Die Arc A780 soll in direkte Konkurrenz mit Nvidias RTX 3.060 und AMDs Radeon 6.600 treten.

Foto: Intel

Seit Jahrzehnten ist der Markt für Desktop-Grafikkarten zwischen zwei Herstellern aufgeteilt: Nvidia und AMD. Nvidia-GPUs galten lange Jahre als die Spitzenklasse, was die Performance und die Implementierung neuer Technologie wie Raytracing betrifft. Preislich galten die Produkte von Team Grün zuletzt aber vermehrt als überteuert. Preisbewusstere Gamerinnen und Gamer griffen daher gerne zu AMD, das performancemäßig zuletzt sehr nah an der Konkurrenz lag, aber dank aggressiverer Preispolitik etwas günstiger zu haben war. So wollte es das ungeschriebene Gesetz der Branche. Bis jetzt: Denn noch im September will Intel antreten und beweisen, dass die Vormachtstellung von Nvidia und AMD nicht gottgegeben ist.

Eine lange, harte Entwicklung

Die Entwicklung der Arc Alchemist-Serie oder "Intel Xe HPG" verlief nicht frei von Pannen. Angekündigt wurde der Launch der Grafikkarten von Intel bereits im März 2022. Nach einigen Verschiebungen sollte es schließlich im Juni so weit sein, es dauerte aber tatsächlich bis zum 16. August, bis die kleinste der Desktop-GPUs, die für Gamer wenig interessante Arc Alchemist 380, in den USA verfügbar war. Davor ging Intel still und heimlich in China auf den Markt und bot die Low-End-Karte für 140 Dollar an. Hierzulande ist die A380 aktuell nur über den Import-Umweg erhältlich.

Fairerweise muss aber dazugesagt werden, dass es aus Sicht von Intel durchaus Sinn ergibt, mit einer Low-End-Karte einen für Gaming-Hardware noch relativ unerschlossenen Markt zu bedienen. Der gängigen Theorie nach dürfte die A380 als "Bananenprodukt" gelauncht worden sein, um im laufenden Betrieb die Treiber zu verbessern – die chinesischen Nutzerinnen und Nutzer wurden so zu Betatestern. Das ist nicht weiter verwunderlich, starten die Entwickler doch im Gegensatz zu Nvidia und AMD bei null; Bugs, Kinderkrankheiten und nicht optimierte Treiber sind zu erwarten.

Gerüchte und schlechte Presse

Nach all den Verzögerungen wurde Anfang September sogar über eine Einstellung der Grafikkartensparte seitens der Intel-Bosse spekuliert – bis Intel-CEO Pat Gelsinger und der zuständige Vice President Raja Koduri öffentlich widersprachen. Dazu verrissen erste westliche Tester die Treibersoftware und die Firmware der A380. Kurz: Gute PR im Vorfeld eines von Entwicklungsproblemen geplagten Launches war für Intel bislang eher die Ausnahme.

Nach einigen Verschiebungen, Pannen und schlechter Presse soll das Warten auf Intels Arc-Grafikkarten der ersten Generation jetzt aber ein Ende haben, wie Gelsinger per Twitter mitteilte. Demnach soll der erste Schwung des Spitzenmodells Arc A770 bereit für den Retail-Markt sein und dürfte noch im September an die Händler ausgeliefert werden – zumindest in den USA.

Doch was bringen Intels A380, A580, A750 und A770 abseits von Gerüchten und Spekulationen technisch auf die Waage? Die wichtigste Frage lautet wohl: Kann Intel die Vormachtstellung von Nvidia und AMD endlich brechen und als dritter Teilnehmer den GPU-Markt neu ordnen? Die kurze Antwort auf letztere Frage: mit der aktuellen Generation noch nicht – mit großer Betonung auf "noch".

Kurz zu den technischen Spezifikationen:

Foto: Intel

Intel spricht statt traditioneller Angaben über die Grafikkerne von "Xe-Cores" – wobei ein "Xe-Core" 128 "herkömmlichen" Shadereinheiten anderer Hersteller entspricht. Somit verfügt das Spitzenmodell A770 über 4.096 Kerne, die A750 über 3.584, die A580 über 3.072 und die A380 über 1.024. Auch die finalen Preise sind noch nicht bekannt, wobei laut einem Bericht von wccftech.com die US-Preise für das Spitzenmodell A770 bei rund 400 Dollar liegen dürften, für die A750 bei 350 Dollar, und die A580 soll wohl 249 Dollar kosten.

