Chatkontrolle am Handy? Geht nicht, sagt der UN-Menschenrechtskomissar

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Während sich Deutschland gerade wieder einmal beim EuGH eine Abfuhr in Sachen Vorratsdatenspeicherung geholt hat, diskutieren europäische Gesetzgeber derzeit über die nächste Variante der anlasslosen Massenüberwachung. Messenger-Hersteller sollen künftig in ihren Apps laufend nach Darstellungen des sexuellen Missbrauchs von Kindern (CSAM) scannen und Gefundenes an die Behörden melden müssen. In der breiteren Öffentlichkeit wird dieses Unterfangen unter dem Begriff Chatkontrolle diskutiert.

Kritik

Eine Idee, die bei Datenschützern die Alarmglocken schrillen lässt. Nun bekommen sie prominente Unterstützung. In einem aktuellen Bericht widmet sich der UN-Menschenrechtskommissar generell der Frage des "Rechts auf Privatsphäre im digitalen Zeitalter", einen zentralen Teil nehmen dabei aber die Ideen zu diesen offiziell "Client Side Scanning" genannten Konzepten ein.

Das Verdikt fällt dabei geradezu vernichtend aus, wie netzpolitik.org berichtet. "Client Side Scanning" stelle geradezu einen "Paradigmenwechsel" in Hinblick auf die Privatsphäre, aber auch andere Grundrechte dar – würde es doch im Gegensatz zu anderen Maßnahmen wirklich alle Menschen betreffen.

Fehlalarme und Selbstzensur

Doch neben dieser größeren Frage äußert der Menschenrechtskommissar auch konkrete Kritikpunkte. So seien Fehlalarme unvermeidbar, die aber trotzdem für unschuldige Menschen schwere Konsequenzen haben könnten. Vor allem aber hätte eine wahllose Überwachung negative Auswirkungen auf die Meinungsfreiheit. Wer sich überwacht fühlt, neige dazu, die Kommunikation einzuschränken und Selbstzensur auszuüben.

Zudem sei zu befürchten, dass eine solche Technologie nicht auf den erwähnten Einsatzbereich beschränkt bleibt. Auf technischer Ebene eingeführt, seien Forderungen nach einer Ausweitung auf andere Inhalte zu erwarten. Dies könnte wiederum dazu führen, dass Oppositionelle oder Menschenrechtsaktivisten ins Visier geraten und allgemeine politische Debatten unterdrückt werden.

Kein verhältnismäßiger Einsatz möglich

Das Verdikt des Berichts fällt insofern ziemlich eindeutig aus. Angesichts eines "breiten Spektrums erheblicher Risiken für den Schutz von Menschenrechten" sei es unwahrscheinlich, dass das Client Side Scanning verhältnismäßig eingesetzt werden kann. Insofern rät der Bericht Staaten davon ab, eine verpflichtende Chatkontrolle einzuführen.

Hintergrund

Auslöser für die Diskussion ist, dass immer mehr Menschen Ende-zu-Ende-verschlüsselte Messenger einsetzen, bei denen die Daten so übertragen werden, dass sie wirklich nur Absenderin und Empfänger lesen können – also nicht einmal der App-Hersteller selbst. Dies kritisieren Strafverfolgungsbehörden bereits seit Jahren, sie befürchten, jeglichen Einblick in digitale Kommunikation zu verlieren.

Client Side Scanning würde diese Verschlüsselung auch nicht brechen, es würde sie quasi umlaufen, wird dabei doch direkt in der App – und somit auf dem Smartphone – nach Inhalten gescannt. Dort sind die Inhalte natürlich sehr wohl einsehbar, sonst könnten sie die User ja auch nicht lesen. All das ist auch keine bloße Theorie, Apple hatte solch ein System bereits im Vorjahr vorgezeigt und erst nach scharfer öffentlicher Kritik vorerst wieder auf Eis gelegt. (Andreas Proschofsky, 20.9.2022)