Gibt’s den Helios noch von Multiplex?" – "Von Aeronaut is der." – "Ah, ja!" Keine Frage, hier sind Fachleute unter sich. Unter einem Himmel, der nicht voller Geigen, sondern – viel besser – voller Modellflugzeuge hängt, unterhalten sich zwei Herren gesetzteren Alters mit Gerd Kirchert, dem Seniorchef von Modellbau Kirchert. Der steht trotz seiner 81 Jahre immer noch regelmäßig im Geschäft, obwohl er bereits vor fast zwei Dekaden an Sohn Gerold übergeben hat. Aber was soll man sagen, Hobbys gehen nicht in Pension.

Davon haben auch Herbert Muck und Ernst Heuduschek einiges zu erzählen, sie sind Stammgäste hier und passionierte Modellflieger, seit Jahrzehnten. Mindestens einmal pro Woche kommen sie hierher, auch als Modellbauer sucht man die Sozialisation. Ob sie sich noch erinnern können, wie sie die Leidenschaft zum Miniaturflug gepackt hat? "Na kloa", brummt Muck. "Und zwar hab i a bissl falsch angfangt, weil i hab gleich mit einer Motormaschin begonnen. Das war das Modell ,Taxi‘ von Graupner. I kann mi no gut erinnern an meinen ersten Flug. I hab ma denkt, das kann doch net so schwer sein …" Allgemeines Gelächter. Man versteht einander nur zu gut. Erst recht, als Muck nachsetzt: "Des Bauen is mindestens so schön wie das Fliegen. Und wenn man einmal anfangt, dann hört man eh nimmer zum Bauen auf. Und zum Reparieren."

Vor zwei Dekaden übergab Gerd Kirchert (li.) an Sohn Gerold, steht aber nach wie vor im Laden.
Foto: Heribert Corn

Andere Spinner

Heuduschek hat klassischer angefangen, mit einem Segler. "Mein erster war der ,Dandy‘ von dir", sagt er, und Kirchert senior nickt wissend: "1967 war das." Seit dem 64er-Jahr gibt es den Kirchert, damals noch eins von vielen Modellbaugeschäften, heute recht einsam auf weiter Flur. Billige Fernostimporte und natürlich das Internet haben zur Ausdünnung beigetragen. Online gibt es zwar enorme Warenvielfalt, aber "die Beratung, die ist viel wert", meint Heuduschek. "Gerade als Anfänger braucht ma des, dass einem wer die ersten Schritte erklärt. Und er", Heuduschek nickt in Richtung Kirchert senior, "er waaß des natürlich ois." Und dann erzählt er von der Zeit, in der Klebeband eine ganz neue Erfindung war. "Mit de Tixobandln hamma einen Zwirn auf die Segelflieger pickt, damit ham wir sie einghalten, damit die im Kreis fliegen. Das war eine Sensation damals!"

Wieso eigentlich ausgerechnet Flieger? Es gibt ja auch Schiffe oder Autos … "Hamma eh auch, de san so nebenbei", grinst Heuduschek. Und Kirchert senior wirft trocken ein: "Des san wieder andere Spinner."

Foto: Heribert Corn

Bei Modellbau Kirchert ist man auf Flug- und Holzmodelle spezialisiert, was sich auch im L-förmigen Verkaufsraum nicht leugnen lässt – zwischen den hunderten Miniaturfliegern weht ein Duft von verbranntem Holz. "Das kommt vom Laserschneide- und Graviersystem", erklärt Kirchert junior und deutet auf eine bürokopierergroße Kiste hinten. Hier kann man sich aus dünnen Holzbrettern via Computersteuerung Teile ausfräsen lassen – millimetergenau und darunter, von Bauteilen für Architekturmodelle bis hin zu hauchfeinen Ornamenten. Kirchert hält eines davon mit der Pinzette hoch, es sieht aus wie ein winziges Stück Spitze: "Das ist ein Balkongeländer."

