Die Teleskope, die gemeinsam Alma bilden. Oben im Bild ist das Zentrum der Milchstraße sichtbar, wo sich Sagittarius A* befindet.
Foto: ESO/José Francisco Salgado (josefrancisco.org), EHT Collaboration

Das neu entdeckte Objekt gleicht auffällig einer nicht ganz präzise arbeitenden Uhr. Es bewegt sich wie ein Minutenzeiger annähernd kreisförmig im Uhrzeigersinn um eine zentrale Achse, wobei es für eine Umdrehung statt der obligatorischen 60 etwa 70 Minuten braucht. Der wesentliche Unterschied liegt in den Dimensionen: Die "Uhr", von der hier die Rede ist, hat in etwa den Durchmesser der Merkurbahn. Gefunden wurde das seltsame Phänomen im Zentrum unserer Galaxie, bei dem überdimensionalen Schwarzen Loch Sagittarius A*.

Schwarze Löcher geben, wie ihr Name schon suggeriert, selbst kein Licht ab. Durch die enormen Gravitationskräfte in ihrer Nähe erscheinen sie Beobachtern aber trotzdem als äußerst dynamische Objekte, die für eine ganze Reihe hochenergetischer Effekte verantwortlich zeichnen. Ein Beispiel sind extrem energiereiche "Jets" aus Teilchen, die ausgestoßen werden, wenn ein Schwarzes Loch Material aus einer umgebenden Aggregationsscheibe verschlingt, oder auch heftige Blitze aus Gammastrahlen.

Dieses Jahr wurde das Gas um das Scharze Loch im Zentrum der Milchstraße erstmals von Teleskopen abgebildet, mit dem Ereignishorizont als schwarzem Schatten in der Mitte. Etwas weiter draußen kreist eine Gaswolke mit atemberaubender Geschwindigkeit um das Zentrum.
Foto: EHT Collaboration, ESO/M. Kornmesser (Acknowledgment: M. Wielgus)

Lange Zeit waren diese Effekte ein Mysterium, wie etwa der Begriff des "Quasars" belegt, der "quasi-stellar radio source" bedeutet und auf ein Objekt hinweist, das Radiowellen aussendet, aber keine Radiogalaxie ist, sondern "stellar", also punktförmig. Inzwischen weiß man, dass hinter diesen Objekten supermassive Schwarze Löcher stehen, wie sie im Inneren von Galaxien vorkommen. Das sie umgebende Gas sendet die Teilchenströme und die Radiostrahlung aus.

Beobachtungen mit "Alma"

Wie extrem die Bedingungen um solche Schwarzen Löcher sind, zeigen neue Beobachtungen, die mit dem Alma-Teleskop in der Atacama-Wüste Chiles gemacht wurden. Sie liefern neue Hinweise auf ein heißes Objekt, das sich mit etwa einem Drittel der Lichtgeschwindigkeit um das Schwarze Loch bewegt.

"Wir glauben, dass wir eine heiße Gasblase sehen, die auf einer Umlaufbahn ähnlich groß wie die des Planeten Merkur um Sagittarius A* herumfliegt, aber nur etwa 70 Minuten für eine Umrundung braucht", fasst Maciek Wielgus vom Max-Planck-Institut für Radioastronomie in Bonn, der Erstautor der nun erschienenen Studie, die Ergebnisse zusammen.

Bei der Beobachtung des Gases half den Forschenden ein Zufall: Kurz vor einigen geplanten Aufnahmen mit Alma registrierte das Weltraumteleskop Chandra der US-Weltraumagentur Nasa einen "Flare" aus Röntgenstrahlung rund um Sagittarius A*. Solche Phänomene werden auf heißes Gas zurückgeführt und waren bisher nur im Röntgen- und Infrarotbereich nachweisbar. Nun feiert das Team um Wieglus, der derzeit am Nicolaus Copernicus Astronomical Centre, Polen, und in der Black Hole Initiative der Harvard University tätig ist, die ersten Beobachtungen des Effekts im Radiobereich.

Das erlaubt ein genaueres Verständnis des Phänomens, sagt Mitautorin Monika Mościbrodzka von der Radboud-Universität, die darauf hinweist, dass bereits vermutet wurde, es könnte sich bei den Flares um einen von Magnetismus verursachten Effekt handelte, allerdings ohne Beleg: "Jetzt finden wir starke Hinweise auf einen magnetischen Ursprung dieser Flares."

Die Beobachtungen zeigen auch, dass es sich bei dem Objekt, das bereits mit dem Very Large Telescope (VLT) im Infraroten beobachtet wurde, tatsächlich um eine Gaswolke handeln dürfte.

Teleskop in der Atacama-Wüste

Alma ist ein Radioteleskop, an dem, wie am VLT, die Europäische Südsternwarte Eso beteiligt ist, bei dem auch Österreich Mitglied ist. Die Beobachtungen wurden im Zuge der Event-Horizon-Telescope-Kollaboration zur Abbildung Schwarzer Löcher gemacht, die im Frühjahr dieses Jahres die erste Abbildung des Schwarzen Lochs Sagittarius A* präsentierte. Bereits 2019 hatte die Kollaboration mit der allerersten Abbildung des Ereignishorizonts eines Schwarzen Lochs für eine wissenschaftliche Sensation gesorgt.

Der Prozess, der in diesem Frühjahr zur ersten Abbildung von Sagittarius A* führte, macht die Dynamik der Umgebung des Schwarzen Lochs deutlich.
European Southern Observatory (ESO)

Einstein selbst zweifelte an der Existenz Schwarzer Löcher – einer Möglichkeit, auf die sein Physikerkollege Schwarzschild bereits in einer sehr frühen Veröffentlichung aus dem Jahr 1916 aufmerksam gemacht hatte. In einer Arbeit aus dem Jahr 1939 glaubte Einstein gezeigt zu haben, "warum Schwarzschild-Singularitäten in Wirklichkeit nicht existieren". Wie so oft unterschätzte das Genie auch hier, wie weitreichend seine Entdeckungen sind. (Reinhard Kleindl, 23. 9.2022)