt.
  3. Je mehr man lernt, desto mehr verdient man. Hier geht es nicht um Abschlüsse, denn das bedeutet nicht immer, dass man mehr verdient. Ja, im Internet-Zeitalter sind Lesen und Schreiben sehr wichtig. Und was Mathe betrifft: Man kann keinen Deal machen, ohne die Zahlen zu kennen – und die meisten Menschen wollen zumindest einen fairen Deal machen.
  4. Früh mit dem Investieren beginnen. Menschen, die heute 65 sind, haben eine gute Chance, 80 (an die 70 Prozent) oder 90 Jahre (an die 30 Prozent) alt zu werden. Deshalb sollten Anleger und Anlegerinnen früh sparen und zu investieren beginnen. Ein Beispiel: Beginnt man mit dem Investieren nur zehn Jahre später mit 10.000 Euro und einer Rendite von sechs Prozent, so hat man nach 35 Jahren um 242.000 Euro weniger als jemand, der zehn Jahre früher mit demselben Startkapital begann und eine Rendite von acht Prozent erzielte.
  5. Großzügigkeit ist eine Tugend und Lektion. Wenn man etwas von seinem Vermögen teilt, ohne eine Gegenleistung zu erwarten, tut man Gutes, aber man lernt auch, sich nicht an Geld zu klammern. Früher oder später müssen wir alle loslassen, und so wird es uns ohnehin nie wirklich gehören. Jener mit wenig Besitz, der wenig gibt, kann großzügiger als ein wohlhabender Mensch sein, der wie viel auch immer von seinen Besitztümern gibt.
  6. Geld ist ein wiederkehrendes Mittel zum Zweck. Wir alle machen irgendwann unliebsame Erfahrungen mit Geld. Sei es durch eine unnötige oder schlechte Investition(sentscheidung), einen dummen Kauf, Ponzi-Systeme, falsche Veranlagungen, einen Plan, schnell wohlhabend zu werden oder unaufrichtige Geschäftspartner. Ein Verlust ist immer schwer zu verkraften, jedoch soll dadurch nicht das Vertrauen in andere Menschen oder die Welt verloren gehen. Wenn man den Charakter oder die Seele verliert, kann man diese nie mehr zurückbekommen – bei Vermögenswerten ist dies anders.
  7. Der Situation entsprechend sparen. Wenn man während der Ausbildungszeit 20 Euro pro Monat gespart hat, bedeutet das nicht, dass man in den folgenden Jahrzehnten immer den gleichen Betrag sparen sollte. Tendenziell geben Menschen mehr aus, wenn sie mehr verdienen. Wenn man ein finanzielles Polster hat, fühlt man sich wohler. Arbeitsplatzverlust oder unvorhergesehene Ausgaben für Haushalt oder Gesundheit sind so besser zu verkraften.
  8. Nicht zu viele Sorgen um den Ruhestand machen. Menschen sind häufig damit beschäftigt, sich Sorgen zu machen, einen guten Eindruck zu schinden oder sich zu bemühen. Rückblickend sind jedoch unsere Sorgen – soweit wir uns überhaupt noch an sie erinnern können – eine gewaltige Verschwendung mentaler Energie. Ziele, für die wir uns mühten, haben dann weniger Bedeutung als geglaubt. Die besten Einkommensjahre liegen wahrscheinlich in den Vierzigern und Fünfzigern. Wenn man also noch nicht in den besten Karrierejahren ist, sollte man sich nicht fertigmachen. Wenn man jetzt die Arbeit macht und sich immer weiter verbessert, wird voraussichtlich später mehr Geld folgen.

Simpel, aber nicht einfach

Alle oben genannten Geldprinzipien mögen offensichtlich klingen, aber es ist nicht offensichtlich oder einfach, nach dem zu leben, was man weiß. Was zählt, ist, dass man diese Dinge ausführt – auch wenn es nur ein oder zwei Dinge sind. Jedes bisschen hilft. Tatsächlich sind es diese kleinen Dinge, die in den kommenden Jahrzehnten helfen werden. (Bernhard Führer, 21.9.2022)