Stellen Sie sich vor, Sie sind auf einer Party und haben gerade ein Buch über ein bestimmtes Thema veröffentlicht. Sie kommen mit einem Mann über dieses Thema ins Gespräch, und er hält einen Monolog darüber. Schließlich stellt sich heraus, der Gesprächspartner hat nicht einmal das Buch, sondern nur eine Rezensionen davon gelesen, und selbst der Einwurf, Sie seien die Autorin, lässt ihn erst bei mehrmaligen Hinweis darauf – kurz – innehalten. Klingt absurd, oder? Aber genau das ist Rebecca Solnit passiert, die daraufhin diesem Phänomen einen Essay widmete, der 2014 im Buch "Men Explain Things to Me" erschien. Wenig später hat sich der Begriff Mansplaining für dieses Phänomen etabliert.

"Also, jetzt erklär ich euch das mal!": Wenn Männer wieder einmal ungefragt die Redezeit an sich reißen. Was hilft, damit das nicht mehr passiert?
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Es nervt, es ist unnötig und lässt Frauen vielfach verstummen. "Das geschilderte Gesprächsverhalten ist eine Methode, im höflichen Diskurs Macht auszuüben – die gleiche Macht, mit der auch im unhöflichen Diskurs und durch Akte körperlicher Einschüchterung und Gewalt Frauen zum Schweigen gebracht, ausgelöscht, vernichtet werden", schreibt Solnit.

Überlegenheitsgefühl und Selbstzweifel

Viele Frauen haben das Phänomen Mansplaining, Manterrupting oder Herrklärer in der Arbeitswelt schon erlebt. Im Meeting, das man penibel vorbereitet hat, um seine Expertise zum Besten zu geben, werden Frauen schnell einmal unterbrochen, und im schlimmsten Fall übernimmt gar ein männlicher Kollege mit weniger Ahnung vom Thema die Präsentation.

Zum Teil fällt das gar nicht mehr auf, weil Frauen es gewohnt sind, unterbrochen zu werden, und vielfach Selbstzweifel ob ihrer Leistungen hegen. Nils Pickert beschreibt in seiner STANDARD-Kolumne die Gründe, warum er sich leider immer noch regelmäßig beim Mansplaining ertappt: "Mansplaining ist in meinem Fall eine Mischung aus dem mir ansozialisierten Eindruck, zu nahezu allen Themen ohne große Vorbereitung halbwegs verständig sprechen zu können, und der nur schwer aus den Knochen zu schüttelnden Überzeugung, Frauen bräuchten in bestimmten Situationen einen Mann, der für sie Dinge regelt und ihnen die Welt herrklärt."

Aber wie kann man damit umgehen, wenn Frauen wieder einmal unterbrochen werden oder ihnen die Welt erklärt wird? Darauf aufmerksam machen, dass frau unterbrochen wurde? Die gleiche Strategie wie Männer anwenden und einfach drauflosreden? Ja, vielleicht hilft es, den Spieß umzudrehen und einfach das Wort an sich zu reißen, ohne Ahnung vom Thema zu haben. Aber ist es wirklich feministisch, sich männliche Skills anzueignen, um sich Aufmerksamkeit, Redezeit und Gehör zu verschaffen? Was heißt es, wenn wir uns gegenseitig nur noch unterbrechen und ohne Expertise gegenseitig die Welt erklären? Oder braucht es eine andere Strategie?

Wie gehen Sie damit um?

Kennen Sie das Mansplaining-Phänomen aus Ihrem Alltag? Wie gehen Sie mit Unterbrechern und Herrklärern um? Welche Strategie hat sich bei Ihnen als erfolgversprechend herausgestellt? Lassen Sie sich dadurch verunsichern? Welchen feministischen Zwiespalt erleben Sie, wenn Sie von Männern unterbrochen und belehrt werden oder auch wenn Sie das Phänomen zum Beispiel in einem Meeting beobachten? Erzählen Sie im Forum! (Judith Wohlgemuth, 6.10.2022)