El Guabo – Der Weg auf die Plantage führt über eine wackelige Seilbahn in einem Korb aus Eisenstangen. Unten windet sich ein schlammiger Fluss. Ein kräftiger Stoß, und Oktavio Ruiz rattert einem Wald aus Stauden entgegen. Glühwürmchen irrlichtern in der Abenddämmerung, Insekten sirren. "Ein schönes Stück Land", sagt der Landwirt und wischt sich mit einem Zipfel seines Hemds den Schweiß von der Stirn.

Geerntet werden Bananen grün und ganzjährig. Im Supermarkt dient das Obst als günstiger Lockartikel.
Foto: Fairtrade

Seit gut 25 Jahren baut er auf dem Feld seiner Frau Norma Porras und mit einem Dutzend Arbeitern Bananen an. Viereinhalb Hektar nennt die Familie in El Oro im Süden Ecuadors ihr Eigen. Es ist eine von Wanderarbeit und Armut geprägte Provinz. Die holprige Straße zurück ins Dorf säumen Baracken, die Blechdächer leidlich vor Hitze und Regen schützen. Bunte Vorhänge und Kartons ersetzen Glasfenster. In die Erde gezogene Gräben sollen Wasser von den Hütten fernhalten. Hunde kläffen, davon unbeirrt picken magere Hühner nach Körnern im Staub.

Porras sitzt vor ihrem schlichten Haus im Rollator. Ihre Beine erlaubten es ihr nicht mehr, aufs Feld zu gehen, sagt sie entschuldigend. Ihr Mann nennt sie aber den "Kopf des Betriebs". Die 76-Jährige erzählt von ihrer Enttäuschung über die Regierung, von jungen Menschen, die das Dorf in Ermangelung von Jobs verließen, und von Schulen, denen es an allem fehle. Dennoch lebe sie gerne hier. Sie liebe die Ruhe auf dem Land und fürchte hier anders als in den Städten rundum keine Überfälle. Ihren Kindern hat der Ertrag aus dem Bananenanbau die Ausbildung zum Arzt und Lehrer erlaubt. Mit der Machete auf dem Feld wie ihr Vater sollen sie nicht mehr arbeiten müssen.

Kampf ums Blechdach

Einige Kilometer außerhalb der Siedlungen, die wie kleine Quadrate aus dem schier unendlichen Meer an grünen Stauden herausgeschnitten sind, schützt Maria Orozco ihre Plantagen mit einem Tor notdürftig vor unliebsamen Gästen. Motoren, Schlepplifte, Kabel, sogar das Blechdach sei ihr schon gestohlen worden, seufzt die rüstige Landwirtin. Jetzt hat sie dieses viele Meter über ihrer gekachelten Wasch- und Sortieranlage befestigen lassen, um es Dieben etwas schwerer zu machen.

An sechs Tagen die Woche pflegt Orozco ihre Bananenkultur mithilfe der gesamten Familie. Mit einem Hektar hat sie begonnen – gleich einem Punkt in der Landschaft, in der Plantagen von 200 Hektar und mehr dominieren. Schritt für Schritt erwarb sie 13 Hektar. "Ich will meinen Kindern ein Stück Land überlassen, damit sie keinen falschen Weg einschlagen", sagt sie. "Es sollte ihnen dabei helfen zu studieren, um ein besseres Leben zu führen."

Sie selbst kämpfe mit der schweren Arbeit und den stark steigenden Kosten. Der Erlös reiche, um finanziell über die Runden zu kommen. Doch die Zeiten, in denen sie etwas beiseitelegen konnte, seien vorbei.

Fluch und Segen

Wie Porras vertraut auch Orozco auf biologischen Anbau. Beide haben sich der Kooperative Asoguabo angeschlossen, die sich seit mehr als zwei Jahrzehnten dem fairem Handel verschreibt. Jede Woche schickt diese über den Hafen von Machala rund 25.000 Kisten zu je 18 Kilo Bananen in den Export. Ihr Ziel ist es, die Lebensbedingungen der Kleinbauern über zusätzlich ausbezahlte Prämien zu verbessern.

Ecuador ist der weltgrößte Exporteur von Bananen. Diese sind nach Erdöl der wichtigste Devisenbringer des Andenstaats. Doch der Handel mit ihnen ist Fluch und Segen.

Ihretwegen wurden einst Regierungen zu Fall gebracht, Massenmorde begangen und Regenwälder abgeholzt. Sie nährten hemmungslosen Kapitalismus und wurden in Lateinamerika Sinnbild für die Ausbeutung von Mensch und Natur.

Geschäfte mit ihnen wiegen Milliarden Dollar – nach wie vor sind sie nichts für schwache Nerven.

Bananen sind die meistverzehrte Frucht der Welt. Die Österreicher konsumieren von ihr jährlich knapp 14 Kilo pro Kopf und Jahr. Jede dritte bis vierte Banane hierzulande ist Fairtrade-zertifiziert und bio.
Foto: Fairtrade

Der Krieg in der Ukraine und damit verbundene Kostenexplosionen bei Dünger, Verpackung und Containern sorgen für eine Pleitewelle unter den Produzenten. Der Klimawandel, der die Temperaturen in Ecuador im Sommer stark sinken lässt und im Winter extreme Regenfälle auslöst, schwächt die Produktion. Der größte Feind der Banane ist aber ein Pilz, der sie vertrocknen lässt. Böden, die er befällt, sind für den Bananenanbau über Jahrzehnte verloren.

Wer auf Plantagen der Asoguabo-Bauern will, muss durch ein Desinfektionsbad. Denn Fusarium Tropical Race, kurz TR4, würde ihren Tod bedeuten. Der Pilz vernichtet in Kolumbien und Peru riesige Monokulturen der Sorte Cavendish, die für mehr als 90 Prozent der weltweit gehandelten Bananen sorgt. Bis heute gelang es nicht, die Krankheit großflächig in den Griff zu bekommen.

