Wovor Justitia nicht ihre Augen verschließen sollte: dass deutlich weniger Frauen als Männer in Kanzleien beschäftigt sind.

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Weltkonzerne wie Google, BASF oder Novartis machen es bereits vor: Bei Auftragsvergaben an externe Beratungen oder Kanzleien spielen bei der Auswahl nicht nur Kosten und Qualität des Angebots eine Rolle, sondern auch die Gender-Diversity im jeweiligen Unternehmen. Das soll Druck ausüben und dazu führen, dass sie auf ein gerechtes Geschlechterverhältnis unter ihren Mitarbeitenden achten.

In Österreich wollen nun mehrere Unternehmen diesen Vorbildern folgen. Der Fokus liegt dabei auf Anwaltskanzleien, in denen hierzulande nach wie vor deutlich weniger Frauen als Männer beschäftigt sind. Die "Women Go Panel"-Initiative, die von Women in Law gemeinsam mit der Unicredit und der Vereinigung Österreichischer Unternehmensjuristen (VUJ) ins Leben gerufen wurde, will in einem ersten Schritt Transparenz schaffen.

Druck durch Transparenz

Dafür wollen die beteiligten Unternehmen, darunter die Erste Bank und Magenta, ihre Anwaltskanzleien zu deren Frauenanteil auf Ebene der Gesellschafter und in der restlichen Belegschaft befragen. Bei einer allfällig niedrigen Quote sollen die Rechtsberatungen offenlegen, welche Pläne sie haben, um mehr Frauen einzustellen und zu fördern. Damit signalisieren die Unternehmen, dass Gender-Diversity bei der Vergabe ihrer Anwaltsbudgets eine zunehmend wichtige Rolle spielt.

Die Initiative "Women Go Panel" wird die Unternehmen dabei unterstützen, eine eigene Gender-Diversity-Policy zu formulieren. Ob sie letztlich verpflichtende Vergabekriterien wie Google, BASF oder Novartis einführen, bleibt ihnen freilich selbst überlassen. Luciano Duque-Cordero, Mitinitiator aufseiten der Unicredit, sieht die Verantwortung für mehr Diversität auch bei den Mandanten, die die Möglichkeit haben, einen "nachhaltigen Wandel in der Rechtsbranche vorzugeben".

"Women Go Panel" will sie dabei beraten: In der Praxis habe es sich bisher bewährt, im Dialog mit externen Dienstleistern bestimmte Vorgaben und Ziele zu vereinbaren. Dafür bietet die Initiative einen fertigen Fragebogen an. In den kommenden Monaten finden dann regelmäßige Treffen statt. "Mitmachen kann jeder", sagt Sophie Martinetz, Gründerin von Women in Law, zum STANDARD.

Gender-Diversity sei kein moralisches Thema, sondern schlichtweg "business sense", erklärt die Juristin. "Die Zahlen, Daten und Fakten liegen seit mehr als 20 Jahren auf dem Tisch." Wie Studien der Uno zeigen, brächten diverse Teams mehr Leistung.

Zeitgemäßes, flexibles Arbeiten

Obwohl mehr Frauen als Männer das Jusstudium abschließen und ihr Anteil unter den Anwärterinnen und Anwärtern bei knapp 50 Prozent liegt, ist der Frauenanteil in der Anwaltschaft noch immer gering. "Wenn ich hauptsächlich Männer beschäftigte, geht es sich aber rein rechnerisch nicht aus, dass ich die besten Leute im Team habe", sagt Martinetz mit einem Schmunzeln.

Im technischen oder naturwissenschaftlichen Bereich gebe es schon in der Ausbildung wenige Frauen, weshalb es schwierig sei, weibliche Führungskräfte zu etablieren. In der Anwaltschaft sei das anders. "Viele sprechen davon, dass Kanzleien familienfreundlicher werden sollen", sagt Martinetz. "Ich formuliere es anders: Es ist sinnvoll, eine Unternehmenskultur zu schaffen, die zeitgemäßes, flexibles Arbeiten ermöglicht – sowohl für Männer als auch für Frauen." (Jakob Pflügl, 28.9.2022)