Im ersten Beitrag zu einer Reihe über künstliche Intelligenz (KI) und dem Recht rund um geistiges Eigentum zeigen Max Mosing und Daniel Jokesch im Gastblog das große Spektrum an rechtlichen Fragen zum "KIismus".

Umweltschutz, Friede, Freiheit, Gerechtigkeit und Zufriedenheit sind einzeln und umso mehr in Summe die größten Herausforderungen unserer Gesellschaft. Man muss nicht Futurologist oder Futurologistin sein, um vorherzusehen, dass es nicht die Silberrücken der Generation Boomer oder die "Grower" unserer Generation X sein werden, welche den Alphas die auf deren Schultern gehievten Themen lösen werden. Insbesondere das überlebensentscheidende Problem der Unbewohnbarmachung unseres Planeten ist schlicht zu komplex für die menschliche Auffassungsgabe. Daher wird die ersehnte Lösung von Geistern kommen, welche unsere Generation rief, nämlich Problemlöser der künstlichen Intelligenz, kurz: KI.

Mag der Begriff der KI auch schwierig zu definieren sein, weil es an einer genauen Definition von "Intelligenz" mangelt, "wissen" wir doch alle, was damit gemeint ist. Das EU-Parlament versteht darunter etwa "die Fähigkeit einer Maschine, menschliche Fähigkeiten wie logisches Denken, Lernen, Planen und Kreativität zu imitieren". (Naiv-)Visionäres Ziel der KI-Entwicklung ist aber, dass KI schlussendlich ohne vordefinierte Umgebung eigenständig Probleme erkennen, bearbeiten und lösen kann. Dann wäre "Starke KI" entstanden.

KI und IP?

Was bedeutet es für das Recht des geistigen Eigentums, wenn die Starke KI Realität wird und etwas erschafft, dem bei menschlicher Leistung Intellectural Property (IP) Rechte zuerkannt werden? Wird Starke KI dann vom bloßen Werkzeug der programmierenden beziehungsweise der bedienenden Person irgendwann zum Schöpfer eigener IP-Rechte? Diese Frage gilt es hinsichtlich der unterschiedlichen gesetzlichen Grundlagen (zur Abgrenzung der einzelnen IP-Rechte siehe vergangenen Blogeintrag) darzustellen. Dass dies mehr als eine bloße bloggistische Spielerei, sondern schon handfestes Industrieinteresse ist, zeigen anhängige Verfahren in den USA zur Frage, ob KI Urheber- beziehungsweise Patentrechte kreieren kann. Die US-Behörden verneinen dies – zu Recht:

Derzeit befindet sich die KI-Entwicklung entwicklungstechnisch oder gar evolutionsmäßig eher beim wohltrainierten Affen als beim selbstständig höhlenwandbemalenden Urmenschen. Und auch die Urmenschen haben nicht sofort die Mona Lisa gemalt oder Multimedia-Installationen in ihren Höhlen aufgebaut. Aber warum nicht? Die Antwort prangt in goldenen Lettern an der Wiener Secession: "Der Zeit ihre Kunst"! Ist der Zeitpunkt gekommen, dass KI einen Status wie Künstlerinnen und Künstler erlangt, im Juristendeutsch: zu einer "Urheberin", wird – oder werden darf? Wir schreiben laut: Nein! Das ist nach geltender Rechtslage so und soll gesellschafts- und rechtspolitisch auch so bleiben; die Erklärung zu diesem "KIismus" folgt Teil für Teil in diesem Blog.

KI kann niemals geistig schöpfen!

Der Schutz nach dem Urheberrecht setzt ein sogenanntes Werk voraus. Das Erfordernis der "Werkhöhe", also die Hürde zur Erreichung urheberrechtlich geschützter "(…) eigentümliche(r) geistige(r) Schöpfungen auf den Gebieten der Literatur, der Tonkunst, der bildenden Künste und der Filmkunst", wurde seit einigen Jahrzehnten vom Gesetzgeber und von Gerichten immer weiter gesenkt. Der Kunstbegriff ist nämlich neutral und offen zu interpretieren.

