"Jetzt nicht hingreifen, Kleines!" Schimpansen nutzen Stein als Hammer und Amboss, um an den Inhalt von hartnäckigen Nüssen zu kommen.
Foto: Liran Samuni, Taï Chimpanzee Project

Dass Schimpansen Werkzeuge benutzen, ist in der Primatenforschung seit über hundert Jahren bekannt. 1964 erschien die erste wissenschaftliche Arbeit zu dem Thema, verfasst von Jane Goodall, die von Schimpansen berichtet, die mit Stöckchen nach Termiten angeln. Trotz zahlloser Studien seither kann unser nächster lebender Verwandter mit seinen Werkzeugkünsten immer noch überraschen: Ein Forschungsteam hat nun in Westafrika beobachtet, dass Schimpansen bei ihren Steinwerkzeugen über eine ausgeprägte materielle Kultur verfügen, die sich von jener anderer Schimpansengruppen unterscheiden.

Zwei Affenhorden im Vergleich

Während Feldforschungsarbeiten im Taï-Wald in der Elfenbeinküste Anfang 2022 beobachtete ein Gruppe von Wissenschaftern und Wissenschafterinnen vom Leipziger Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie (MPI-EVA) die Steinwerkzeugnutzung einer Gruppe freilebender Schimpansen. Die dabei von den Tieren verwendeten Steine zum Nüsseknacken wurden gescannt und mit den 3D-Modellen von Steinwerkzeugen verglichen, die eine andere Schimpansengruppe in Guinea verwendet. Die Gegenüberstellung zeigte erhebliche Unterschiede zwischen beiden Gruppen.

Diese Unterschiede seien auf eine Kombination aus Steinauswahl, Steinverfügbarkeit und verzehrter Nussart zurückzuführen, schreiben die Forscher im Fachjournal "Royal Society Open Science". Frühere Studien haben gezeigt, dass einige Schimpansengruppen durch die Verwendung von Steinwerkzeugen ihre eigenen archäologischen Spuren hinterlassen haben, die wenigstens 4.300 Jahren zurückreichen.

Gescannte Hammersteinen von der Elfenbeinküste.
Foto: Tomos Proffitt

Vorläufer komplexerer Technologien

"Die Fähigkeit, regionale Unterschiede in der Materialkultur von Steinwerkzeugen bei Primaten zu identifizieren, eröffnet eine Reihe von Möglichkeiten für künftige archäologische Studien", sagt Tomos Proffitt vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie, der die Studie leitete.

Den Forschenden zufolge könnte eine einfache Technologie wie das Nüsse knacken mithilfe von Steinwerkzeugen ein Vorläufer für komplexere Technologien in den frühen Phasen unserer eigenen Evolution vor mehr als drei Millionen Jahren gewesen sein.

"Wenn wir verstehen, wie diese einfache Steinwerkzeugtechnologie aussieht und wie sie zwischen den Gruppen variiert, können wir anfangen zu verstehen, wie wir diese Signatur auch in den frühesten archäologischen Aufzeichnungen von Homininen besser identifizieren können", sagte Proffitt. (red, 21.9.2022)