Guybrush Threepwood kehrt in "Return to Monkey Island" zurück. Vermisst wurde er vor allem von Menschen, die jetzt alt sind.

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Wenn es um "Monkey Island" geht, dann werde ich emotional. Nicht nur, weil ich wie viele Menschen meines Alters die ersten beiden Teile in den frühen 1990er-Jahren als Kind gespielt habe. Nicht nur, weil "Le Chuck's Revenge" das erste Spiel war, das mich an interaktives Storytelling heranführte. Und nicht nur, weil es für mich eine Vater-Sohn-Thematik ist, da ich die kniffligsten Rätsel mit meinem (damals gar nicht so) alten Herrn gemeinsam löste.

Nein, bei mir geht es noch eine Spur weiter: 2008 war ich Teil jener durchgeknallten Crew, die in Wien die berühmt-berüchtigten "Monkey Island Revival-Partys" organisierte (DER STANDARD berichtete darüber, lange bevor ich hier an Bord gehen durfte). Ohne monetäres Interesse, sondern weil wir als echte Fans einfach Lust darauf hatten. Ich werde noch immer manchmal auf die damaligen Events angesprochen. Außerdem habe ich meine Masterarbeit über dieses Thema geschrieben.

Diese emotionale Bindung ist auch der Grund, weshalb letztlich nicht ich, sondern Kollege Georg Pichler den eigentlichen Test verfasste. Ich selbst musste zwischen Fan und Journalist trennen und beschränkte mich darauf, in dieser Kolumne die Frage zu stellen, "wie und in welchem Ausmaß das neue 'Monkey Island' seine Fans enttäuschen wird".

Ein Wiedersehen mit Freunden

Der Erfolg des Spiels gibt mir unrecht. In diversen Tests – auch dem unsrigen – staubt "Return to Monkey Island" Lob en masse ab, und auch ich war von der ersten Sekunde an hin und weg: Das alte Gefühl war wieder da, die chillige Musik lässt selbst die griesgrämigsten Kritiker mitschunkeln, das Wiedersehen mit den alten Charakteren vermittelt teils das Gefühl eines Klassentreffens, und im Storytelling wurde geschickt die Aufgabe gemeistert, das schwierige Ende aus dem zweiten Teil sinnvoll fortzuführen. Man knüpft an die ersten beiden Teile an, nimmt aber auch Elemente aus den anderen Games mit, damit sich wirklich alle abgeholt fühlen, die in den vergangenen 30 Jahren Kontakt zum Piratenfranchise hatten. So sieht echter Fanservice aus.

Auch Murray, der sprechende Schädel, ist zum Glück wieder dabei.
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Gleichzeitig setzt sich das Spiel die Aufgabe, auf die Entwicklungen der vergangenen 20 Jahre aufzuspringen – also jenen Zeitraum, in dem knifflige Adventure-Games mit ihrer langsamen Erzählweise von adrenalinbefeuernden Bumm-Bumm-Shootern verdrängt wurden. So gibt es Achievements ebenso wie eine "Was bisher geschah"-Funktion in Form eines Bilderbuchs. Und wer nicht weiterweiß und eben nicht ganze Abende mit einem Rätsel verplempern will, für den gibt es ein gut durchdachtes, leicht zugängliches Hint-System, in dem man sich Tipps holen kann.

Also alles roger. Ron Gilberts Experiment ist gelungen. Und wir alle dürfen ihm für diese rund neun Stunden dankbar sein, die er in die Welt gesetzt hat.

Was machen wir jetzt?

Wie bitte, neun Stunden? Zugegeben, das ist der "Easy"-Modus gewesen, und ich habe ein paar Mal in die Hints geschaut, aber ja: Nach nur neun Stunden ist der Zauber auch schon wieder vorbei, und wir werden in die Normalität zurückgeschickt. Anders als in diversen über die Jahre erfolgreichen AAA-Titeln gibt es keine zusätzlichen Inhalte, kein Endgame, keine Open-World-Multiplayer-Schlachten. Return to Monkey Island ist irgendwann einfach aus und lässt uns mit einem Gefühl der Leere zurück – und mit der Fragestellung, ob man nicht noch ein anderes Adventure Game ausprobieren soll.

