Fast jeder neu gekaufte Fernseher ist heutzutage ein Smart TV. Das ist nicht zuletzt ein Zeichen des Wandels beim Film- und Serienkonsum. Stand über Jahrzehnte hinweg das serielle TV-Angebot im Vordergrund, dominiert mittlerweile gerade bei Jüngeren das Streaming aus dem Internet. Insofern ist es prinzipiell begrüßenswert, dass viele Fernseher bereits die notwendige Software mitliefern, um auf das Angebot von Netflix, Youtube und Co zugreifen zu können.

Eine wenig erfreuliche Situation

Leider ist dieses Vergnügen oft ein getrübtes. Viele dieser Smart-TV-Systeme sind von einer ziemlich überschaubaren Qualität. Vor allem aber bleiben meist recht bald die Updates aus, früher oder später funktionieren dann die ersten Apps nur mehr so halb – und irgendwann gar nicht mehr. Genau diese Situation ist es, die Hersteller wie Amazon und Google geschickt nutzen. Mit günstigen Streaminggeräten machen sie aus jedem Fernseher ein smartes Gerät, und das mit einer Softwarequalität und App-Unterstützung, die typischerweise deutlich über dem liegt, was die TV-Hersteller so anbieten.

Was noch dazukommt: Solch eine externe Lösung ist viel flexibler als fix verbaute Smart-TV-Systeme. So kann man das Gerät einfach von einem zum nächsten Fernseher mitnehmen. Und umgekehrt kann auch schnell mal ein neues Streaming-Device gekauft werden, wenn das alte nicht mehr reicht – ohne dafür gleich den Fernseher erneuern zu müssen.

Chromecast

Google ist mit seinem Chromecast einer der Pioniere in diesem Bereich, bereits 2013 kam das erste Modell auf den Markt. Über einige Produktgenerationen hinweg verstanden sich Chromecasts als reine Empfänger, an die Inhalte via Smartphone oder Computer geschickt werden konnten – das sogenannte Casten. Vor zwei Jahren kam die Kehrtwende: Mit dem beeindruckend sperrig benannten "Chromecast mit Google TV" wurde eine auf Android-TV basierende Oberfläche eingeführt, die sich mittels Fernbedienung steuern lässt.

Das neue HD-Chromecast oder wie es Google offiziell nennt: Chromecast mit Google TV (HD).
Foto: Proschofsky / STANDARD

Nun bekommt dieses ein günstigeres Modell zur Seite gestellt. Das – kein Scherz – "Chromecast mit Google TV (HD)" getaufte Streaminggerät wurde vor wenigen Tagen vorgestellt, DER STANDARD konnte es seitdem ausführlich unter die Lupe nehmen. Ziel war es dabei vor allem zu sehen, welche Abstriche man für den mit 39,99 Euro doch deutlich günstigeren Preis – das 2020er-Modell wird mit einem Listenpreis von 69,99 Euro geführt – hinnehmen muss.

Zwillinge

Rein äußerlich sind die Geräte praktisch nicht zu unterscheiden, sowohl Größe als auch Design sind deckungsgleich. Wer wissen will, ob es sich um ein 4K- oder HD-Modell handelt, muss schon das Kleingedruckte auf der Rückseite lesen. Wie gewohnt wird das Chromecast an einen freien HDMI-Anschluss gesteckt, eine Stromversorgung via USB-C ist ebenfalls notwendig.

Das Setup ist erfreulich schnell absolviert, hier reicht es, am Smartphone einen QR-Code aus der Google-Home-App zu scannen und dann ein paar Einstellungen vorzunehmen – etwa die Wahl bevorzugter Streaming-Apps. Danach präsentiert sich auch schon die Google-TV-Oberfläche, die Inhalte aus unterschiedlichen Quellen zusammenführt.

Aufbau

Allzu sehr in die Tiefe soll bei der Beschreibung der Oberfläche nicht mehr gegangen werden, immerhin wurde das schon ausführlich beim Test des 4K-Modells besprochen. Google hat allerdings innerhalb der vergangenen zwei Jahre zahlreiche Optimierungen und so manch sinnvolles Feature eingeführt, darunter die Möglichkeit, zwischen mehreren Profilen zu wechseln. In Summe präsentiert sich Google TV mittlerweile als sehr rundes System und noch wichtiger: Eines, auf dem praktisch alle relevanten Streamingservices verfügbar sind, von Netflix bis zur ORF TVthek.

Der Homescreen von Google TV vereint Inhalte aus unterschiedlichen Quellen.
Screenshot: Proschofsky / STANDARD

Abstriche?

Jetzt stellt sich natürlich die Frage: Wo wurde gespart? Wer auf die Spezifikationen schaut, wird bis auf die gestrichene 4K-Unterstützung wenig finden. Selbst HDR-Unterstützung sowie Dolby Atmos sind vorhanden. Der WLAN-Support ist mit WiFi 5 (802.11ac) ebenfalls gleich und für ein Gerät dieser Preisklasse wirklich ausreichend.

