Der Weltraum mag unendliche Weiten versprechen. Die nahen Erdumlaufbahnen gleichen dennoch eher einer riesigen Müllhalde. In gerade einmal 65 Jahren hat die Menschheit über 6200 Raketen ins All geschossen und über 13.600 Satelliten in den Erdorbit gebracht. Das hat enorme Spuren hinterlassen. Über 36.000 Objekte, größer als zehn Zentimeter, schwirren mittlerweile als gefährlicher Weltraumschrott unkontrolliert umher.

Das Projekt Clearspace will ein 112 Kilogramm schweres Raketenteil mit Roboterarmen einfangen.
Foto: Clearspace

Die Anzahl kleinerer Teile, die immer noch in der Lage sind, Raumsonden und Co zu zerstören oder schwer zu beschädigen, ist bereits auf eine Million angewachsen. Dazu kommen 130 Millionen Schrottpartikel im Millimeterbereich, schätzt die europäische Weltraumorganisation Esa, zu deren Etat auch das österreichische Klimaministerium beiträgt.

Die Zerstörungskraft der Schrottobjekte ergibt sich bereits aus der Geschwindigkeit von 25.000 Kilometern pro Stunde und mehr, mit der diese in mehreren Hundert bis Tausend Kilometern Höhe unterwegs sind. "Schon ein Teilchen, das weniger als fünf Zentimeter groß ist, kann einen Satelliten komplett zerstören. Das ist mit der Energie einer Handgranate vergleichbar, wenn beide Objekte mit solchen Geschwindigkeiten aufeinanderprallen", erklärt Tim Flohrer, Leiter des Space Debris Office der Esa.

Aufwendige Manöver

Damit das auf keinen Fall passiert, werden die bekannten größeren Teile in einer Datenbank erfasst und deren ungefähre Laufbahn mit aktiven Missionen abgeglichen. Um potenziellen Kollisionen zu entgehen, müssen Satelliten, aber auch andere Flugobjekte wie die Internationale Raumstation aktiv ausweichen. Da diese Manöver bisher nicht automatisiert erfolgen, sind sie aufwendig. Neben der verlorenen Zeit, dem notwendigen Treibstoff und den gebundenen Personalressourcen muss bei Satelliten etwa auch das Datensammeln unterbrochen werden. Allein für ihre etwa 20 aktiven Flugobjekte bekommt die Esa mehrere Hundert Kollisionswarnungen pro Tag.

European Space Agency, ESA

Doch auch der Zusammenprall von bestehendem Weltraumschrott ist äußerst problematisch. Denn durch die dabei entstehende Energie werden die Teile weiter zerkleinert. Die fliegende Müllhalde wächst somit immer weiter. Dieser Kaskadeneffekt, der im schlimmsten Fall die Raumfahrt von der Erde aus, aber auch die Nutzung des Erdorbits für Satelliten praktisch unmöglich machen könnte, ist in der Raumfahrt als Kessler-Syndrom bekannt. Der Astronom Donald Kessler hatte schon in den 1970er-Jahren vor so einer Kettenreaktion gewarnt, bei der Weltraumschrott durch wiederholte Kollisionen in immer kleinere Einheiten unterteilt wird.

Fünf statt 25 Jahre

Um das Problem nicht völlig ausufern zu lassen, sahen internationale Empfehlungen bisher vor, dass Satelliten eigentlich nach 25 Jahren im Orbit entsorgt, also zum Absturz gebracht werden müssen. Aktuellen Zahlen der Esa zufolge wird dies allerdings nur bei 30 bis 40 Prozent der Missionen eingehalten. Auch in den vergangenen Jahren zeichnet sich Flohrer zufolge noch keine Trendwende ab.

Angesichts des stark wachsenden Weltraumgeschäfts – allein Elon Musk will für sein Satelliteninternet Starlink bis zu 12.000 Kleinsatelliten im niedrigen Erdorbit platzieren, 3000 davon sind schon in Stellung gebracht – verschärft die US-Kommunikationsbehörde FCC nun die Gangart. Um eine US-Lizenz zu erhalten, müssen Satelliten bereits spätestens fünf Jahre nach Betriebsende zum Absturz gebracht werden, sieht das neue Gesetz vor.