Das Problem ist: Da gibt es nicht sehr viel. Zwar hat Rainer Sigl in seiner jüngsten Indie-Games-Rundschau das Adventure Lost in Play ins Rennen geworfen, doch im Mainstream-Bereich sucht man diese Games weiterhin vergeblich. Das hat verschiedene Gründe.

Da wäre erstens die bereits erwähnte Tatsache, dass sich die Spielewelt weiterentwickelt hat. Standen Adventures in den 1990er-Jahren noch in der Coolness-Konkurrenz zu Strategiespielen, so wurden beide inzwischen aus der breiten Masse verdrängt und teilen sich nun ein ähnliches Schicksal: Auch dem eigentlich sehr schicken Age of Empires 4 ist es nicht gelungen, Echtzeitstrategie wieder zu einem Dauergast auf den Titelseiten der Fachmagazine zu machen.

In "Return to Monkey Island" kämpft der Spieler nicht selbst. Er muss denken. Das gefällt nicht allen.
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Stattdessen haben zuerst die Shooter und Actionadventures das Feld für sich erobert. Diese wurden anschließend mit regelmäßigen Content-Updates ausgestattet, um die Menschen möglichst lange in einem Franchise zu halten: Man kann heute Jahre in Destiny 2 oder Fortnite verbringen, ohne dass es langweilig wird. Das Treffen von Freunden in Onlinespielen erlebte nicht zuletzt bei Casual Gamern einen regelrechten Boom. Und diversen Studien zufolge spielen die meisten Menschen ohnehin lieber stumpfe Geschicklichkeitsspiele auf dem Smartphone, anstatt sich auf Tiefgang einzulassen – das alles sind Punkte, bei denen das Genre der Adventure-Games nicht mitziehen kann und will.

Hinzu kommt, dass es in unserer schnelllebigen Zeit immer schwieriger wird, neue Marken zu etablieren: Die Menschen überlegen es sich dreimal, bevor sie einem Spiel ihre wertvolle Zeit schenken – und das gilt besonders für dieses Genre, bei dem man keine schnellen Erfolge feiert, sondern sich mit einer Tasse Tee auf lange, teils ermüdende Dialoge einlässt. Ehrlich: Mein letztes Adventure vor Return to Monkey Island war "Satinavs Ketten" – und das eben auch nur, weil ich das "DSA"-Franchise kenne und liebe.

Ein Hauch von "Inception"

Was können Rätselfüchse nun also tun? Abwarten. Denn auch wenn Ron Gilbert selbst sich derzeit über mögliche Fortsetzungsgerüchte lustig macht, so gibt es doch nach Abschluss des aktuellen Spiels diverse Anzeichen, dass weitere Abenteuer mit Guybrush zumindest geplant sind. Hinweise darauf finden sich etwa in Guybrushs Erinnerungsbuch oder auch in der kurzen Szene nach den Credits, die mit viel Fantasie als Anspielung auf den Kinofilm "Inception" gedeutet werden kann. Mehr will ich dazu hier nicht sagen. Sie wissen schon: Spoiler und so.

Wer nicht so lange auf ein Spiel warten möchte, das eventuell niemals kommt, der kann sich indes auch in älteren Adventures austoben, deren Rätsel und Geschichten nach wie vor Spaß machen. Bei der Gelegenheit wird so mancher Naseweis vielleicht auch feststellen, dass die umstrittene Comicgrafik kein Novum des aktuellen Spiels ist. Die gab es nämlich bereits bei anderen Titeln wie etwa "Day of the Tentacle". Apropos: Können wir dazu eine Fortsetzung haben? Bitte? Bitte, bitte? Bitte, bitte, bitte? (Stefan Mey, 26.9.2022)