Angesichts der aktuellen Weltlage mögen sich viele Menschen fragen, ob sie überhaupt Kinder bekommen sollen. Manche Krebse haben es da leichter: Sie können ihren Nachwuchs mit einer Schutzschicht umgeben und ihn so für schlechte Zeiten rüsten. Am Institute of Science and Technology Austria (ISTA) wird derzeit untersucht, was sie das kostet.

Das Weibchen der Art Artemia franciscana kann Dauereier erzeugen – diese können Trockenheit, extreme Hitze oder Kälte überdauern, bis sich die Umstände bessern und die Larven schlüpfen.
Foto: : Clementine Lasne

Salzkrebschen (wissenschaftlich Artemia) sind einen Zentimeter große, in Salzwasserseen lebende Krebse, die im auf dem Rücken schwimmen und mit ihren elf Beinpaaren sowohl atmen als auch Nahrung herbeistrudeln. Bemerkenswert ist ihre Fortpflanzung: Während einige der neun Arten imstande sind, sich parthenogenetisch – also ohne Paarung – zu vermehren, setzen andere sehr wohl auf Sex, wobei sie dessen Ergebnis an die Umweltbedingungen anpassen.

Dauereier bei Hitze

Ist alles in Ordnung, bringen die Weibchen lebende Junge zur Welt, sogenannte Nauplius-Larven. Bei ungünstigen Bedingungen hingegen schließen sie die Embryonen in eine widerstandsfähige Schale ein, bevor sie sie ins Wasser abgeben. Diese Dauereier sind imstande, auch extreme Verhältnisse wie Trockenheit und sehr hohe oder sehr tiefe Temperaturen unbeschadet zu überstehen. Bessert sich die Lage, schlüpfen daraus gesunde Larven.

Clementine Lasne forscht derzeit im Rahmen des Esprit-Programms des österreichischen Wissenschaftsfonds FWF am ISTA in Klosterneuburg an den genetischen Grundlagen dieser reproduktiven Plastizität. Zusätzlich untersucht Lasne, ob die Aufrechterhaltung dieser Flexibilität für Artemia mit Nachteilen verbunden ist: So wäre es denkbar, dass die dafür verantwortlichen Gene eine kürzere Lebensdauer oder eine geringere Menge an Nachwuchs bedingen.

Da das Maß der biologischen Fitness die Anzahl der Nachkommen ist, die die elterlichen Gene weitergeben können, würde beides eine Fitnesseinbuße bedeuten. Sollte das der Fall sein, stellt sich die Frage, wie sich eine solche Eigenschaft im Laufe der Evolution erhalten konnte.

Die speziellen Salzkrebse verblüffen Forschende mit ihrer Fortpflanzungstechnik.
Foto: Clementine Lasne

Lasnes Forschungsobjekt ist Artemia franciscana, eine Art, die aus Nordamerika stammt und dort unter anderem im Great Salt Lake in Utah in riesigen Mengen vorkommt. In Europa hat sich die Spezies seit den 1980er-Jahren ausgebreitet und dabei die aus dem Mittelmeergebiet stammende Artemia salina weitgehend verdrängt, deren Dauereier eine beliebte Beigabe von Jugendzeitschriften waren.

Artemia-Eier und -Larven werden weltweit als Futter für Fische, Shrimps, Langusten und dergleichen verwendet. Dafür können die Dauereier jahrelang tiefgekühlt und je nach Bedarf in Salzwasser gebracht werden, wo nach nur einem Tag die Larven schlüpfen. Pro Jahr werden 3500 bis 4000 Tonnen Artemia-Dauereier nachgefragt.

Die große wirtschaftliche Bedeutung der Salzkrebschen hat auch dazu geführt, dass das Erbgut der wichtigsten Arten mittlerweile vollständig bekannt ist. Das ist – neben dem Umstand, dass sie leicht zu bekommen sind – auch der Grund, warum sich Lasne bei ihren Untersuchungen für Artemia franciscana entschieden hat.

Jahreszeitlicher Wechsel

Natürlich war auch der Umstand wichtig, dass sie zu den Artemia-Arten gehört, die sich sexuell fortpflanzen. In freier Natur gibt es verschiedene Bedingungen, unter denen die Tiere von Larven- auf Dauereierproduktion umstellen. So vollzieht A. franciscana im Great Salt Lake jahreszeitliche Wechsel: Im Herbst, wenn die Tage kürzer werden, bringen die Weibchen Dauereier hervor, im Frühjahr Larven. Dazwischen stellen sie – wie in Lebensräumen ohne kalte Jahreszeit – etwa auch dann auf Dauereier um, wenn starke Verdunstung und ein entsprechender Anstieg der Salinität eine beginnende Dürreperiode ankündigen.

"Im Labor lassen sich die verschiedenen Bedingungen, die die Produktion von Dauereiern auslösen, kontrolliert herbeiführen", sagt Lasne, und genau das tut die Wissenschafterin: Sowohl verpaarte als auch jungfräuliche Artemia-Weibchen werden erhöhter Salinität oder kürzerer Tageslänge ausgesetzt, während eine Kontrollgruppe unter Bedingungen gehalten wird, in denen die verpaarten Individuen durchgängig Larven erzeugen.

Unterschiede in der RNA

In regelmäßigen Abständen wird untersucht, ob oder wie sich die RNA aus den Reproduktionsorganen der jeweiligen Tiere unterscheidet. Zusätzlich werden unter anderem die Überlebensraten der lebend geborenen und aus Dauereiern stammenden Larven erhoben sowie die Gesamtmenge an Jungen, die Weibchen während ihres gesamten Lebens hervorbringen.

Schließlich wird Lasne noch insgesamt sechs Artemia-Arten bei langsam ansteigender Salinität und sinkender Tageslänge halten, um zu dokumentieren, wann genau sie von lebenden Larven zu Dauereiern wechseln. Der Übergang ist optisch gut auszumachen, denn vor der Produktion der Dauereier färbt sich eine Drüse im Uterus der Weibchen auffällig rötlich.

Deutliche Unterschiede zwischen den Arten oder Strängen wären ein Hinweis darauf, dass die Fähigkeit zum Wechsel nicht starr verankert ist, sondern sich relativ kurzfristig an lokale Gegebenheiten anpassen kann. Im Zuge des Klimawandels dürfte das sowohl für Artemia selbst als auch für deren wirtschaftliche Nutzung von Interesse sein. (Susanne Strnadl, 25.9.2022)