Die faszinierende Qualität der Texte, die zum Beispiel der Generative Pre-Trained Transformer 3 (GPT-3) von OpenAI auf Basis weniger Bedienervorgaben produziert, würde oben genannte Latte leicht überspringen. GPT-3 soll sogar zu wissenschaftlichen Fachpublikationen sowie zur Willensbildung zwecks einer Gestattung der Veröffentlichung von selbiger in der Lage sein. Ist das bereits Starke KI? Wohl nicht, weil GPT-3 nur "scheinbar kreativ" ist: Es werden bestehende Texte analysiert ("deep learning") und auf Basis derer und der konkreten Vorgaben des GPT-3-Bedieners oder der GPT-3-Bedienerin vollautomatisiert Textfragmente "neu zusammengesetzt" und dem GPT-3-Bediener zur Übernahme vorgeschlagen. Die "künstlerische Problemfragestellung" kommt daher nicht von der KI, sondern ausschließlich von der GPT-3-Bedienerin.

Aber selbst wenn sich eines Tages eine Starke KI selbst "künstlerischen Problemfragen" stellt und sie auch löst, fehlt der KI definitionsgemäß der "menschliche Geist", um "geistig zu schöpfen". Dem urhebergesetzlichen Schutz von Werken liegt nämlich der zentrale Gedanke zugrunde, dass es sich um eine Schöpfung einer natürlichen Person handeln muss. So formulieren die Gerichte: Die urheberrechtsrelevante Schöpfung ist ein höchstpersönlicher, vertretungsfeindlicher Realakt, bei dem die "Eigentümlichkeit" der Persönlichkeit des Schöpfers entspringt. Diese – für Nicht-Juristen nach "rechtswissenschaftlichem Bullshit-Bingo" klingende – Formel begründet, warum rein technisch Bedingtem oder Zufallsschöpfungen oder Werken von Tieren der Urheberrechtsschutz verweigert wird. Nun steht diese Formel dem Urheberrecht von durch Starke KI Geschaffenem entgegen:

"Das ist keine urheberrechtlich geschützte Schöpfung."
Zeichnung: Daniel Jokesch

Schutz nach dem Urheberrecht

Der Urheberrechtsschutz verlangt im Ergebnis eine menschliche Prägung des Werks. Umgekehrt gewährt das Urheberrechtsgesetz höchstpersönliche Rechte, die grundsätzlich an die Lebenszeit der schöpfenden Person geknüpft sind. Diese Urheberpersönlichkeitsrechte sind also unabhängig von den wirtschaftlich relevanten und die Lebensdauer des Urhebers oder der Urheberin für 70 Jahre überdauernden Verwertungsrechten. Auch diese Dimensionen zeigen, dass Starke KI niemals Urheberin sein darf.

So sah es im US-Recht bereits das Review Board of the United States Copyright Office und entschied am 14. Februar 2022 zum von einer KI geschaffenen "zwei-dimensionalen Kunstwerk", dass "menschliche Urheberschaft eine Voraussetzung für den Urheberrechtsschutz ist" (mit einer Darstellung des "zwei-dimensionalen Kunstwerks"): Stephen Thaler, der Gründer einer in Missouri ansässigen KI-Firma, hatte versucht, das Bild "A Recent Entrance to Paradise" urheberrechtlich schützen zu lassen, das ein Algorithmus (angeblich) autonom und ohne menschliche Hilfe erstellt hatte. Was den Fall so spannend und relevant macht, ist, dass Thaler zwar das Programm als "Author" des Kunstwerks angab, aber das Copyright nicht für die KI, sondern für sich als Eigentümer der Maschine beantragte. Das lehnte nun auch das Review Board ab: "Thaler muss entweder nachweisen, dass das Werk das Produkt menschlicher Urheberschaft ist, oder das Amt davon überzeugen, von einer jahrhundertealten [Rechtstheorie] des Urheberrechts abzuweichen. Beides hat er nicht getan." Umso mehr hat das Board Thalers "Hilfsargument", dass die KI Urheberin nach dem Urheberrecht sei und dies für ihn als Auftragswerk ("work for hire") geschaffen habe, abgeschmettert. Ein Auftragswerk muss nämlich nach US-Recht entweder (A) von einem "Angestellten" oder (B) von einer oder mehreren "Parteien" erstellt werden, die "ausdrücklich in einer schriftlichen Urkunde" vereinbaren, dass das Werk für andere geschaffen wird. In beiden Fällen ist das Werk das Ergebnis eines Vertrags. Eine KI kann aber nach Ansicht des Review Boards keine Verträge abschließen und erfüllt daher diese Anforderung nicht.