Konkurrenz im Einsteigerbereich

Doch wie steht es um die Leistung der Karten? Einem angeblichen Leak zufolge dürfte Intel mit dem Spitzenmodell A770 die im unteren Mittelfeld angesiedelten Karten der Konkurrenz ins Visier nehmen, namentlich die RTX 3.060 Ti von Nvidia sowie die Radeon 6650 XT von AMD. Die A750 soll demnach in direkte Konkurrenz mit der RTX 3060 und der AMD Radeon 6600 treten, während die A580 leistungsmäßig mit der RTX 3050 gleichziehen und ein wenig über der Radeon 6.500 XT liegen soll. Konkurrent der A380 ist die GTX 1650 von Nvidia aus dem Frühjahr 2019. In den von Intel veröffentlichten Benchmarks konnte die Intel Arc 750 in 1080p sowie 1440p in der Vulkan-API gleichziehen. In dem immer wichtiger werdenden Punkt der Leistungsaufnahme geben sich die Intel-Chips zwischen 75 und 225 Watt recht bescheiden.

Sollten die Preise stimmen – so wie bei der A380 –, dann wird Intel mit seiner Alchemy-Reihe die Konkurrenz um geschätzte zehn bis 20 Prozent unterbieten und den Kampf um das günstigere Preispickerl für sich entscheiden. Laut Intel ist das erklärte Ziel, im ersten Schwung die Konkurrenz mit Preis-Leistungs-Verhältnis zu schlagen, wie Intels Chef für technisches Marketing gegenüber Linus Tech Tips erklärt. Den Vorstoß ließ sich Intel laut einem Bericht von GPUMag.com bislang über 3,5 Milliarden US-Dollar kosten.

In einem Punkt hat Intel schon jetzt technisch die Nase vorn: Die neue Arc-Serie verfügt als erste GPU über AV1-Encoding. Diese Open-Source-Plattform wurde wurde 2015 von der Alliance for Open Media gegründet. AV1 ermöglicht deutlich bessere Kompressionsleistungen bei gleichzeitig um bis zu 50 Prozent geringeren Dateigrößen gegenüber dem üblichen H.264.

Linus Tech Tips

Fazit: Ein Vorstoß mit vielen Konjunktiven

Intel wird auf jeden Fall einen sehr langen Atem brauchen, bevor das Geschäft mit den Grafikchips lukrativ wird. Den High-End- und den für Gamer interessanteren Mid-Level-Bereich decken Nvidia und AMD ab. Die zwei Branchenriesen haben darüber hinaus jahrzehntelangen Vorsprung, was die Treiberentwicklung betrifft – und das, obwohl Nvidias Treiber immer noch aussieht, als wäre er für Windows XP entwickelt worden, und AMD im Ruf steht, gerne beim Release neuer Software zu patzen.

Die Strategie von Intel, in der ersten Phase im Einsteigersegment mit günstigerem Preis pro Frame zu punkten, ist angesichts der Stärken der Konkurrenz naheliegend. Die meisten Gamerinnen und Gamer spielen tatsächlich auf Hardware aus dem günstigen Segment, und Spitzengeräte wie die kommende RTX 4090 von Nvidia werden angesichts des Preises ab 1.949 Euro nicht in den Massenmarkt eindringen.

Intel Graphics

Hier liegt vielleicht auch ein Fehler der Konkurrenz, den Intel ausnutzen kann: Angesichts der weltweit steigenden Inflation wirken Nvidias Preisrallye nach oben und der enorme Energiehunger der neuen GPUs wie aus der Zeit gefallen. Wenn sich Intel hier geschickt positioniert – und danach sieht es aus –, sollte es Team Blau zumindest gelingen, einen Fuß in die Tür zu stellen.

Dass Intel dazu entschlossen ist, daran besteht kein Zweifel: In den vergangenen fünf Jahren warb der Chiphersteller Experten von Nvidia und AMD ab und kaufte sich damit massiv Know-how in den Konzern ein. Die erste Generation Xe HPG alias Alchemist wird die grüne und rote Vormacht nicht brechen, könnte aber im Low-End-Bereich durchaus eine Delle machen. Noch spielt Intel nicht mit den Großen, das könnte sich aber mit den Nachfolgern namens "Battlemage", "Celestial" und "Druid" ändern.

Aktuell heißt die größere Gefahr für Intel wohl AMD. Denn die "Roten" werden am 3. November ihre RDNA-3-Generation vorstellen – und AMD war in der Preispolitik in der Vergangenheit schon deutlich aggressiver als Nvidia und hat Intel auch am CPU-Markt mit Ryzen eine Zeitlang vor sich hergetrieben. Gut möglich, dass AMD schon 2022 dem neuen Konkurrenten das Leben so schwer wie möglich machen will.

Was Intel tatsächlich dringend braucht, ist ein professionelleres Auftreten am GPU-Markt. Die Release-Verschiebungen, Unsicherheiten und Gerüchte über eine Einstellung der gesamten Arc-Serie haben der Marke geschadet, bevor sie hierzulande überhaupt am Markt war. Pannen darf sich Intel bei der angeblich bevorstehenden Auslieferung der A770 keine mehr erlauben. Für Gamerinnen und Gamer, die auf ihre Geldbörse schauen müssen, könnte Intel eine Alternative sein – und derer dürfte es angesichts der Weltlage immer mehr geben. (Peter Zellinger, 23.9.2022)