Österreichische Patrouillentätigkeiten im Rahmen der EU-Friedensmission in Bosnien und Herzegowina.

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Der internationale Konflikt mit Russland könnte für Österreich und das Bundesheer in den kommenden Wochen dramatische Folgen haben. Es droht das Aus beim mit Abstand wichtigsten Auslandseinsatz: der Teilnahme an der EU-Friedensmission in Bosnien und Herzegowina, Althea genannt.

Weil diese auf ein UN-Mandat gestützt ist, beteiligt sich das Land trotz seines Neutralitätsstatus seit 2004 daran. Österreich stellt unter den teilnehmenden Nationen das stärkste Truppenkontingent und führt seit 2009 sogar das Kommando, zuletzt mit Generalmajor Anton Wessely.

Plötzlich keine Routineangelegenheit mehr

Genau dieses UN-Mandat ist nun das Problem. Anfang November muss es im UN-Sicherheitsrat verlängert werden. Das geschah schon öfter, war eine kaum beachtete Routineangelegenheit. Der Ukraine-Krieg sowie der wachsende Konflikt zwischen Russland und dem Westen haben die Lage nun aber völlig verändert.

Wenn Präsident Wladimir Putin im UN-Sicherheitsrat ein Veto einlegt, fiele die rechtliche Grundlage für den Bosnien-Einsatz weg. Nach Informationen des STANDARD wurde im Verteidigungsministerium in Wien für diesen Fall bereits konkret der Ausstieg aus Althea geplant. Im Sommer erstellten die Stäbe für Ministerin Klaudia Tanner (ÖVP) einen "Optionenbericht", in dem alle Szenarien dargestellt werden.

Ministerin Tanner am Zug

Dazu gehört der Ausstieg – das sei "theoretisch und praktisch möglich", wird in Militärkreisen bestätigt. Dazu wäre ein Beschluss der Bundesregierung nötig, so wie beim Rückzug der Blauhelme aus dem Golan im Jahr 2013.

Noch hofft man in der Regierung darauf, dass der Kreml trotz der jüngsten Drohungen das UN-Mandat nicht blockieren wird. Am Rande der 77. UN-Generalversammlung in New York war das ein Thema.

Die einen vermuten, dass der russische Präsident damit neue Unruhe und Spaltung in die EU tragen will. Das wäre über gezielte Destabilisierung auf dem Balkan leicht zu erreichen. Er könnte auf Zuruf des Anführers der Serben in Bosnien-Herzegowina, Milorad Dodik, der seine Volksgruppe im Staatspräsidium vertritt, handeln.

Neutrales Österreich braucht UN-Mandat

Die andere Sichtweise ist, dass Putin nicht so weit geht, weil der Militäreinsatz auch ohne UN-Mandat weitergehen könnte, wenn etwa das dreiköpfige bosnisch-herzegowinische Präsidium die Nato um Beistand bittet, gegen Dodiks Stimme. Das wäre nicht im Interesse der Republika Srpska, es wäre ein Zustand, der nach den Jugoslawienkriegen bis 2004 real war. Vor Althea hatte eine internationale Truppe, SFOR, unter Nato-Kommando für Frieden und Ordnung gesorgt.

Sollte das transatlantische Bündnis, dem 23 von 27 EU-Staaten angehören, ohne UN-Mandat einspringen, hätte das neutrale Österreich ein Problem. Ohne UN-Mandat wäre eine weitere Teilnahme kaum denkbar und ein Abzug der österreichischen Soldaten realistisch, heißt es im Verteidigungsministerium. (Thomas Mayer aus New York, 23.9.2022)