"Ohne Spezialwissen ist die Arbeit kaum machbar. An Normalen kann i da net ins Gschäft reinstellen." Gerold Kirchert, Juniorchef

Der Shop selber plus Büro hat etwa 100 Quadratmeter, mit Lager sind es circa 320 – Platz für wie viele verschiedene Artikel? "Im Computer hab ich derzeit 30.000." Dazu kommt das in Österreich wahrscheinlich größte Archiv von Modellbauplänen aller Art. Was sich am besten verkauft? "Das ist ganz unterschiedlich, aber unser Schwerpunkt ist sicherlich Holz. Brettchen, Leisten … alles Mögliche, ich hab allein zehn Laden mit lauter Kleinteilen für historische Schiffe." Davon stehen auch ein paar im Geschäft, fertig zusammengebaut, stolze Zeugnisse tausender Arbeitsstunden. Das größte davon, ein über einen Meter langes Modell des historischen französischen Kriegsmarinedreimasters Le Superbe, Maßstab 1:75, ist käuflich erwerbbar: "Der Kunde hat von seiner Frau die Auflage bekommen, dass er mindestens eines seiner fertiggebauten Modelle verkauft oder wenigstens irgendwo anders unterbringt."

Dampfmaschinen und Untertassen

Den kompletten Bausatz für die Superbe und viele andere Schiffe, mit laservorgeschnittenen Einzelteilen sorgsam in einer Schachtel verpackt, gibt es natürlich auch – das ultimative 3D-Puzzle. Auch hier gilt: Das Zusammenbauen ist der eigentliche Spaß. Wie bei so vielen Hobbys, bei denen es nicht ums Resultat geht, sondern um den Weg dorthin, ums Machen, ums Lösungenfinden, allein oder gemeinsam. Auch dafür dient das Geschäft als Anlaufstelle: Kunden aller Altersgruppen kommen mit Ideen für Projekte, und Kirchert berät und begleitet bei der Umsetzung.

"Es ist unheimlich spannend, weil jeden Tag neue, ungewöhnliche Aufgaben auf uns zukommen." Vom gefrästen Stempel mit dem Firmenlogo des benachbarten Keramikateliers bis zu Bühnenbau für Theater und Film – hier werden alle Maßstäbe unterstützt. "Wir haben sogar einmal eine riesige gefräste fliegende Untertasse gemacht, achteckig, aus Schaum und Holz. Die ist mit einem Verbrennungsmotor geflogen, ferngesteuert!" Auch für Kinder gibt es Spannendes, von glänzenden Dampfmaschinen bis zu modernen Fischer-Technik-Modellen. Nur was Modelleisenbahnen anbelangt, ist das Angebot eher kleiner – schließlich gibt es in dem Bereich noch einige spezialisierte Fachgeschäfte.

Foto: Heribert Corn

Normal oder super

"Generell ist Modellbau ja nicht eingeschränkt auf Flug- und Fahrzeuge", meint Kirchert junior. "Für mich persönlich bedeutet Modellbau viel mehr als das ferngesteuerte Auto, Schiff oder Flugzeug. Es gibt zum Beispiel auch die Tabletop-Spieler, die sich selber oft riesige Spiellandschaften bauen. Da gibt es die verschiedensten Kategorien, die man nachspielen kann, vom Unabhängigkeitskrieg in Amerika bis zum Weltraumszenario." Diese Modelle entstehen hauptsächlich aus Hartschaum, spezielle Anleitungen, Heißdrahtschneidemaschinen und Beratung gibt’s natürlich auch hier im Shop.

Ist Modellbau auch ein privates Hobby? "Jein. Wir haben fünfeinhalb Tage in der Woche geöffnet, ich baue mit meinen Kunden mit. Für privat bleibt mir da eigentlich nicht mehr so viel Zeit." Noch dazu, wo Kirchert junior und senior allein im Geschäft stehen. Eine Bürohilfe würde zwar durchaus benötigt, ist aber schwer zu finden, ohne Spezialwissen ist die Arbeit kaum machbar: "An Normalen kann i da net reinstelln!"

Inzwischen ist Herr Heuduschek zum Aufbruch bereit, die beeindruckend große Beute des Tages hat er sorgsam eingepackt unter den Arm geklemmt. Was wird es diesmal? "Ein Segler mit fünf Metern Flügelspannweite. Maßstab 1:2,5", und er grinst wie ein Lausbub. "Wissen S’, je älter man wird, desto größer werden die Flieger. Weil man die kleinen einfach nimmer so gut sieht!" (Gini Brenner, 28.9.2022)