Clemens-Wolfgang Niedrist, Kabinettschef im Finanzressort, hat keine juristischen Sorgen mehr: Die Ermittlungen gegen ihn wurden rechtskräftig eingestellt

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Wenn es nach der Anzahl der Anzeigen geht, musste sich der Ibiza-U-Ausschuss bei seinen Befragungen in den vergangenen zwei Jahren eine ganze Reihe von Falschaussagen anhören. Die juristische Aufarbeitung der Vorwürfe hat bislang jedoch kaum Ergebnisse gebracht. Nun ist ein weiteres Verfahren eingestellt worden: jenes gegen Clemens-Wolfgang Niedrist, Kabinettschef im Finanzministerium. Das hatte zuerst die "Presse" berichtet.

Niedrist war vorgeworfen worden, den U-Ausschuss falsch informiert zu haben, was die Vorgänge kurz nach Erscheinen des Ibiza-Videos betrifft. Niedrist war damals Kabinettschef von Justizminister Josef Moser und offenbar in Blindkopie in einen E-Mail-Verkehr zwischen dem damaligen Strafrechts-Sektionschef Christian Pilnacek und Johann Fuchs, Leiter der Oberstaatsanwaltschaft (OStA) Wien, eingebunden gewesen.

Erinnerungslücken

Diese E-Mails waren dem U-Ausschuss vom Justizministerium nicht geliefert worden. Erst ein früherer Kabinettskollege von Niedrist übermittelte sie an die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA). Offenbar lag dieser Akt damals der Opposition im U-Ausschuss vor, die in ihren Befragungen sowohl Niedrist als auch Fuchs damit konfrontierte.

Beide gaben an, sich nicht an diese E-Mails erinnern zu können – und beide fingen sich daraufhin ein Verfahren wegen Falschaussage ein. Niedrist wurde von SPÖ-Fraktionsführer Jan Krainer und seiner Neos-Kollegin Stephanie Krisper angezeigt.

Während Fuchs in erster Instanz auch wegen seiner Aussagen zu diesem E-Mail-Verkehr verurteilt wurde (wogegen er beruft), hat Oberlandesgericht (OLG) Wien nun eine Einstellung der Ermittlungen gegen Niedrist verfügt – es ist somit der erstinstanzlichen Entscheidung des Landesgerichts für Strafsachen Wien (LGS) gefolgt.

Fragen "missverständlich und suggestiv gestellt"

Das Gericht hält Niedrists Angaben, er habe sich nicht an diese E-Mails erinnern können, für glaubhaft. Es sei nicht zu erwarten, dass "der notorisch zahlreiche E-Mails erhaltende Kabinettschef eines Ministers bei seiner Befragung zwei Jahre später noch von jeder einzelnen (im Übrigen auch nicht denkwürdigen) E-Mail Kenntnis hat", schreibt das OLG Wien in seiner Entscheidung. Noch dazu seien die Fragen der Abgeordneten "missverständlich und suggestiv gestellt" worden.

Das Straflandesgericht hatte zudem schon zuvor die Ermittlungsarbeit der Staatsanwaltschaft (StA) Wien kritisiert. Diese hatte nach einem Zuständigkeitsstreit mit der WKStA im September 2021 zu ermitteln begonnen, aber weder Zeugen noch den Beschuldigten einvernommen. Relevante E-Mails sollten über das Justizministerium beschafft werden, das aber nicht lieferte. Bei der Staatsanwaltschaft Innsbruck, das die Ermittlungen gegen Fuchs führte, wurde offenbar von den Kollegen in Wien nicht angefragt.

Gericht setzt Einstellung durch

Kein ausreichendes Substrat sah das Gericht auch bei einem anderen Vorwurf, der Verletzung des Amtsgeheimnisses. Niedrist hatte im Februar 2021 rund um die Causa Novomatic und die Hausdurchsuchung gegen den damaligen Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) die Sicherstellungsanordnung der WKStA für das Finanzministerium an den damaligen Legistik-Sektionschef Christian Pilnacek weitergeleitet. Ermittlungen hätten aber gezeigt, dass Pilnacek den Inhalt der Anordnung bereits kannte, vermutlich durch ein Gespräch mit Wolfgang Peschorn, dem Präsidenten der Finanzprokuratur und somit "Anwalt der Republik". Noch dazu sei unklar, ob es sich überhaupt um ein Amtsgeheimnis gehandelt habe – war das Finanzministerium doch betroffen und somit in einer anderen Position als ein unbeteiligtes Ministerium.

Niedrist hatte nach mehr als einem Jahr Ermittlungsdauer die Einstellung des Verfahrens beantragt, was Beschuldigten laut Strafprozessordnung zusteht. Die Staatsanwaltschaft kann dann ein Gericht damit befassen. Das ist in diesem Fall passiert, Niedrist war schon in erster Instanz erfolgreich. Die Staatsanwaltschaft akzeptierte das bezüglich des Verdachts auf Geheimnisverrat, wollte aber rund um den Verdacht auf Falschaussage weiterermitteln. Diese Einstellung verfügte dann das Oberlandesgericht Wien als zweite Instanz. (Fabian Schmid, 21.9.2022)