Einige der Gefäße aus dem 14. Jahrhundert vor Christus enthielten halluzinogene Inhalte.
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Die Menschen lieben ihre Drogen offensichtlich bis in den Tod, wie die Archäologie immer wieder feststellt: Die Nachweise, vor wie vielen tausenden Jahren wir beispielsweise Tabak und Cannabis züchteten und konsumierten, reichen dank neuer Entdeckungen weiter und weiter in die Vergangenheit zurück. Und sie zeigen, dass die stimulierenden Stoffe gern mit ins Grab genommen wurden. Zwei Beispiele dafür finden sich im heutigen Israel: Dort sollen Menschen schon vor etwa 13.000 Jahren in einer Höhle, die auch als Begräbnisstätte diente, bierartige Getränke gebraut und deponiert haben.

Weniger alt, aber ebenfalls beeindruckend ist ein weiterer israelischer Fund, über den nun ein Forschungsteam im Fachjournal "Archaeometry" berichtet. Es konnte in Grabbeigaben, die in der Nähe der Stadt Tel Aviv entdeckt wurden, mindestens 3.300 Jahre alte Spuren von Opium nachweisen. Das 14. vorchristliche Jahrhundert, aus dem die Funde stammen, fiele der zentraleuropäischen Epocheneinteilung zufolge noch in die Bronzezeit.

Aus der Kulturpflanze Schlafmohn (Papaver somniferum) können nicht nur die beliebten schwarzen Samen gewonnen werden, sondern auch halluzinogener und schmerzstillender Milchsaft.
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Einer Mitteilung der beteiligten Forschungsstätten zufolge – Fachleute der Universität Tel Aviv, des Weizmann-Instituts und der israelischen Altertumsbehörde wirkten mit – handle es sich damit um den "frühesten bekannten Hinweis auf menschlichen Opiumgebrauch". Die Droge wird aus der Kapsel des Schlafmohns gewonnen: Die Milch der Pflanze enthält mehr als 40 Alkaloide, vor allem Morphin. Es wird medizinisch zur Linderung von Schmerzen verwendet, kann aber auch Halluzinationen hervorrufen.

Handel mit der weißen Milch

Schriftliche Quellen, die auf die Nutzung von Opium hindeuten, sind noch älter als die analysierten Gefäße: Sumerische Tontafeln, die das glückbringende Mittel "Gil" erwähnen, sind etwa 5.000 Jahre alt, schreibt das Forschungsteam. Darüber hinaus gibt es Figurinen und Schmuckstücke, die in ihrer Form von Mohnkapseln inspiriert sein könnten. Stichhaltige Beweise gab es bisher aber vergleichsweise wenige.

Die Fundstätte befindet sich etwa 20 Kilometer östlich von Tel Aviv.

Die chemischen Analysen von Doktorandin Vanessa Linares und ihrer Forschungsgruppe sprechen jedoch eine eindeutige Sprache. Und sie zeigen die Bedeutung auf, die Opium und der Handel mit dem Rauschmittel im Nahen Osten innehatten. Einige der Gefäße der Grabstätte von Jehud wurden vor Ort hergestellt, andere stammten aus Zypern. Weil Schlafmohn in Kleinasien – also in der heutigen Türkei – wuchs, vermutet Linares, "wurde Opium aus der Türkei über Zypern nach Jehud gebracht".

Kanaanitische Totenzeremonien

Jehud – oder Tel Jehud – befindet sich in einer Region, die früher als Kanaan bezeichnet wurde und die heute ungefähr Israel und Palästina umfassen würde. Der biblischen Ortschaft Kana, in der der Legende zufolge Jesus bei einer Hochzeit Wasser in Wein verwandelt haben soll, entspricht sie allerdings nicht – den rauschhaften Umständen, die sich im Wunder wie auch im Grabfund zeigen, zum Trotz.

Die gefundenen Gefäße haben eine besondere Form und sollen – umgedreht – Pflanzenteilen nachempfunden sein ...
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Die kanaanitischen Gräber nahe Jehud umfassen einen Zeitraum vom 18. bis zum 13. vorchristlichen Jahrhundert. Hier wurden hunderte erwachsene Männer und Frauen bestattet, sagt Ron Be'eri von der israelischen Altertumsbehörde. Die hinzugegebenen Gefäße weisen dem Team zufolge – wie frühere Funde – eine spezielle Form auf, die an die Kapseln des Schlafmohns erinnert. "Die Tongefäße wurden in den Gräbern deponiert und für zeremonielle Speisen, Riten und Rituale genutzt, die die Lebenden für ihre verstorbenen Familienmitglieder durchführten", nimmt Be'eri an.

... genauer gesagt: Sie ähneln Schlafmohnkapseln.
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Im Rausch unterwegs ins Jenseits

Dem Forscher zufolge wollten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Totenfeier einen Zustand der Ekstase erwirken, um mit den Verstorbenen zu kommunizieren. "Es ist aber auch möglich, dass das Opium, das neben der Leiche platziert wurde, dem Geist der Person helfen sollte, vom Grab aufzufahren, um sich auf das Zusammentreffen mit der Verwandtschaft im nächsten Leben vorzubereiten."

Wie auch immer der Ritus damals genau ausgesehen hatte und welchen Zweck er erfüllt haben mag: Opium dürfte zu dieser Zeit und in dieser Gegend eine besondere Stellung im Vergleich zu anderen Rauschmitteln eingenommen haben. "Es handelt sich um die einzige psychoaktive Droge, die in der Levante in der späten Bronzezeit gefunden wurde", sagt Erstautorin Linares. "Im Jahr 2020 entdeckten Forschende Cannabisspuren auf einem Altar in Tel Arad, aber diese stammten aus der Eisenzeit – hunderte Jahre nach dem Opium von Tel Jehud." (Julia Sica, 21.9.2022)