Gaby Schwarz (ÖVP) ist seit Juli Volksanwältin. Gemeinsam mit ihrem Team kritisiert sie die Zustände für Jugendliche in Gefängnissen.

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Therapie, Freizeit, Sport: Dazu sollten Jugendliche in Gefängnissen eigentlich Zugang haben. In der Theorie gibt es dafür auch Konzepte – doch in der Praxis werden diese viel zu oft unzureichend ausgeführt, kritisiert die Volksanwaltschaft in einem neuen Bericht.

113 Minderjährige befinden sich derzeit in Österreich in Haft. Für sie fordert die Volksanwaltschaft bessere Bedingungen – und mehr Therapieangebote. Die Jugendstrafanstalt Gerasdorf (Bezirk Neunkirchen) ist derzeit das einzige österreichische Gefängnis für männliche Jugendliche und junge Erwachsene. Dieses Konzept sollte man überdenken, sagte die Volksanwältin Gaby Schwarz (ÖVP) am Montag.

Anträge zur Verlegung

In die Justizanstalt Gerasdorf werden grundsätzlich sämtliche Straftäter im Alter bis zu 21 Jahren verlegt, nachdem ihr Urteil rechtskräftig ist. Glücklich sei dort keiner, hieß es bei einer Pressekonferenz der Volksanwaltschaft am Montagnachmittag. Die Generaldirektion für den Strafvollzug werde mit Anträgen auf Verlegung in andere Gefängnisse "überschwemmt". Grund: Insassen, die aus entfernteren Bundesländern stammen, "leiden besonders darunter, wenn sie keinen Kontakt zu ihren Familien haben und von ihren Wurzeln abgeschnitten sind", erläuterte Schwarz.

Am Wochenende gebe es in Gerasdorf keine Besuchszeiten, sodass in Beschäftigung stehende Eltern de facto Urlaub nehmen müssten, um ihre inhaftierten Söhne zu sehen. Auch das Rauchverbot macht den Insassen zu schaffen. Seither wird dem Wahrnehmungsbericht der Volksanwaltschaft zufolge dort "alles geraucht – nur keine Zigaretten". Die Inhaftierten würden Fensterdichtungen in Zeitungspapier wickeln und das rauchen.

Schwarz und ihr Team empfehlen, jungen Straftäterinnen und Straftätern die Möglichkeit zu eröffnen, ihre Strafen in Jugendabteilungen von Gefängnissen nahe ihrem Wohnort zu verbüßen. Dadurch würde es für sie leichter sein, sich nach Ende der Haft zu resozialisieren. Umgekehrt könnte man Gerasdorf für erwachsene Straftäter nutzen – derzeit ist die Justizanstalt nur zur Hälfte ausgelastet, während andere Gefängnisse, etwa in Eisenstadt, bereits übervoll sind.

Dramatisch schlechtere Bedingungen für Mädchen

Grundsätzlich müsste man aber auch die Haftbedingungen ändern. Gerade weibliche Insassinnen unter 22 Jahren würden teilweise dramatisch schlechter behandelt werden als männliche. Etwa hätten sie kaum Möglichkeiten zur Freizeitbeschäftigung, kritisiert Schwarz.

Frauen und Mädchen kommen viel seltener in Haft als Männer und Jungen: Derzeit befinden sich nur vier Mädchen und 16 weibliche junge Erwachsene in Gefängnissen. Das hat zur Folge, dass sie oft im System untergehen – und keinen Zugang zur Bildung, aber auch zu Möglichkeiten, um Zeit zu vertreiben, haben. Oft gebe es zwar auf dem Papier ein Programm für Jugendliche – etwa werde regelmäßig gemeinsam gekocht oder gebastelt. In der Praxis würden weibliche Insassinnen aber ausgeschlossen, da die meisten Justizanstalten Jungen und Mädchen trennen. Die Volksanwaltschaft empfiehlt, zumindest anzudenken, derartige Angebote für alle Geschlechter anzubieten.

Ein weiterer zentraler Kritikpunkt sei, dass für die Jugendlichen kaum Möglichkeiten bestehen, Sport zu treiben. So dürfen die Jugendlichen seit 2019 Fitnessgeräte nur mehr verwenden, wenn sie dabei von Vollzugsmitarbeiterinnen beaufsichtigt werden. An diesen mangelt es allerdings österreichweit – weswegen das faktisch dazu führe, dass die Minderjährigen sich nicht körperlich betätigen können.

Gute Konzepte, keine Umsetzung

Oft gebe es grundsätzlich Konzepte für die Jugendlichen auf dem Papier, die aber nicht gelebt werden – etwa aufgrund von fehlendem Personal. Das betrifft die haftbegleitende therapeutische und soziale Versorgung, aber auch Ausbildungs- und Freizeitangebote. In der Justizanstalt Innsbruck habe es etwa vor zwei Jahren einen Wasserschaden in der Turnhalle gegeben, der bis heute nicht behoben wurde, erklärte Schwarz.

Ein besonderes Augenmerk will Volksanwältin Schwarz auf den Maßnahmenvollzug richten. Da gebe es "viel Luft nach oben". Obwohl bei jugendlichen Delinquenten Haft grundsätzlich vermieden werden sollte, war bei einem Besuch der Volksanwaltschaft Anfang August von 63 in Gerasdorf untergebrachten Insassen fast ein Drittel – nämlich 19 – als zwar zurechnungsfähig, aber infolge ihrer Persönlichkeitsstruktur gefährlich eingestufte Burschen und junge Männer im Maßnahmenvollzug untergebracht (§ 21 Abs 2 StGB).

Halbjährlich statt jährlich

Nach Verbüßung der konkret über sie verhängten Freiheitsstrafe wurden sie weiter zeitlich unbefristet angehalten, wobei die sogenannte Anlasstat – das Delikt, für das sie verurteilt worden waren – in einigen Fällen eine gefährliche Drohung war, wie es bei der Pressekonferenz hieß. Wann diese Jugendlichen und jungen Erwachsenen wieder auf freien Fuß kommen, war für sie unabsehbar. Das hängt von einem psychiatrischen Gutachten ab.

"Es ist zu überlegen, wie sinnvoll diese Art der Unterbringung für Jugendliche ist", stellte Schwarz fest. Das Konzept des Maßnahmenvollzugs gehöre speziell für diese Gruppe überdacht. Die Volksanwaltschaft regt jedenfalls eine zeitliche Begrenzung und eine Beschränkung auf schwere Straftaten an, zudem sollte alle sechs Monate geprüft werden, ob die weitere Anhaltung noch geboten ist. Derzeit geschieht das üblicherweise – so wie bei Erwachsenen auch – jährlich. Wie lange Personen, die im Jugendalter im Maßnahmenvollzug untergebracht wurden, im Durchschnitt dort bleiben müssen, werde statistisch nicht erfasst. (Muzayen Al-Youssef, APA, 26.9.2022)