"Und wenn wir alle zusammen legen?", frage ich auf Facebook, ich bin online schon wieder einmal auf MEIN Schloss gestoßen. Das tue ich nämlich gern zum Zeitvertreib, mir im Internet einen Nebenwohnsitz aussuchen, der den Namen verdient hat. "Historisches Schloss mit Nebengebäude zu verkaufen!!", um 780.000 Euro eine Okkasion, das sagen auch die zwei Rufzeichen, Bezirk Melk, 13 Zimmer, unterirdischer Geheimgang in den Garten, Rohdachboden, auf den Fotos ein bröckeliges Schlösschen, sonnenbeschienene bemooste Treppen, ein bisschen Park, von den 13 Zimmern sind verdächtig wenige auf den Fotos zu sehen, eine abgestorbene Zimmerpalme im Winkerl, Gips-Putti, und dieses eine unheimliche Zimmer mit dem Teppichboden und den Trachtenpuppen.

Stilsicher ein Vermögen verbraten

Vermietung des Puppenzimmers an Horrorfans schlägt eine Freundin vor, wir alle malen uns ein grausames Ende aus, die Puppen sind immer noch da, wir sind tot – oder eben die Leichen der ausgedachten Airbnb-Gäste entsorgen. Nun gut, dann kaufen wir dieses Schloss eben doch nicht. Kein Atelier im Nebengebäude, kein Salon, kein Schreibtisch mit Ausblick auf einen, meinen Park, vor meinem geistigen Auge zerstreiten sich sowieso alle Beteiligten, und dann wird auch noch das Dach kaputt – und wir haben doch all unser nicht vorhandenes Geld schon in das Gebäude investiert, nein, das wird nichts.

Eine Villa am Comer See (Symbolbild) wird über ein Auktionshaus angeboten: "Wie bin ich bloß auf dieser Website gelandet?", fragt sich die Autorin.
Foto: iStock / Getty Images Plus/Janoka82

"Hi there, are you looking to buy, rent or sell a property?", quatscht mich ein Bot freundlich von rechts an, ich weiß auch nicht, wie ich auf der Website von Sotheby’s Italy gelandet bin, und auch nicht, was "Na, ich schau nur" auf Italienisch heißt. "Die Insel kann sowohl mit dem Hubschrauber als auch per Schiff erreicht werden", Gott im Himmel, ja, ich will es. Ich mein, "Preis vertrauliche Verhandlungen", wie viel kann das schon sein.

Ich klicke mich durch die Bilder "einer Perle der Renaissance", die Villa am Comer See, schön auch so ein "prächtiges Schloss aus dem 14. Jahrhundert in der Landschaft von Siena", ich sehe mich alle Freundinnen und Freunde einladen, wir werden nur mehr essen, lustwandeln, Lagen-Champagner schlürfen, enorm kluge Dinge reden, diesen einen Gesellschaftsroman schreiben, ach ja, genau, was schreiben sollte ich eigentlich. Und warum ist dieses Zimmer mit dem Billardtisch so hässlich eingerichtet, das geht doch so nicht, diese unbeschreibliche Wohnlandschaft, wie reiche Menschen LEBEN, also echt, ich könnte doch viel stilsicherer ein Vermögen verprassen, so viel steht fest.

Fiktives Leben, fiktiver Reichtum

Ist das der Reiz? Davon, die Fotos der Bauhaus-Villa zu durchstöbern (Ölschinken mit Klatschmohn, was ist mit den Leuten), die Gemäuer in Gedanken einzurichten mit einem fiktiven Vermögen eines ebenso fiktiven nichtsnutzigen Lebens im Reichtum? Ich weiß genau, wie es aussieht, "mein" Ankleidezimmer mit Stofftapeten an der Wand mit tropischen Vögeln und Äffchen und diesem einen Murano-Luster mit Glasobst, vielleicht sogar die unbeschreibliche Straußenfedernstehlampe mit Vogelfuß, die mir Facebook immer wieder vorschlägt. Aber seit ich mir am Flohmarkt in 1190 Wien die zwei Nachttischlampen mit Glasteilen dran gekauft und denen im Geschirrspüler ihr 60- bis 70-jähriges Dasein im Schlafzimmer anderer Leute weggeputzt habe, ist mir klar, es bräuchte dafür vor allem eines: Personal.