Pilz als Zeitbombe

Bis sich der Pilz auch in Ecuador ausbreitet, ist es für Fabiola Ramón, Präsidentin der Fairtrade-Kooperative, nur eine Frage der Zeit. "Es ist eine Zeitbombe." Ihre einzige Chance sei es, Landwirte besser auszubilden und gesunde Böden zu schaffen.

Den Boden unter den Füßen verloren viele aber auch angesichts der Krise in Europa. Russland und die Ukraine nehmen Ecuador ein Viertel seiner Bananenproduktion ab. Seit dem Krieg fuhren beide ihre Importe zurück. Der Preis für Bananen, die Supermärkten ohnehin schon als günstige Lockartikel dienen, brach ein.

6,25 Dollar garantiert Ecuador als staatlichen Mindestpreis für die Kiste. Doch Produzenten, die ihre Ware ohne feste Verträge am Spotmarkt verkaufen, erhielten heuer nur einen Bruchteil davon. Sie blieben auf Bergen der Früchte sitzen oder verdienten bei Püreefabriken für das Kilo wenige Cent. Plantagen wurden aufgelassen und zerhackt. Verzweifelte Bauern blockierten die Straßen mit gefällten Stauden.

Asoguabo hielt entgegen aller Widrigkeiten an ihrem Preis von 12,85 Dollar plus einen Dollar an Prämie fest. "Es gelang uns, 70 Prozent der Ernte zu exportieren", zieht Ramón Bilanz. Dass Ecuadors Bananenbranche heuer eines der schwierigsten Jahre erlebt, daran lässt sie dennoch keine Zweifel.

Wenn Konsumenten keine Qualitätsabstriche bei ihren Lebensmitteln machen wollen, muss dafür Sorge getragen werden, dass aus den schwächsten Gliedern der Lieferkette nicht der letzte Cent gequetscht wird, sagt Hartwig Kirner, Chef von Fairtrade Österreich, der den Spuren der Bananen in Ecuador folgte. Diese seien das beste Beispiel für die Bedeutung existenzsichernder Löhne.

Angst vor Drogen

Dass die Häfen Ecuadors zunehmend als Umschlagplatz für Drogen dienen, macht das Geschäft mit Bananen noch riskanter. Erst Ende August wurden zwei für Europa bestimmte Container mit 3,5 Tonnen Kokain beschlagnahmt. Findet sich der Stoff in Obstkartons, geraten für die Kontrolle Verantwortliche hart in die Bredouille. Es ist ein Job, für den wenige bereit sind, Leben und Freiheit aufs Spiel zu setzen.

Dem Zufall überlassen wird bei Bananen nichts. Größe, Krümmung und Farbe geben ihre Abnehmer in Europa vor. Wer aus der Reihe tanzt, fliegt von der Staude, aus dem Wasserbad oder dem Karton. Chemie ist im konventionellen Anbau ein ständiger Begleiter. Die Folgen des Pestizidcocktails lasten schwer auf der Bevölkerung.

In Tenguel in der Provinz Guayas versucht ein einziger, über die Fairtrade-Prämie finanzierter Physiotherapeut Menschen mit besonderen Bedürfnissen zu betreuen. Die Schuld an den überproportional vielen gesundheitlichen Problemen der Region gibt er neben der schweren Arbeit auf den Feldern und schlechter Ernährung nicht zuletzt auch dem hohen Einsatz von Spritzmitteln.

Die Auslese ist hart. Größe, Krümmung und Farbe bestimmen Abnehmer in den USA und in Europa. Kaum ein Lebensmittel ist stärker standardisiert.
Foto: Fairtrade

In immer engeren Kreisen ziehen Sprühflugzeuge ihre Bahnen über die Plantagen der Asoguabo, gut 30-mal im Jahr. Anders als im konventionellen Anbau sind es hier organisch abbaubare Mittel, mit denen die gelben Früchte gegen Pilze und Insekten geschützt werden.

Geerntet werden Bananen ganzjährig. Arbeiter hüllen Büschel davon in Plastiksäcke, um ihr Wachstum zu beschleunigen. Diese sind in El Oro allgegenwärtig. Asoguabo recycelt sie. Anderswo hängen sie in blauen und grünen Fetzen entlang von Straßen und an Bäumen. Im besten Fall basteln Kinder Flugdrachen daraus.

Ein gezielter Schnitt, ein Bündel an Bananen landet auf der Schulter eines Arbeiters. Eine Seilbahn zieht sie zu den Waschbecken, wo sie geteilt, aussortiert, von Latex gereinigt, einmal mehr gegen Krankheiten und Getier behandelt werden.

Kunst des Schlichtens

22 bis 30 Dollar verdienen Arbeiter am Tag. An der Spitze ihrer Hierarchie steht der Packer, der Früchte in Kisten schlichtet: erst flache mittelgroße, dann kleine, stark gekrümmte, obendrauf die großen.

Samuel zählt zu den Jungen in den Reihen der Pflücker der Asoguabo-Finca La Josefina. 25 Dollar sind sein täglicher Lohn. Anders als bei früheren Arbeitgebern in der Bananenindustrie gelte hier das Arbeitsrecht, sagt er. Er habe Anspruch auf Urlaub und Sozialleistungen. Nebenbei bilde er sich weiter. Wovon er träumt? "Von höherem Einkommen, einem Haus, einer Familie und einer Arbeit als Buchhalter." Raus aufs Feld will er in zehn Jahren nicht mehr. (REPORTAGE: Verena Kainrath, 24.9.2022)