Teilzeit, schlechter bezahlte Jobs: In der Pension wird es für viele Frauen finanziell eng.

Foto: imago images/photothek

Im aktuellen "Global Gender Gap Report" des Weltwirtschaftsforums (WEF) verbesserte sich Österreich bei der Gleichstellung um 0,004 Punkte und landet somit – wie im Vorjahr – auf Platz 21. Diese kaum wahrnehmbare Fortschritt ist aber gleichzeitig durch die Corona-Pandemie bedroht, die in der Frage der Geschlechtergerechtigkeit Stagnation oder sogar Rückschritte mit sich brachte, wie zahlreiche Studien zeigen.

In Österreich wird diese Stagnation vor allem durch die konstant hohe Zahl an Femiziden deutlich, aber auch an einer nach wie vor deutlich hohen Armutsgefährdung von Frauen und einem hohen Gender-Pension-Gap von 41 Prozent. Die Grünen-Frauenchefin und Nationalratsabgeordnete Meri Disoski will kein Pensionssplitting als "singuläre Maßnahme" und spricht darüber, was mit der ÖVP frauenpolitisch möglich ist.

STANDARD: Das verpflichtende Pensionssplitting war für Susanne Raab bei ihrem Antritt als Frauenministerin ein wichtiges Thema. Kürzlich hieß es von ÖVP-Seite, der Gesetzesentwurf sei fertig – doch es würde an den Grünen scheitern. Ist das so?

Disoski: Wenn wir Altersarmut von Frauen bekämpfen wollen, dann müssen wir dort ansetzen, wo diese Armut beginnt. Und das ist dann, sobald Frauen weniger bezahlt bekommen für gleichwertige Arbeit, wenn Frauen zwei Drittel der unbezahlten Arbeit leisten, während Männer zwei Drittel der bezahlten Arbeit machen. All das bedingt fast noch immer 50 Prozent weniger Pension für Frauen. Wenn wir diesen Gap bekämpfen wollen, dann müssen wir mehrere Maßnahmen setzen. Nur das Pensionssplitting reicht nicht, es braucht ein Maßnahmenbündel. Es braucht auch eine stärkere Lohntransparenz und ein modernes Elternteilzeitmodell. Dass wir beim Pensionssystem allein ansetzen sollten, ist nicht nachvollziehbar. Außerdem bleiben dann auch Fragen offen wie: Was mache ich, wenn ich keinen Partner habe, mit dem ich die Pension splitten kann?

STANDARD: Dennoch wird es von vielen als gute Maßnahmen gesehen für die Frauen, die jetzt schon in der Situation sind, dass sie mehr Care-Arbeit leisten. Sie könnte man vor Altersarmut schützen.

Disoksi: Einer der Hauptkritikpunkte von Expertinnen dazu ist, dass es dann vom Partner oder der Partnerin abhängt, was am Ende eines Arbeitslebens rauskommt. Wenn ich Glück habe, unter Anführungszeichen, mit jemandem zusammen zu sein, der einen guten Job hat und gut verdient, dann fällt der Betrag für mich höher aus.

STANDARD: Also die Grünen stimmen dem Pensionssplitting nicht zu, solange nicht andere gleichstellungspolitische Maßnahmen getroffen werden?

Disoski: Wir haben uns in der Koalition darauf geeinigt, dass wir viele Maßnahmen setzen wollen, um Altersarmut von Frauen gezielt entgegenzutreten. Die ÖVP hätte sehr gerne eine singuläre Maßnahme – wir drängen auf eine umfassendere Perspektive. Umgesetzt haben wir dahingehend schon die Anhebung der Mindestpensionen und den Frühstarter:innen-Bonus. Die Hacklerregelung kam vorwiegend Männern zugute, und die Überführung in den Frühstarter:innen-Bonus war aus frauenpolitischer Perspektive wichtig.

STANDARD: Die finanzielle Aufstockung beim Gewaltschutz hat bisher noch keine Wirkung gezeigt. In Österreich wurden 2021 29 Frauen getötet, heuer sind es bisher mutmaßlich 26 Femizide. Es gab heuer auch auffällig viele Tötungen im Rahmen eines erweiterten Suizids eines pflegenden Angehörigen. Das ist eine Häufung, über die man nichts zu wissen scheint.

Disoski: Diese Häufung ist auffällig, Expert:innen haben dafür noch keine Erklärung. Der Anstieg an Frauenmorden in Österreich ist aber nicht in den letzten Jahren passiert. 2015 hat es laut Statistik 17 Frauenmorde gegeben, 2016 einen sprunghaften Anstieg auf 28, im Jahr 2018 sind 41 Frauen getötet worden. Trotzdem gab es zehn Jahre lang für den Gewaltschutz und für den Opferschutz nicht mehr Budget. Seit 2020 ist die Zahl der Femizide zwar leicht rückläufig, aber viel zu langsam! Das eine sind die finanziellen Mitteln, das andere – noch viel wichtiger – ist eine Gleichstellungspolitik, die alle Lebensbereiche umfasst. Das ist die einzig nachhaltige Gewaltprävention. Frauen arbeiten in schlechter bezahlten Jobs, und wir lesen in Zeitungen nach wie vor gewaltverharmlosende Artikel. Frauenmorde sind die drastischste Ausformung von Gewalt gegen Frauen. Diese Gewalt passiert nicht im luftleeren Raum, sie passiert in einem gesellschaftlichen Klima, das wir verändern müssen. Deshalb braucht es Gleichstellungspolitik, die alle Lebensbereiche umfasst.

