ÖVP-Chef Anton Mattle wird nicht mit FPÖ-Chef Markus Abwerzger (Mitte) verhandeln, aber wohl mit SPÖ-Tirol-Chef Georg Dornauer (rechts).

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Innsbruck – Tirols ÖVP-Chef Anton Mattle will "keine Zeit verlieren". Schon am Montagvormittag trat der VP-Landesparteivorstand zusammen, um den Fahrplan für die Sondierungsgespräche festzulegen. Trotz herber Verluste von fast zehn Prozent ist die ÖVP mit 34,7 Prozent erneut als stärkste Partei aus der Landtagswahl am Sonntag hervorgegangen. Mattle will nun mit allen Parteien Gespräche hinsichtlich einer "parlamentarischer Zusammenarbeit" führen, eine Koalition mit der FPÖ schließt er jedoch weiterhin aus.

Als wahrscheinlichste Variante gilt eine schwarz-rote Koalition. Die SPÖ landete mit 17,5 Prozent auf Platz drei und würde zusammen mit der ÖVP auf eine Mehrheit von 21 der insgesamt 36 Mandate im Landtag kommen. Die FPÖ wurde am Sonntag mit 18,8 Prozent erstmals zweitstärkste Kraft in Tirol, allerdings lehnten schon im Vorfeld sämtliche Parteien eine Koalition mit den Freiheitlichen ab, weshalb Landeschef Markus Abwerzger wohl nur die Oppositionsbank bleibt.

Dornauer gegen Dreierkoalition mit Neos

Die von Mattle angekündigten Gespräche lehnt er ab, solange diese nicht eine Koalition zum Inhalt hätten. Für Smalltalk stehe er nämlich nicht zur Verfügung.

Für Tirols SPÖ als möglichen Koalitionspartner komme darauf an, ob man die sozialdemokratischen Vorhaben beziehungsweise das Programm in einer solchen Konstellation "umsetzen" könne, sagte Landesparteichef Georg Dornauer vor Journalisten: "Wir werden uns am Programm orientieren und werden sehen, ob die ÖVP das Land tatsächlich weiterbringen will", blieb der oberste Rote noch etwas in Abwartehaltung. Eine eindeutige Absage kam indes einmal mehr an eine Dreierkoalition mit roter Beteiligung, etwa an ein Bündnis mit ÖVP und Neos. "Das kommt nicht infrage", erklärte Dornauer knapp.

Liste Fritz als großer Sieger

Der Sieger des Wahlabends war die Liste Fritz, die auf 9,9 Prozent zulegen konnte. Spitzenkandidatin Andrea Haselwanter-Schneider interpretierte das Wahlergebnis am Montag als Absage an die bisherige schwarz-grüne Koalition, die Tirol zuletzt neun Jahre regiert hatte: "Die Wähler haben einen ganz eindeutigen Auftrag erteilt. Sie wollen keine Koalition der Verlierer, sondern endlich Taten sehen." Es sei an der Zeit, die Probleme gemeinsam anzupacken, sagte sie und ließ ihren Willen zu einer Regierungsbeteiligung erkennen.

Eine solche wäre für die Liste Fritz allerdings nur im Rahmen einer Dreierkoalition möglich. Zum Beispiel mit den Neos als zweitem Juniorpartner. Die Pinken konnten bei ihrem zweiten Antreten in Tirol ihr Ergebnis mehr oder weniger halten und landeten bei 6,3 Prozent. Neos-Spitzenkandidat Dominik Oberhofer findet ebenfalls Gefallen an der Variante mit der Liste Fritz und der ÖVP, die zusammen auf eine knappe Mehrheit von 19 der insgesamt 36 Landtagsmandate käme.

Allerdings hieß es aus ÖVP-Kreisen, dass man keine Koalition eingehen wolle, die an nur einem Überhangmandat hänge, weil die Gefahr eines Abweichlers dabei zu groß sei. Insofern scheint die Variante Schwarz-Rot, die auf eine satte Mehrheit von 21 Mandaten käme, die wahrscheinlichere.

Wirtschaftsflügel der ÖVP drängt auf schwarz-rote Koalition

Auch aus dem mächtigen Wirtschaftsflügel der Partei kamen Signale, die auf diese Variante hindeuten. So sprachen sich Wirtschaftskammerpräsident Christoph Walser und Wirtschaftsbundobmann Franz Hörl "gegen Experimente" aus. Am Rande der ÖVP-Vorstandssitzung positionierte sich Walser klar: Eine Zusammenarbeit mit den Neos komme für ihn nicht infrage. Auch der schwarze Tourismussprecher Mario Gerber, der zu Mattles Sondierungsteam zählt, bestätigte am Montag seine Vorliebe für eine Zweierkoalition.

Katerstimmung war hingegen bei den Grünen angesagt, die nach neun Jahren als Koalitionspartner an der Seite der ÖVP am Sonntag eine Niederlage einstecken mussten. 9,2 Prozent bedeuteten nur noch Platz fünf und das schlechteste Ergebnis seit 1999 in Tirol. Spitzenkandidat Gebi Mair machte kein Hehl aus seiner Enttäuschung und ließ seine politische Zukunft vorerst offen. Eine erneute Regierungsbeteiligung wäre auch für die Grünen nur im Rahmen einer Dreiervariante möglich.

Gesundheitslandesrätin Leja geht

Unabhängig davon, wer mit der ÖVP koalieren wird, ist bereits jetzt klar, dass sich das schwarze Regierungsteam verändern wird. Die derzeitige Gesundheitslandesrätin Annette Leja gab am Montag in einer persönlichen Erklärung ihren Rückzug aus der Politik bekannt. Gründe für ihren Schritt nannte sie nicht, stärkte aber Mattle in ihrem Statement den Rücken. Auch Bildungslandesrätin Beate Palfrader gab schon im Juni bekannt, sich nach den Wahlen zurückziehen zu wollen.

Die zwei übrigen Landesräte der Volkspartei, Josef Geisler und Johannes Tratter, sind auch Teil des von Mattle präsentierten Verhandlungsteams.

Mattle kündigte nach dem Wahldebakel zwar einen inhaltlichen und programmatischen Prozess an, allzu viel wollte die ÖVP aber über ihren Zustand nicht sprechen, denn Fragen waren bei dem nicht einmal zehnminütigen Statement am Montag nicht gestattet. (Steffen Arora, Laurin Lorenz, 26.9.2022)