Wer etwas tiefer bohrt, findet aber sehr wohl noch den einen oder anderen Unterschied. So kommt ein anderer Chip zum Einsatz, was auch nicht weiter verwundert, muss dieser doch nur mit 1080p umgehen können. Etwas Sorge in Hinblick auf die Performance bereitet zunächst, dass das RAM von zwei auf 1,5 GB abgespeckt wurde.

Zum Glück erweist sich diese Befürchtung schnell als unberechtigt. Die Steuerung ist durchgehend flott, am Google-TV-Homescreen ähnlich flott wie das 4K-Modell, in den Systemeinstellungen gar schneller. Das überrascht, dürfte aber auf ein Detail der Softwareausstattung zurückzuführen sein.

Android 12 TV

Das HD-Modell ist derzeit – noch – zwei Softwaregenerationen neuer als das bisherige Chromecast mit Google TV.
Screenshot: Proschofsky / STANDARD

Das HD-Modell ist mit Android 12 TV ausgestattet, während die 4K-Variante noch immer auf Android 10 TV herumgrundelt. Und für diese scheint Google eben eine Fülle an Performanceoptimierungen vorgenommen zu haben. Dass diverse Updates in diese Richtung anstehen, hat das Unternehmen bereits vor einigen Wochen angekündigt, insofern passt das ins Bild. Die gute Nachricht: Auch das 4K-Modell soll in den kommenden Wochen auf Android 12 TV aktualisiert werden.

Bis auf die erwähnten Optimierungen bringt die neue Softwaregeneration nur wenige Änderungen. Zu den Neuerungen gehören nützliche Kleinigkeiten wie eine erleichterte Einrichten von WLANs mithilfe eines QR-Codes. Desweiteren: Wird das Mikrofon von einer App aktiv genutzt, zeigt das System dies über ein eigenes Icon an, wer will kann den Zugriff nun auch systemweit blockieren.

Framerate

Für Filmfans noch am ehesten relevant: Das Chromecast kann die Bildwiederholrate nun automatisch an den jeweiligen Inhalt anpassen – so der eigene Fernseher das unterstützt. Desweiteren kann jetzt die Textgröße angepasst werden, auch wenn sich das nur auf wenige Elemente auszuwirken scheint. Und wer Surround Sound nicht mag, darf diesen nun generell abschalten.

Der Grund für diese ziemlich überschaubare Zahl an sichtbaren Neuerungen im Vergleich zu Android 10 TV: Google hat die relevanten Teile von Google TV in Apps ausgelagert, die ohnehin regelmäßig über den Play Store aktualisiert werden. Das wiederum zeigt auf, dass die Diskussion über fehlende Updates für das Chromecast für die breite Masse eher von überschaubarer Bedeutung ist. Auch wenn regelmäßigere Sicherheitsaktualisierungen natürlich wünschenswert wären.

Vergleiche

Noch einmal zurück zur Performance, denn hier gilt es, Google wirklich Lob zu zollen. Diese ist nämlich deutlich besser als bei vielen anderen Geräten dieser Preiskategorie – etwa Amazons günstigeren FireTV-Sticks. Dabei zeigt sich der Wert von kontinuierlichen Optimierungen über einen längeren Zeitraum hinweg.

Ein echter Vorteil

Das ist jetzt der Zeitpunkt zu verraten, dass der HD-Chromecast seinem größeren Bruder sogar etwas voraus hat. Es wird bereits das noch relativ neue AV1-Codec unterstützt. Dieses verspricht im Vergleich zu früheren Formaten einen reduzierten Datenverbrauch bei gleicher Qualität – oder umgekehrt eine bessere Bildqualität bei gleichem Datenverbrauch.

Youtube nutzt bereits – zum Teil – AV1 für das Streaming ans neue Chromecast.
Foto: Proschofsky / STANDARD

AV1 wurde zu weiten Teilen von Google selbst entwickelt und hat mittlerweile einen ungewohnt breiten Support in der Industrie gefunden – von Samsung über Microsoft, Netflix und Amazon bis hin zu Apple, das sonst gern eigene Wege geht. Dem Codec gehört also die Zukunft, dass es hier bereits unterstützt wird, ist also ein echtes Plus. Die aktive Nutzung dieser Potenzials ist derzeit natürlich noch überschaubar, aber zumindest auf Youtube finden sich schon so manche Videos, die tatsächlich mithilfe von AV1 an das Chromecast mit Google TV (HD) gestreamt werden.

