Das Adventure-Genre wurde unter anderem von der "Monkey Island"-Serie geprägt. Der neue Teil macht manches anders, bleibt im Kern den Wurzeln aber treu.

Foto: Ron Gilbert

Es gibt neue Abenteuer auf "Monkey Island" – und die meisten Landratten sind sich einig, dass die Fortsetzung des Adventure-Klassikers gelungen ist. Aber kann ein Metacritic-Score von 89 lügen? Der Webstandard hat erste Runden auf "Melee Island" gedreht und ist über die Rückkehr auf die Affeninsel nicht ganz einer Meinung. Auf die Planke, ihr Landratten: Zeit für ein Pro & Kontra!

+++ Pro

Von Benjamin Brandtner

Wenn der Name Guybrush Threepwood fällt, verfalle ich unweigerlich in den Nostalgie-Modus: Ein Stapel Disketten, meine erste Soundblaster-Karte und das mitunter stundenlange, aber dennoch motivierte "Hängen" an einem Rätsel ist für mich eng mit "Monkey Island" verbunden und sorgt mit karibischen Klängen im Hinterkopf für schöne Erinnerungen. Immer noch.

Umso skeptischer war ich anfangs, als ich im April von einer Rückkehr auf die Affeninsel erfuhr, zumal sie auch noch im selben Jahr erscheinen sollte. Die Freude war zwar groß, dass bis auf Tim Schafer wieder viele Namen mit an Bord waren, die "Monkey Island" zu einem Instantklassiker unter den Point-’n’-Click-Adventures machten. Der umstrittene Grafikstil trug aber offen gestanden nicht unbedingt dazu bei, die Vorfreude in mir wachsen zu lassen.

Meine Neugier, die am Release-Tag dann doch zu groß war, sollte belohnt werden: Die anfängliche Skepsis, dass die Stimmung von damals nicht mehr eingefangen werden könne, ist von Anfang an geschmolzen wie eine Gefängnistür unter dem Einsatz von – ähm – Grog. Einer der Hauptgründe dafür ist nicht nur das Scrapbook, das den Neustart sehr charmant mit den Ereignissen aus der Vergangenheit verbindet. Es ist vor allem die Musik, die für mich von Anfang an jede Note im Shanty der Sentimentalität auf den Punkt trifft.

Zugegeben, mit dem Grafikstil kann ich noch immer nicht ganz warm werden, aber allen Kritikern sei gesagt: Es ist bei weitem nicht so schlimm wie befürchtet und tritt rasch in den Hintergrund, sobald die Handlung Fahrt aufgenommen hat und der Stein vieler Anspielungen ins Rollen gekommen ist. Sehr positiv überrascht bin ich auch von der intuitiven Steuerung, die mich das einstige Raster an Befehlen keine Sekunde vermissen lässt.

Schon nach wenigen Stunden Spielzeit fühle ich mich, als hätte ich gute Freunde nach Jahren wieder getroffen – im Glauben, ich hätte sie erst gestern zum letzten Mal gesehen. Deshalb stellt sich für mich letztlich nur noch eine Frage: "Wenn ein Baum in einem Wald umfällt und niemand da ist, der es hören kann, wie kann einem dieses Spiel nicht gefallen?"

+++ Kontra

Von Alexander Amon

"Monkey Island" ist Kult. So, jetzt habe ich es gesagt. Trotzdem habe ich, obwohl ich genau das richtige Alter dafür habe, die Adventure-Klassiker nie gespielt. So fehlt mir auch die rosarote Brille, mit der viele Tester aktuell auf "Return to Monkey Island" blicken. Die meisten Texte und Videos beginnen mit den Worten "Es ist schön, nach Hause zu kommen" oder "So viele Anspielungen, die mich in meine Kindheit zurückversetzen". Gut für euch, aber nicht für den neutralen Spieler, der sich, von Topwertungen geblendet, den nächsten großen Wurf im Genre erwartet.

Nach ein paar Stunden im Spiel gebe ich zu, dass der Humor auch mich anspricht. Das Spielkonzept allerdings ist bis auf ein paar Komfort-Features in den 1990er-Jahren hängengeblieben. Das mag zum einen dem Genre geschuldet sein, aber auch hier haben wir in den letzten Jahren ein paar mutigere Interpretationen gesehen, als den neuesten Auftritt von Guybrush. Auch der Grafikstil ist gar nicht mein Geschmack, die fehlende Sprachausgabe kann ich, will ich aber 2022 nicht verzeihen. Die Musik hingegen ist großartig und lässt sogar mich vor dem Bildschirm mitschunkeln.

Gut, Geschmäcker sind verschieden. Vielleicht stört es manche auch nicht, dass ständig alte Referenzen im Spiel auftauchen, bei denen ich mich als Newbie etwas außen vor gelassen fühle. Es ist, als würde man den 14. Film im Marvel Cinematic Universe sehen und nicht genau wissen, ob man allein aufgrund von fehlendem Vorwissen über den gerade gehörten Gag nicht lachen beziehungsweise die Relevanz der soeben gezeigten Figur nicht ausreichend wertschätzen kann.

Wenn sich also alle Fans mal in Ruhe zurücklehnen, dann werden auch sie feststellen, dass von diesem "Monkey Island" in zwei Jahren keiner mehr sprechen wird – außer, dass es eine zu Recht bestehende Legende fortgeführt hat. Die Tragweite der Originale ist mir trotz meiner distanzierten Beobachtungen – Test in der ASM lesen und Lobhudelei im Freundeskreis ertragen – sehr wohl bewusst. Ich respektiere auch Fantum, weil ich es gelegentlich auch zelebriere. Hier setze ich aber aus. (21.9.2022)