Anderer Leute reale Wohnorte

Aber vermutlich hat auch die verstorbene Mutter von dem Mann, der sie mir erleichtert ganz, ganz schnell um sehr wenig Geld in ein Sackerl gestopft hat, das ich dann fluchend den restlichen Flohmarkt entlanggetragen habe, ein bisschen von mehr Glamour geträumt. Aber was weiß denn ich, ich habe dann zugesehen, wie die ärmeren Frauen den reicheren Frauen die guten gebrauchten Kinderschuhe abgekauft haben und wie auf den Euro genau verhandelt wurde, und günstig gab es die schönsten Nerzcapes, aber ich führe kein Leben, in dem Nerzcapes eine Rolle spielen, noch nicht einmal, wenn sie nur 50 Euro kosten.

Apropos Nerzcapes: Die seltsamsten Fotos, denen ich auf meiner fiktiven Leben-im -Luxus-Reise durch anderer Leute reale Wohnorte begegnet bin, waren jene, als Villa jenes Mafioso, der das Vorbild für Scorseses Casino war, in Las Vegas verkauft wurde. Erstaunlich unmondän, so im Originalzustand, aber: extra mit Stoff verkleidete temperierte Schränke für die Pelze der Gattin, die Villa in einer Hochsicherheitssiedlung für Reiche in Las Vegas, kein Balkon für den Herrn, denn die Gefahr, herunter geschossen zu werden, war zu groß.

War ein Freund des Exzentrischen: Liberace. Aber Hochflor im Badezimmer? Lieber nicht.
Foto: imago images / Cinema Publishers Collection

Noch so ein Liebling: der pure Aberwitz der Inneneinrichtung der Villa von Klimper- und Klunkergott Liberace, die im Bad (googeln Sie selbst!) dicke Teppichböden hatte, aber allein die Vorstellung des Geruchs von ewig feuchtem Hochflor, na ja. Habe ich schon gesagt, dass ich das alles viel sinnvoller einrichten könnte, ja, samt Zweifach-Schwanenhals-Whirlpool, allein die Fähigkeit zu organisierter Korruption und Bedrohlichkeit in großem Stil fehlt mir gänzlich sowie die Begabung, schnell und richtig Klavier zu spielen, nur der unbedingte Wille zu mehr Glitzer wäre vorhanden, aber das allein reicht nicht, fürchte ich.

Aber das ist es wohl, das Faszinosum: einen Moment lang in anderer Leute Leben zu spechteln. Als die Villa von Filmgöttin Sophia Loren und Produzentengatte Carlo Ponti verkauft wurde, habe ich mich begeistert durch den vergangenen Chic geklickt, ebenso durch die von Kultregisseur Vittorio De Sica auf Capri. Spa! Orangerie! Vier Badezimmer! Panoramaterrassen!

Putzwut trifft Adel

Niemand kann süchtig machende Doku-Soaps über exzentrische Menschen besser als das britische Fernsehen, ihm verdanke ich die Verknüpfung zweier meiner (und offenbar vieler Leute) absonderlicheren Leidenschaften, nämlich jene Staffel von "Obsessive Compulsive Cleaners", die putzwütige Menschen auf adelige Privatieren und Privatiers loslässt, die in ihren Messie-Schlösschen hocken zwischen sich auflösenden Tapeten und mottenzerfressenen Jagdtrophäen mit liegengebliebenem moderndem Papierkram aus Jahrhunderten. Vielleicht ist es das: Die eigene Bürokratie ist überschaubar im Vergleich, und man besitzt zwar keinen Nebentrakt, dafür ist dort auch keine Mäusescheiße.

Die Wahrheit ist: Ich habe noch nicht einmal für ein geschenktes Schloss das Budget. Im Bild: Schloss Reinhardsbrunn bei Friedrichroda.
Foto: imago/Rex Schober

Werde ich also einen bröckeligen Ballsaal liebevoll adaptieren, darin rauschende Feste mit den wilden Weibern feiern und die fantastische Sammlung von Kunst von Künstlerinnen aufhängen, für die ich dann Platz und Geld habe? Im Garten Zwergziegen halten? Die Orangerie mit Buddhas Hand und Bergamotten-Bäumen bestücken und Hängematten aufhängen im Schlosspark?

Die Wahrheit ist: Ich habe noch nicht einmal für ein geschenktes Schloss das Budget. Mir reicht also die Curd-Jürgens-Homestory von anno dazumal. Nein, für mich kein Feuer im Kamin und dicke Teppiche davor, dafür muss ich mir heuer auch nicht überlegen, ob ich den grünen Salon heizen kann. Ich bin mir selbst Personal, und irgendwo zwischen dem Kurt-Ostbahn-Motto "Es ist nie zu spät für eine glückliche Jugend" und "Sei dein eigenes Hotel" der fabulösen Band Lassie Singers ("Manchmal bin ich Hotel garni, gar nie bin ich Ritz") bleibe ich dabei weiterhin Schlossbesitzerin, wenn auch nur in Gedanken. (Julia Pühringer, 21.9.2022)