Disoski: "Gleichstellungspolitik ist die einzig nachhaltige Gewaltprävention."
Foto: APA/VERENA MOSER

STANDARD: Sie gingen kürzlich in einem Interview mit der SPÖ hart ins Gesicht. Seit Johanna Dohnal sei frauenpolitisch nichts mehr passiert, die SPÖ sei eine "Macho"-Partei. Was ist mit Ihrem Koalitionspartner, der auch absolut nicht frei ist von Sexismusskandalen?

Disoski: Ich benenne und verurteile Sexismus immer – unabhängig von der Parteifarbe. Es ist genau zwei Jahre her, dass Tirols ÖVP-Vizelandeshauptmann Josef Geisler eine WWF-Expertin als "widerwärtiges Luder" beschimpft hat. Ich habe dazu klare Worte gefunden. Ebenso als Andreas Khol (ÖVP) als ehemaliger Nationalratspräsident und ehemaliger Bundespräsidentschaftskandidat über SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner gesagt hat, der "müsste man mal eine auflegen". Oder als Ex-Kanzler Sebastian Kurz einer Journalistin sinngemäß unterstellte, kein Hirn zu haben.

Zur SPÖ: Wir verdanken der legendären SPÖ-Frauenministerin Johanna Dohnal zentrale Errungenschaften in der österreichischen Frauen- und Gleichstellungspolitik, z. B. das Gewaltschutzgesetz oder das Gleichbehandlungsgesetz. Andere Ungerechtigkeiten, die uns heute noch beschäftigen, wie der Gender-Pay-Gap, der mangelhafte Ausbau der Kinderbetreuungsplätze, die hohe Teilzeitquote von Frauen, sind von sozialdemokratisch geführten Bundesregierungen nicht gelöst worden. Es ist gut, wenn die SPÖ jetzt Forderungen an eine starke Frauenpolitik stellt. Noch besser wäre gewesen, wenn sie selbst als Kanzlerpartei eine starke Frauenpolitik gemacht hätte. Stattdessen wird die erste Frau an der Spitze der SPÖ regelmäßig von männlichen SPÖ-Länderchefs öffentlich infrage gestellt. Denken Sie an Hans-Peter Doskozil oder Georg Dornauer. Letzter hat 2018 im Landtag gesagt, er wolle sich die grüne Landesrätin Gabriele Fischer "nicht in der Horizontalen vorstellen". Die SPÖ-Bundes-Frauenorganisation forderte damals seinen Rückritt. Jetzt war er Spitzenkandidat in Tirol.

STANDARD: Finnland verpflichtet jetzt stärker beide Eltern, in Karenz zu gehen. Ein Karenzmodell wie das in Österreich fordert nachweislich traditionelle Geschlechterrollen. Ist eine stärkere Verpflichtung zur Väterkarenz mit der ÖVP möglich?

Disoski: Wir müssen stärker bei den Karenzmodellen und der Teilzeit ansetzen. Unsere Vorschläge dazu liegen beim Koalitionspartner. Zur Frage, was möglich ist: Wenn ich Ihnen vor einem halben Jahr gesagt hätte, wir werden mit 1. Januar 2023 die unterschiedlichen Sozialleistungen an den Index anpassen, hätte man wahrscheinlich gesagt, dass das mit der ÖVP nicht gehen wird – und siehe da, es passiert. Wenn ich nicht davon überzeugt wäre, dass ich frauenpolitisch etwas bewirken kann, dann müsste ich auf der Stelle mein Mandat zurücklegen. Trotz der sehr unterschiedlichen Zugänge, die die Grünen und die ÖVP haben, sind wichtige Dinge geschafft worden. Erst letzte Woche haben wir Verbesserungen beim Papamonat präsentiert.

STANDARD: Seit einem Jahr gibt es die verpflichtende Männerberatung für jene, die von zu Hause weggewiesen wurde. Was wissen wir schon über den Erfolg dieser Maßnahme?

Disoski: Wir haben damals noch eine Evaluierung und eine Aufstockung der Beratungsstunden und die Kostenübernahme durch den Bund reinreklamiert. Die Evaluierung liegt inzwischen vor, und die befragten Expert*innen bestätigen, dass die eingeführten Maßnahmen den Gewaltschutz und die Gewaltprävention weiter stärken. In Vorarlberg gab es zum Beispiel 480 Wegweisungen, 80 bis 85 Prozent der Männer sind von selbst auf die Beratungsstellen zugekommen. Etwa 40 Prozent wiederum haben aktiv um weitere Begleitung angefragt haben und die auch in Anspruch genommen. Und die Erfahrungswerte Vorarlbergs entsprechen auch den Rückmeldungen der Kolleginnen und Kollegen aus anderen Bundesländern. (Beate Hausbichler, 26.9.2022)