"Und? Wann ist es bei euch so weit?" Diese Frage bekommen Paare über dreißig so sicher wie das Amen im Gebet zu hören. Die unterschwellige Botschaft: Jeder Mensch will doch irgendwann Kinder! Bekommen sie keine, ernten vor allem Frauen Bedauern oder Mitleid. Handelt es sich bei der Kinderlosigkeit um eine bewusste Entscheidung, wird ihnen sogar Egoismus und Gefühlsarmut unterstellt. Oder sie hören Sätze wie: "Na warte, der Wunsch kommt bei dir auch noch!" Aber warum sollten nur Kinder einem Frauenleben Sinn verleihen?


"Ich liebe das Alleinsein"

Angelica (53), Musikerin.
Foto: STANDARD/Hendrich

"Einen netten Mann mit gutem Gehalt finden, heiraten, Kinder kriegen: Diese Idee fand ich immer furchtbar! Ich bin in bürgerlichen Kreisen aufgewachsen und schon damals mit meiner Einstellung angeeckt. Ich wollte lieber die große Liebe finden statt einen guten Vater für meine Kinder.

Speziell in Österreich scheint der Druck, die perfekte Mutter zu sein, enorm. Ich finde wirklich rückständig, was da in unserem Land passiert. Bekommt man Kinder und will sich aber auch beruflich verwirklichen, ist man sofort eine Rabenmutter, eine Egoistin. Hingegen ist es ganz normal, dass Mütter ihr komplettes Leben aufgeben (müssen), um für die Familie da zu sein. Das wollte ich nie. Ich wollte nie von einem Mann finanziell abhängig sein, mich dermaßen einschränken.

Mein Ex-Mann hatte irgendwann auch den Wunsch, dass wir Kinder bekommen, dass ich meinen Job als Pianistin aufgebe und mich um Kind und Kegel kümmere, während er Karriere macht. Ich war fassungslos. Das war der Moment meiner persönlichen Emanzipation von dieser unausgesprochenen Forderung an uns Frauen. ‚Ich habe das Recht, keine Kinder zu bekommen!‘ – diese Erkenntnis war für mich wie eine persönliche Befreiung. Daraufhin ist recht bald die Scheidung gefolgt. Die Leute waren schockiert. Wie kann eine Frau nur das Alleinsein lieben? Aber mein Leben als Künstlerin war und ist toll, ich habe meine Arbeit immer geliebt, es ist lustig und bunt. Mein Umfeld hat sich dann einfach verschoben. Ich bin aus diesem bürgerlichen Milieu raus und lebe heute genau so, wie ich es mir wünsche."


"Single Mom wollte ich nicht sein"

Natalie (44), Sprachlehrerin.
Foto: www.corn.at / Heribert Corn

"Mein Vater war Biologe und beruflich auf der ganzen Welt unterwegs. Wir sind als Familie alle vier Jahre umgezogen. Ich selbst bin fünfsprachig aufgewachsen, zwischen diversen Kulturen und Religionen. In meiner Kindheit gab es nie feste gesellschaftlichen Strukturen.

Für mich war es deshalb immer schwierig, einen Partner zu finden, der in diese kosmopolitische Welt hineinpasste und dennoch stabil ist. Durch meinen Job als Sprachlehrerin hatte ich ständig Kontakt zu Kindern. Ich liebe Kinder. Eine Zeitlang konnte ich mir auch gut vorstellen, selbst welche zu haben. Schließlich gibt es diverse Möglichkeiten, auch ohne Partner Mutter zu werden. Doch der Weg dorthin ist steinig. Am Ende ist eine Adoption oder eine künstliche Befruchtung immer eine herausfordernde Sache. Alleinerzieherin zu sein ebenso. Ich konnte mir einfach nicht vorstellen, dass ich das mit meinem Job, in dem ich international unterwegs bin, jemals schaffen würde. Was ich in meiner Arbeit mit Kindern gelernt habe: Sie benötigen zumindest ein gewisses Maß an Stabilität, in dem sie gedeihen können. Diese Stabilität hätte ich ihnen nicht bieten können. Also habe ich mich irgendwann gegen Kinder und für mein buntes Nomadenleben entschieden.

Ein Zitat von Schauspielerin Julianne Moore gefällt mir sehr gut: ‚Man kann im Leben schon alles haben – aber nicht alles auf einmal.‘ Persönliche Entfaltung, Karriere, Familie: Das alles unter einen Hut zu bringen ist sowieso unmöglich. Aber wer weiß? Vielleicht kommt ja noch eine Zeit in meinem Leben, in der ein Kind Platz findet."