Fernbedienung

Die Steuerung des Geschehens geschieht wie schon erwähnt über eine simple Fernbedienung, auch in dieser Hinsicht hat sich im Vergleich zum 4K-Modell nichts geändert. Die Fernbedienung ist also noch immer "okay", viel mehr aber auch nicht. So vermisst man etwa Knöpfe für Vor- und Zurückspulen, stattdessen gibt es fix belegte Buttons zum schnellen Aufrufen von Youtube und Netflix.

Zudem bietet die Fernbedienung auch die Möglichkeit der Sprachsuche, die wie von Google gewohnt auch sehr gut funktioniert. Was besonders erfreut: Es wird dafür keine "Always on"-Funktion verwendet, Sprachbefehle werden nur angenommen, während der zugehörige Knopf gedrückt wird. Wer so was nicht will, kann es also getrost ignorieren. Ach ja, wer das alte Casten als Modell bevorzugt: Das funktioniert bei den neuen Chromecasts natürlich weiterhin.

Die Fernbedienung ist genau die gleiche wie beim 4K-Modell.
Foto: Proschofsky / STANDARD

Stromverbrauch

Kommen wir zu einem anderen Thema, dem angesichts der aktuellen Explosion der Energiepreise besondere Bedeutung zukommt: dem Stromverbrauch. Bei aktivem Streaming wurden Werte zwischen 1,2 und zwei Watt gemessen, wobei es natürlich immer wieder kurze Spitzen gibt, die leicht darüber hinausgehen – etwa beim Systemstart.

Der Chip des HD-Chromecast scheint dabei besonders sparsam zu sein. Das 4K-Modell braucht in der Nutzung fast doppelt so viel, irgendwo zwischen 2,2 und bis zu vier Watt, mit einzelnen darüber hinausgehenden Spitzen. Angesichts der höheren Auflösung ist dieses Ergebnis natürlich nicht ganz überrraschend – und vor allem noch immer vergleichsweise wenig.

Denn hier zeigt sich, was mit einer gezielt auf einen spezifischen Zweck optimierten Hardware alles möglich ist. Das mag auch für all jene relevant sein, die meinen, sie nutzen lieber ihre Spielekonsole zum Videostreaming, weil die ohnehin schon da ist. Werden dort doch schnell mal mehr als 200 Watt für die gleiche Aufgabe verbraucht. Da amortisiert sich der Anschaffungspreis für solch ein dediziertes Streaminggerät sehr schnell.

Vermischtes

Noch ein paar technische Details: Der lokale Speicherplatz ist mit 8 GB weiterhin ziemlich eng bemessen, zumal hier schon nach dem Setup nur noch knapp 5 GB für Apps übrig bleiben. Es gilt also gut zu wählen, welche Apps man installieren will.

Im Hintergrund gab es ein paar technische Änderungen, so verwendete das neue Chromecast ein anderes Update-System, das die Auslieferung neuer Versionen vereinfachen soll. Interessant ist auch ein Eintrag in den Entwicklereinstellungen, demzufolge sich erstmals auch der Bootloader entsperren lässt, womit die Installation von alternativer Systemsoftware möglich wäre. Ob das auch tatsächlich geht, ist derzeit allerdings noch unklar. Das "Sideloading" von Apps – also deren manuelle Installation jenseits des Play Store – ging hingegen schon beim Vorgänger, und das wird auch beibehalten.

Eine Suchfunktion gibt es natürlich auch.
Screenshot: Proschofsky / STANDARD

Fazit

Das Chromecast mit Google TV (HD) ist eine positive Überraschung – und zwar eben weil sich so wenig ändert. Im Vergleich zum fast doppelt so teuren Modell aus dem Jahr 2020 wurde eigentlich nur der 4K-Support gestrichen. Wer diesen nicht benötigt, kann also beruhigt bei der HD-Version zuschlagen und so einiges sparen.

Um den Preis von knapp 40 Euro mag das Gerät zwar noch immer teurer als die günstigsten Fire-TV-Modelle sein, bietet aber auch eine bessere Leistung. In Summe wirkt zudem die Oberfläche von Google schlicht durchdachter als jene von Amazon – wo man zudem oftmals das Gefühl hat, in einer einzigen Werbeplattform für Amazon selbst gefangen zu sein. Und wem 40 Euro noch immer zu viel sind: In den kommenden Wochen werden sicher wieder einige Aktionen folgen, bei denen es das neue Chromecast billiger gibt.

Ein notwendiges Update

Die einzige wirklich Enttäuschung ist, dass Google nicht parallel auch sein 4K-Modell erneuert hat. So ergibt sich die leicht paradoxe Situation, dass die günstigere Version mit dem AV1-Support der teureren Ausführung sogar etwas voraus hat. Zudem hätte das die Chance gegeben, die Hardware etwas stärker abzuheben, allen voran über den lokalen Speicherplatz. Aber darauf gilt es wohl bis kommendes Jahr zu warten. (Andreas Proschofsky, 27.9.2022)