Ölunternehmen versuchen sich in den sozialen Medien ins richtige Licht zu rücken.

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Der vergangene Sommer war der heißeste in Europa seit Beginn der Aufzeichnungen. Weite Teile des Kontinents waren von Hitzewellen, Dürre und Waldbränden geplagt. Doch auf den Social-Media-Accounts der Konzerne, die den Klimawandel weiter antreiben, war die Welt eine andere. Sie zeigten Flugzeuge, die über unberührte Naturlandschaften fliegen, und Autos auf abgelegenen, idyllischen Bergstraßen.

Fluggesellschaften, Automobil- und Ölunternehmen würden sich die Schönheit der Natur zunutze machen, um von ihren klimaschädlichen Aktivitäten abzulenken, kritisieren Forschende in einer Studie, die von Greenpeace und vom Algorithmic Transparency Institute in Auftrag gegeben und am Mittwoch veröffentlicht wurde.

Naturbilder wirken positiv

Für den Bericht hat das Team um den Harvard-Foscher Geoffrey Supran über 2.000 Social-Media-Beiträge von Airlines, Automobil- und Ölkonzernen auf Facebook, Instagram, Youtube und Tiktok analysiert. Aufgefallen sei dabei, dass die besagten Unternehmen oft mit Bildern von intakter Natur werben, um die klimatischen und sozialen Auswirkungen ihres Geschäfts zu verschleiern, sagt Supran dem STANDARD.

Verhaltenspsychologische Forschung habe gezeigt, dass Menschen, die Naturbildern ausgesetzt waren, kurze, positive Gefühlsregungen zeigten – selbst bei sonst kritischen Beobachtern. "Das ist etwas, das Sprache nicht kann", sagte Supran.

Ölkonzerne, die den Klimawandel weiter antreiben, werben in den sozialen Medien oft mit Bildern von intakter Natur.
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Konzerne verschieben Verantwortung

Nur in sieben der über 2.000 analysierten Beiträge ist konkret vom Klimawandel die Rede, vier davon adressieren die Social-Media-User direkt, selbst Maßnahmen gegen den Klimwandel zu ergreifen. Dabei würden sie die Verantwortung auf das Individuum abschieben, schreiben die Forschenden.

In zwei Dritteln der untersuchten Postings bedienen sich die Unternehmen des Narrativs der "grünen Innovation", stellen sich dabei also als umweltbewusst und engagiert im Kampf gegen die Klimakrise dar, ohne etwas am grundlegenden Geschäftsmodell zu ändern. Eine Fluglinie warb etwa mit 20 Prozent niedrigeren CO2-Emissionen gegenüber der Konkurrenz, Autohersteller mit Hybridmodellen, in denen weiterhin ein klimaschädlicher Verbrennungsmotor verbaut ist.

Einige Unternehmen präsentieren sich zudem divers, in dem sie Bilder von Frauen, nichtbinären, nicht-aukasischen oder jungen Menschen einsetzen, um ihre "Botschaften des Greenwashings und der Irreführung zu verstärken", heißt es in dem Bericht. Diesen Inhalten widmen die Firmen teilweise mehr Raum als dem eigentlichen Geschäft an sich. Dieses "Wokewashing" würde den Verkauf von klimaschädlichen Produkten weiter steigern, kritisiert Amina Adebisi Odofin von Greenpeace.

Wenn sich ein Unternehmen divers präsentiert oder etwa auch karitativ tätig ist, sei das per se natürlich "nicht problematisch", sagt Supran. Fragwürdig werde es allerdings, wenn der Unterschied zwischen der Realität und der Werbung zu groß werde und sich Unternehmen so eine "sozial legitimierte Lizenz" zur Fortführung ihrer klimaschädlichen Aktivitäten holen würden.

Von Leugnung zu Verzögerung

Verbreitet sei laut Supran auch das Frame des "fossilen Retters", in dem fossile Brennstoffe als Lösung für die Klimakrise dargestellt werden, oft verbunden mit "technologischem Optimismus", etwa in Bezug auf Wasserstoff, Kohlenstoffspeicherung oder "grünes Gas".

Supran hatte zu einem früheren Zeitpunkt bereits die Klimakommunikation des Ölkonzerns Exxonmobil der letzten 40 Jahre analysiert. In den vergangenen Jahren habe es eine Verschiebung vom "Denialism", also der offenen Leugnung des Klimawandels, hin zu subtileren Methoden der Beeinflussung gegeben. "Doch diese haben im Endeffekt das gleiche Ziel: Nämlich Maßnahmen gegen die Klimakrise zu stoppen", sagt Supran. Im Vorfeld der US-Präsidentschaftswahl 2020 gab Exxonmobil etwa mehr für politische Werbung aus als jedes andere Unternehmen.

Greenpeace fordert Werbeverbot

Doch ist es nicht naheliegend, dass sich Unternehmen in der Öffentlichkeit stets gut darstellen wollen? "Wir wissen, dass die Aktivitäten dieser Konzerne den Zusammenbruch des Weltklimas verursachen", sagt Supran. Die Prämisse, dass diese Unternehmen ein existenzielles Recht auf Werbung haben, akzeptiere er deshalb nicht. Möglich wäre etwa, nur Werbung in dem Ausmaß zu erlauben, in dem die Konzerne nachweisbar klimafreundlich handeln oder investieren.

Greenpeace sieht in dem Verhalten der untersuchten Unternehmen jedenfalls "systematisches Greenwashing" und fordert ein EU-weites Verbot aller fossiler Werbung. (pp, 21.9.2022)