In Deutschland waren Transpersonen bis 2011 dazu gezwungen, sich operieren zu lassen, wenn sie ihren Geschlechtseintrag ändern wollten. In Österreich ist das schon seit 2009 ohne geschlechtsanpassende OP möglich.

Foto: Foto: Imago / Wiktor Szymanowicz

In Deutschland soll der Weg zu einem anderen Geschlecht deutlich vereinfacht werden. Wer in seiner Geburtsurkunde "weiblich" stehen hat, sich mit diesem Geschlecht aber nicht identifizieren kann und als Mann durchs Leben gehen will, soll künftig nur mit einer Erklärung eine Änderung des Geschlechts erwirken können. Das löste nicht nur in Deutschland Debatten aus, diese werden nun auch in Österreich geführt. Trotzdem sind es derzeit nur kleine Unterschiede zwischen den Parteien in der Wahrnehmung des Handlungsbedarfs bezüglich der österreichischen Regelung.

Das liegt auch daran, dass Österreich im Vergleich zu Deutschland kein 40 Jahre altes und dementsprechend veraltetes "Transsexuellengesetz" hat, das schon seit Jahren in der Kritik steht. Dieses sieht zum Beispiel zwei psychiatrische Gutachten vor, bevor der Personenstand geändert werden darf. In Österreich braucht es hingegen nur ein Sachverständigengutachten einer Psychiaterin, eines Psychotherapeuten oder einer klinischen Psychologin. Trotzdem sehen vor allem die Grünen und die SPÖ Verbesserungsbedarf.

Die Grünen haben sich kürzlich auf eine gemeinsame Linie zu Rechten von Transpersonen, intergeschlechtlichen und nichtbinären Personen geeinigt. Intergeschlechtliche Menschen kommen mit körperlichen Geschlechtsmerkmalen auf die Welt, die nicht ausschließlich männlich oder weiblich sind. Nichtbinäre Personen identifizieren sich nicht oder nicht nur als männlich oder weiblich.

Transparente Verfahren

Eine grundlegende Gesetzesänderung fordern die Grünen nicht. Allerdings sehen sie noch zu viele bürokratische Hindernisse. Der Verfassungsgerichtshof habe etwa nur festgelegt, dass es keine unnötigen Hürden für intergeschlechtliche Personen geben darf, für transgeschlechtliche Menschen steht dies aber noch aus.

Die Grünen fordern "Prozesse der Anerkennung des Geschlechts einer Person", die "unbürokratisch, transparent und vor allem leistbar" sind. Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) sprach sich kürzlich in einem STANDARD-Interview allerdings sogar für ein Selbstbestimmungsgesetz nach deutschem Vorbild aus – bei dem überhaupt keine Gutachten nötig sind.

Ewa Ernst-Dziedzic will sich auf Nachfrage des STANDARD nicht auf die Frage von Gutachten beschränken. Sie sieht grundsätzlich zwei Zugänge: Entweder man stelle Menschen unter Generalverdacht, dass sie eine liberale Regelung missbrauchen würden, und versucht das mit allen Mitteln auszuschließen. Das könnte aber in Bürokratie samt damit einhergehender Pathologisierung oder gar Schikane enden, sagt Ernst-Dziedzic. "Die Deutschen prüfen ein Modell, das all das beseitigen will, das sollten wir auch."

Ähnlich sieht es die SPÖ. Die Frage der amtlichen Personenstandsänderung sei in "einem Gesetz derart zu regeln, dass bürokratische Hürden abgebaut werden", sagt die rote Frauenvorsitzende Eva-Maria Holzleitner auf STANDARD-Nachfrage. Die Personenstandsänderung wird von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich geregelt. Trotz einer Reihe von Verordnungen und Erlässen gäbe es "zu wenig Information und Schulung, damit eine rasche Abwicklung garantiert wird", sagt Holzleitner. So würden mitunter lange Wartezeiten entstehen.

Einheitliche Regelungen

Hohe Kosten können laut Holzleitner etwa durch Nachweise von Therapien entstehen, die zusätzlich angefordert werden können. Daher sei eine einheitliche bundesgesetzliche Regelung wichtig, die einen diskriminierungsfreien Zugang zur Geschlechtsänderung ermöglicht.

In der Debatte wird auch immer wieder die Frage nach Missbrauch laut: Was, wenn jemand aus anderen Motiven als einer Transidentität den Personenstand ändern will? Etwa wenn jemand das frühere Pensionsantrittalter von Frauen nutzen will? Hierzu hat vor kurzem der Oberste Gerichtshof entschieden, dass für das Pensionsantrittsalter der Stichtag des Eintrags im Personenstandsregister gilt. Man müsste somit schon früh seinen Personenstand ändern, um zu profitieren.

Sollte aber tatsächlich Missbrauch passieren, fordert Holzleitner Konsequenzen und nennt ein anderes Beispiel, das oft als möglicher Missbrauch genannt wird: Wenn "eine Personenstandsänderung im Einzelfall dazu missbraucht wird, um sich Zugang zu geschützten Frauenräumen zu verschaffen".

Ein Selbstbestimmungsgesetz, wie es in Deutschland geplant ist, braucht es auch laut dem Neos-Abgeordneten Yannick Shetty nicht. Österreich habe schon eine "recht progressive Rechtslage". Bürokratische Hürden habe das Innenministerium durch den jüngsten Erlass weitgehend beseitigt. Allerdings würden Personenstandsbehörden entgegen dem gültigen Erlass teilweise nur Gutachten von bestimmten Psychologen oder Amtsärztinnen akzeptieren – derlei Hürden seien zu beseitigen, sagt Shetty.

Eine Grenze sei für ihn aber die geplante Regelung in Deutschland, nach der der Personenstand jedes Jahr geändert werden kann. "Selbst Interessenvertretungen von Transpersonen sehen keinen Sinn darin", sagt Shetty. "Die Debatte wird vor allem von jeweils sehr radikalen Positionen dominiert. Die einen sagen, Transpersonen sollten überhaupt nicht anerkannt werden, die anderen haben ein sehr ausuferndes Verlangen, wie mit dem Personenrecht umgegangen werden soll", meint der LGBTQI*-Sprecher. Die Neos stünden für eine Balance – und die sei auch schon durch die österreichische Rechtslage gegeben.

Nachdenkpausen

"Was manche als Hürden sehen, könnte man auch als Nachdenkpausen bezeichnen", sagt Rosa Ecker, Nationalratsabgeordnete und Frauensprecherin der FPÖ. Doch natürlich müsse jeder für sich selbst entscheiden können, es sei aber wichtig, dass "die Entscheidungen sicher sind", so Ecker. Sie verweist auf einen jüngeren Fall, in dem eine Transperson sehr lange als Frau lebte, aber nicht mit 60 in Pension gehen konnte. Die ÖVP war für eine Stellungnahme zum Thema Transrechte nicht zu erreichen.

In Deutschland waren Transpersonen bis 2011 dazu gezwungen, sich operieren zu lassen, wenn sie ihren Geschlechtseintrag ändern wollten. In Österreich ist das schon seit 2009 ohne geschlechtsanpassende OP möglich. (Beate Hausbichler, 21.9.2022)