Sardar Azmoun (links) hat sich als Unterstützer der Proteste im Iran deklariert und damit seine Teamkarriere riskiert. Kollegen wie Mehdi Taremi (rechts), am Freitag in St. Pölten Torschütze beim 1:0 gegen Uruguay, halten sich – noch – bedeckt.

Foto: AFP/KARIM JAAFAR

Für die Landespolizeidirektion Niederösterreich ist es "bei Gott kein Hochrisikospiel". Auf STANDARD-Anfrage heißt es noch: "Das ist nicht Rapid gegen Austria." Doch für die Fußballer des Iran, die am Dienstag (16.30) in der Südstadt gegen den Senegal testen, ist es sehr wohl ein besonderes Match.

Es ist das zweite, seit im Iran weite Teile der Bevölkerung gegen das Regime und für Frauenrechte demonstrieren, nachdem Mahsa Zhina Amini (22) nach ihrer Festnahme durch die Sittenpolizei ins Koma gefallen und verstorben war. Das erste fand am Freitag in St. Pölten statt, der Iran schlug Uruguay mit 1:0. Mehr Notiz nahm die Welt davon, dass mehrere Personen, die Plakate mit einem Bild Aminis mitgebracht hatten, von Sicherheitskräften aus dem Stadion geleitet wurden. Dabei waren gar keine Eintrittskarten verkauft worden, allein der iranische Verband hatte etliche Dutzend Tickets verteilt.

Doch dem Iran, das lässt sich sagen, ist vieles entglitten. Während das Regime mit Brutalität die Aufstände zu unterdrücken versucht, solidarisieren sich immer mehr bekannte Persönlichkeiten – Schauspielerinnen, Sänger und auch Sportstars – mit den Demonstrierenden. Unter anderem im Handball, Fechten und Judo traten zuletzt etliche Spitzensportler aus ihren Nationalteams zurück.

Der vielleicht Berühmteste, der den Aufstand unterstützt, ist Ali Karimi. Der heute 43-Jährige war Asiens Fußballer des Jahres 2004, ehe er nach München wechselte und mit den Bayern das Double holte. In 129 Länderspielen traf er 38-mal. Vor wenigen Monaten ist Karimi, der lange schon als regierungskritisch galt, mit seiner Familie nach Dubai übersiedelt. Nun nimmt er sich kein Blatt mehr vor den Mund. "Hab keine Angst vor starken Frauen", twitterte er. "Vielleicht kommt der Tag, an dem sie deine einzige Armee sind." Die Forderung einiger Mullahs, Karimis Besitztümer im Iran einzuziehen, soll er mit "Das ist mir scheißegal" quittiert haben. Mag sein, dass er sich dieses Auftreten in jeglicher Hinsicht leisten kann, beispielhaft ist es allemal.

Sardar Azmoun (27), der seit Jänner für Bayer Leverkusen in der deutschen Bundesliga spielt, war am Freitag noch für das Nationalteam gegen Uruguay im Einsatz. Danach konnte er nicht mehr an sich halten und bekundete den Protestierenden in der Heimat via Instagram seine Solidarität. Dabei beschrieb er auch den Druck, der auf die Teamspieler ausgeübt werde. Es gebe "eine Regel, wegen der wir bis zum Abschluss unseres aktuellen Trainingslagers nichts sagen dürfen". "Aber", so schrieb Azmoun weiter, "ich kann das Schweigen nicht mehr ertragen."

Azmoun in Rage

Es wäre keine große Überraschung, würde Azmoun, der bei 61 Länderspielen (39 Tore) hält, heute gegen den Senegal fehlen. "Wenn sie mich aus dem Team streichen wollen, ist das nur ein Opfer für das Haar einer iranischen Frau. Dieser Beitrag kann auf keinen Fall gelöscht werden. Schämt euch, die ihr Menschen seid. Ihr bringt sie so leicht um. Lang lebe die iranische Frau." Seine Teamkollegen halten sich – noch – bedeckt. Gut möglich, dass sie nicht die WM-Teilnahme in Katar riskieren wollen, wo sie sich ins Rampenlicht und zu westlichen Vereinen spielen könnten.

Beim Spiel gegen den Senegal wird es sich nicht nur im, sondern auch vor dem Stadion abspielen. In der Südstadt ist ab 15 Uhr eine Demo mit bis zu hundert Teilnehmern angemeldet, es könnten auch mehr werden. Der seit 2015 in Wien lebende Journalist Payam Younesipour, Redaktionsmitglied von Iran Wire, kann sich nicht vorstellen, dass das Match abgesagt wird. "Die Islamische Republik Iran versucht der Welt zu zeigen, dass alles unter Kontrolle ist."

Laut Younesipour ist bereits klar, dass Azmoun kein Teamspieler mehr sei und gegen den Senegal nicht spielen werde. Im iranischen Teamhotel während des Trainingslagers hielten sich, sagt er, praktisch permanent Vertreter des iranischen Informationsministeriums und Botschaftsmitglieder auf.

In exiliranischen Kreisen kursiert, Angehörige der Botschaft in Wien seien angehalten, Demonstrationen zu dokumentieren und Teilnehmende zu fotografieren und zu filmen. Die Empörung darüber ist groß, sie wird seit gestern früh auch bei einem Sitzstreik vor dem Uno-Zentrum in Wien-Donaustadt zum Ausdruck gebracht. Ziel ist es, den Uno-Menschenrechtsrat zu einer Resolution zu bewegen. (Fritz Neumann, 27.9.2022)