Für neue Schulden muss Italien tief in die Tasche greifen: Mit fast 4,5 Prozent zahlt es nun mehr als das Doppelte für zehnjährige Anleihen als die Deutschen.

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Hohe Wellen hat der Wahlsieg von Giorgia Melonis Fratelli d’Italia an den Finanzmärkten geschlagen. Sorgen über die Auswirkungen des Rechtsrucks in Italien trieben den Euro auf ein 20-Jahrestief gegenüber dem US-Dollar. "Auch wenn sich das Rechtsbündnis offiziell zur EU bekennt – der politische Gegenwind aus Italien wird größer werden", warnte Thomas Gitzel, Chefvolkswirt der VP Bank. Neben politischen Unsicherheiten trug auch die Zinsentwicklung zu den Kursverlusten bei, die den Euro im Tief unter 0,96 Dollar drückten.

Da die US-Notenbank in der Vorwoche mit einem weiteren großen Schritt den Leitzins auf nunmehr 3,25 Prozent hievte, ist der Unterschied zum Euroraum deutlich angewachsen. Das sorgt für Kapitalabflüsse aus der Gemeinschaftswährung in den höher verzinsten US-Dollar. Zum Vergleich: Der Leitzins der Europäischen Zentralbank (EZB) liegt derzeit bei 1,25 Prozent.

Zinsen auf Neunjahreshoch

Deutliche Auswirkungen hat der Urnengang in Italien auch auf die Anleihenmärkte. Das hoch verschuldete Land muss künftig für neue Schulden noch tiefer in die Tasche greifen, die Rendite für zehnjährige Schulden stieg auf fast 4,5 Prozent – höchster Stand seit neun Jahren. Das ist mehr als der doppelte Zinssatz von jenem, den Deutschland mit 2,1 Prozent für zehnjährige Anleihen berappen muss. Allerdings sind dessen Staatsschulden mit 69 Prozent der Wirtschaftsleistung auch wesentlich geringer als die italienischen mit 151 Prozent.

Dadurch ist die EZB in die Kritik geraten, konkret ihr neues Krisenprogramm TPI. Mit diesem will die Notenbank die Anleihenrenditen ohne Auflagen für einzelne Eurostaaten wie Italien gezielt drücken, sobald sie es für geboten hält. "Die EZB hat Europas Populisten einen Blankoscheck ausgestellt", kritisiert das deutsche Zentrum für europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) das TPI-Programm. Eigentlich müsse die EZB diesen Scheck nun wieder einkassieren, meint ZEW-Volkswirt Friedrich Heinemann. Dies würde sie allerdings zu einem "politischen Wächter über Wahlergebnisse" machen. Daraus folgert der Ökonom: "Es zeigt sich immer deutlicher, dass die EZB mit ihren massiven Käufen von Staatsanleihen mehr und mehr eine Rolle übernommen hat, für die sie keinen Auftrag und keine Legitimation hat."

Denn das Mandat der EZB lautet nicht auf günstige Finanzierungsbedingungen für Mitgliedsstaaten, sondern auf Währungsstabilität. Darunter versteht sie eine Inflation von zwei Prozent. Im August erreichte die Teuerung in der Eurozone den Rekordwert von 9,1 Prozent. (Alexander Hahn, 26.9.2022)