"Kind und Karriere – das geht nicht"

Bibiane (32), Musikerin.
Foto: STANDARD/Hendrich

"Es gibt diverse Gründe, warum ich keine Kinder möchte. Etwa die veraltete Rollenverteilung und die Nachteile, die man als Frau hat, sobald man Kinder bekommt. Das ist Sexismus für mich. Passiert so aber nach wie vor. Wenn die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen anders wären, wenn Karriere und Kind leichter zusammengehen würden, dann wäre ich dem gegenüber viel offener eingestellt. Als Musikerin genieße ich es, dass ich nur für mich verantwortlich bin, dass ich flexibel und frei bin.

Ich werde ständig gefragt, wann mein Partner und ich Kinder bekommen. Viele meinen auch, dass ich mit 32 Jahren noch zu jung sei, dass mein Kinderwunsch schon kommen werde. Manche meinen auch: Sollte ich kinderlos bleiben, würde ich meine Pflichten als Frau nicht erfüllen. Erkläre ich dann meinen Standpunkt, wird mir unterstellt, dass ich eine Ultrafeministin sei.

Als Woman of Color werden mir ständig übergriffige Fragen gestellt. Ich bin deswegen eine gewisse Grenzüberschreitung leider schon gewöhnt. Bei dummen Fragen sage ich dann gerne: "Würden Sie mir diese Frage auch stellen, wenn ich einen Penis hätte?"

Meine Mutter war Alleinerzieherin, ich habe schon früh Verantwortung übernommen und finanziere mein Leben, seit ich zwanzig Jahre alt bin selbst. Meine Schwestern hingegen haben alle Kinder bekommen, die sind nun froh, dass es jemanden in der Familie gibt, der Kapazitäten hat und ab und zu Nanny spielt.

Ich mag Kinder wahnsinnig gerne, und Kinder mögen mich. Ich bin glückliche Tante von etlichen Nichten. In der Rolle als Tante Bibi fühle ich mich wohl. Aber ich möchte nicht nonstop die nächsten 18 Jahre Verantwortung für einen Menschen übernehmen – und das sollte genauso akzeptiert werden. Mein Partner und ich haben relativ früh darüber gesprochen und das Thema Nachwuchs für uns abgehakt. Früher hat man einfach geheiratet und Kinder bekommen. Heute leben wir in einer Gesellschaft, in der wir selbst entscheiden dürfen, wie wir leben möchten. Diese Chance nutze ich. Die Entscheidung zu treffen ist aber sicherlich für viele sehr schwierig. Das erfordert viel Selbstreflexion und Mut."


"Ich habe nichts versäumt"

Margit (63), Journalistin und Sprecherin
Foto: STANDARD/Hendrich

"In meinem Leben lief es so: Zuerst war der richtige Mann für ein Kind nicht da – und als der dann kam, war ich zu alt. Macht aber nichts, denn einen intensiven Kinderwunsch hatte ich ohnedies nie.

Ich habe viele Freundinnen mit Kindern. Einige davon sind schon mehrfache Großmütter. Die leben jetzt auch kein besonders anderes Leben als ich. Allerdings war ich rückblickend viel freier als sie: Wenn mich jemand angerufen und gefragt hat: ‚Es gibt eine Pressereise nach Abu Dhabi, kannst du dabei sein?‘, dann habe ich gesagt: ‚Klar!‘ Keine Kinder, das heißt auch: keine wirklichen Verpflichtungen. Ich war außerdem lange Zeit Single und musste auf niemanden Rücksicht nehmen. Zusammengefasst kann ich behaupten: Ich habe im Leben nichts versäumt.

Dennoch bleibt das schale Gefühl, sich als Frau rechtfertigen zu müssen. Ich wurde und werde immer wieder hinterfragt, weil ich freiwillig kinderlos bin. Ehrlich gesagt kann ich andersherum gar nicht nachvollziehen, warum Paare die Krise bekommen, wenn sie keine eigenen Kinder bekommen können. Wenn ich so unbedingt ein Kind will, kann ich doch eines adoptieren, oder?

Meine Eltern haben mir beim Kinderkriegen auch nie Druck gemacht. Die waren selbst relativ späte Eltern für damalige Verhältnisse. Jedes Mal, wenn ich einen Freund hatte, hat er meiner Mutter überhaupt nicht gepasst, insofern war sie wahrscheinlich froh, dass ich nicht schwanger wurde. Mein Papa war glücklich, dass ich mir eine Katze geholt habe, auf die er aufpassen durfte. Ich bin eben die Mama für meine Katzen – und glücklich." (Protokolle: Nadja Kupsa, 26.9.2022)

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DER STANDARD