Aber was ist mit (Starker) KI als bloßes Werkzeug des Menschen, der damit Werke schöpft? Hierfür bedarf es der Abgrenzung, ab welchem Zeitpunkt eine KI Werke generiert, bei der sich die Eigentümlichkeit nicht mehr auf den Beitrag des das Werkzeug einsetzenden Menschen rückführen lässt. Und bloße "Ideen" des Menschen, welche dann selbstständig durch die KI umgesetzt werden, sind für sich keinem urheberrechtlichen Schutz zugänglich.

Mit anderen Worten: Wenn der menschliche Beitrag im Werk der KI völlig in den Hintergrund tritt oder keine geistige Verbindung des Werks zum Menschen mehr besteht, gibt es nach derzeitiger Rechtslage keinen Urheberrechtsschutz für die von der KI generierte "Leistung".

Urhebergesetzliche Leistungsschutzrechte

Das Stichwort "Leistung" erinnert an "Leistungsschutzrechte" beziehungsweise die "Verwandten Schutzrechte im Urheberrechtsgesetz", also insbesondere den Schutz von (nicht künstlerischen) Lichtbildern und (nicht kreativen) Datenbanken:

Durch ein fotografisches oder ähnliches Verfahren hergestellte Abbildungen sind nach dem Gesetz für den "Hersteller" für 50 Jahre ähnlich einem "echten Werk" geschützt. Es wird also die bloße Leistung der Herstellung – unabhängig von der geistigen Eigentümlichkeit – geschützt. Dennoch verlangt die Rechtsprechung für den Schutz eine menschliche Beteiligung an der Herstellung, also dass der Mensch zumindest die Maschine lenkt und dirigiert und somit gestalterisch tätig ist. Somit ist auch ein gesetzlicher Schutz von Lichtbildern, die durch Starke KI hergestellt werden, ausgeschlossen.

Für Datenbanken normiert das Gesetz ebenfalls ein Leistungsschutzrecht, wonach der in die Datenbankerstellung (Beschaffung, Überprüfung oder Darstellung ihres Inhalts) investierende Hersteller gesetzlichen Schutz gegen die gestattungslose Übernahme des Datenbankinhalts genießt. Dieses Datenbankschutzrecht könnte keinen "menschlichen Schaffensakt", sondern alleine eine wesentliche Investitionsleistung verlangen. Das entspricht auch der praktischen Handhabe und zeigt, dass es sich beim Datenbankschutz um einen "Fremdkörper" im Urheberrecht handelt: Die Investitionsleistung für Datenbanken wird meist von Kapitalgesellschaften oder Körperschaften, also gar keinen natürlichen Personen, geleistet, und die setzten dann auch die Datenbankschutzrechte gegen Verletzer durch. Es ist daher durchaus möglich, dass Starke KI Datenbanken erstellen kann und der Schutz dann dem Investor oder der Investorin der KI beziehungsweise deren Entwicklung der Datenbank zukommt. Klarstellend: Niemals kommt der KI selbst der Schutz nach dem Urheberrechtsgesetz zu.

Es stellt sich hier die praktische und umso mehr rechtspolitische Frage, ob wir als Gesellschaft wirklich wollen, dass KI solche Ausschließungsrechte durch Leistungsschutz schaffen kann – dazu mehr im nächsten Teil zum KIismus.

Urheberrechtsverletzung durch KI

Auch wenn KI wohl kein Urheberrecht schaffen kann, so können mit KI sehr wohl Rechte nach dem Gesetz verletzt werden. Für eine Verletzung ist nämlich kein persönlicher, also menschlicher, Beitrag des Verletzers erforderlich. Vielmehr reicht das Vorliegen einer nicht gestatteten Verwertung auch im Sinne eines rein technischen beziehungsweise automatisierten Vorgangs. Derjenige, in dessen Rechtssphäre diese Vorgänge erfolgen, muss sich die Verletzung zurechnen lassen. Die Person "hinter der KI" muss daher im Rahmen der durchaus komplexen urhebergesetzlichen Ansprüche für die Verletzung einstehen, unter Umständen ohne irgendein Verschulden.

Was ist mit anderen IP-Rechten?

Dieser und vielen weiteren Fragen rund um den KIismus gehen wir in den nächsten Beiträgen nach. Wir freuen uns schon darauf! (Max Mosing, Daniel Jokesch, 26.9.2022)