Die Mission, um das ausrangierte Raketenteil einzufangen, soll 2026 starten.
Foto: Clearspace

Das bereits vorhandene Weltraumschrottproblem löst dieser Vorstoß allerdings nicht. Daher wird an konkreten Lösungen geforscht, wie man das All aktiv vom angesammelten Müll befreien könnte. Eine der aufsehenerregendsten Missionen hat die Esa an das Schweizer Start-up Clearspace vergeben. Mit einer robotischen Riesenkralle, bestehend aus vier Greifarmen, will das Unternehmen ein 112 Kilogramm schweres ausrangiertes Raketenteil im Orbit einfangen und sicher entfernen. Der Clearspace-Start ist 2026 geplant. Klappt das Vorhaben, wäre dies laut Esa die erste aktive Entfernung von Schrott aus dem Weltall.

Mit Laser gegen Schrott

Nicht minder kühn klingt eine andere Technologie, an der ebenfalls seit längerem geforscht wird. So sollen Laserstrahlen von der Erde aus eingesetzt werden, um Objekte von einem Kollisionskurs abzulenken. "Das darf man sich jetzt nicht wie Star Wars vorstellen, die Energie des Strahls ist sehr gering und kann das Objekt auch nicht zerstören", erklärt Flohrer. Der dadurch erzeugte Impuls reiche aus, um die Flugbahn des potenziell gefährlichen Teils um einige Meter zu ändern und so ein Ausweichmanöver eines operierenden Satelliten oder einer anderen Weltraummission obsolet zu machen.

Bis dieses Vorhaben in der Praxis eingesetzt werden kann, wird es jedoch noch dauern. In einem ersten Schritt sollen Laserstrahlen eingesetzt werden, um Weltraummüll deutlich genauer verfolgen zu können. Derzeit geschieht das über Radar und Teleskope, die allerdings weniger präzise Daten liefern. "Wenn wir mutmaßlich auf Kollisionskurs befindliche Objekte mit Laser noch genauer orten und deren Bahn vorhersagen können, kann man sich ebenfalls viele Ausweichmanöver ersparen", sagt Flohrer.

Künftig könnten auch Laserstrahlen zum Einsatz kommen, um Weltraumschrott bei Kollisionsgefahr abzulenken.
Foto: ESA

Auch diese Technologie wird operationell noch nicht eingesetzt. Die Esa führt mit Forschungspartnern aber bereits Experimente und Simulationen durch. Einen wesentlichen Beitrag liefert etwa das Grazer Institut für Weltraumforschung (IWF) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, das einen Gutteil der Lasertechnologie beisteuert. Zentrale Teile der Optik sowie das dafür eingesetzte Teleskop stammen von der oberösterreichischen Firma Asa Astrosysteme.

Satellit aus Österreich

Ein weiteres spannendes Projekt im Kampf gegen Weltraumschrott ist der privat finanzierte Kleinsatellit Adler-1, an dem das Österreichische Weltraum-Forum (ÖWF) beteiligt ist. Mittels Radargerät und eines Impaktsensors soll er Mikrotrümmer im niedrigen Erdorbit aufspüren und so Licht ins Dunkel bringen, wie schlimm die Situation mit den Millionen Schrottpartikeln im Millimeter- und Submillimeterbereich wirklich ist. Denn dazu existieren bisher kaum verlässliche Daten.

"Für Missionen können auch diese kleinsten Teilchen zum Problem werden", erklärt ÖWF-Direktor Gernot Grömer. Der ständige Abrieb verkürze die Funktionszeit von Missionen, indem etwa Thermalschutzfolien durchlöchert oder Solarzellen zerstört werden. "Wenn wir herausfinden, in welchen Orbits die Verschmutzung am höchsten ist, kann man diese für künftige Missionen versuchen zu meiden – und so die Betriebszeit erhöhen. Über solche Messungen kann man auch überprüfen, ob regulatorische Maßnahmen zur Vermeidung von Weltraumschrott greifen", sagt Grömer.

Nachdem Adler-1 seit Jänner erfolgreich im All unterwegs ist, soll mit Adler-2 bald – im Frühjahr 2023 – der nächste Kleinsatellit starten. Auch die Esa hat bereits Interesse an dem Projekt bekundet. (Martin Stepanek, 24.09.2022)