Die Welchselwirkung von Wald und Wasser ist komplex.

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Sauberes, klares Wasser quillt in Kaiserbrunn im niederösterreichischen Höllental aus dem Berg und versorgt die rund 100 Kilometer entfernte Stadt Wien seit fast 150 Jahren mit bestem Trinkwasser. Damit das so bleibt, steht das Einzugsgebiet des Quellwassers im Rax-Schneeberg-Schneealpen-Massiv seit 1965 unter wasserrechtlichem Schutz. Auf diesen Status ist auch die Pflege der Wälder in diesem Gebiet abgestimmt.

Schließlich spielen Wälder eine wichtige Rolle für den Wasserhaushalt. Die Pflanzen und der Boden eines Waldes filtern und speichern Niederschläge und verdunsten einen Teil des Wassers wieder. Sie sorgen so für die Reinigung des Wassers, für Kühlung und den langsamen Abfluss von Niederschlägen in die Gewässer. Bewachsener Boden verringert die Erosion, also das Abschwemmen von fruchtbarem Boden in Flüsse und Seen. Totholz, das im Wald liegen bleibt, speichert Wasser wie ein Schwamm.

Besondere Waldpflege im Schutzgebiet

Die Forstverwaltung Quellenschutz der Stadt Wien setzt in den 32.900 Hektar großen Quellenschutzwäldern von Rax-, Schneeberg und Hochschwabgebiet deshalb auf mehrere Maßnahmen, um diese Funktionen des Waldes zu erhalten. Wie diese gestaltet sind, erfuhren die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Konferenz der International Union of Forest Research Organizations (IUFRO), die von 21. bis 23. September in Wien stattfand, im Rahmen einer Exkursion nach Kaiserbrunn. Pflegemaßnahmen erfolgen nur kleinflächig, bei Arbeiten im Wald wird der Boden geschont, Nadelstreu und abgestorbene Bäume bleiben im Wald, die Anzahl des Wildes wird auf einem verträglichen Maß gehalten, gleichaltrige Fichtenforste aus früheren Zeiten werden schrittweise in laubholzreiche Bergmischwälder überführt.

Länger andauernde und durch den Klimawandel bedingte Trockenperioden können Forste bedeutend schwächen. Infolgedessen fehlt betroffenen Wäldern die Widerstandskraft, was sie anfällig für Schädlinge wie den Borkenkäfer, aber auch für Waldbrände macht.
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Wissen verbreiten

30 Prozent der Landfläche der Erde sind mit Wäldern bedeckt. Sie beeinflussen nicht nur den Wasserabfluss, sondern können durch Windverfrachtung von Feuchtigkeit auch großflächig den Wasserkreislauf wieder in Gang bringen, sagt Irena Creed von der University of Toronto Scarborough. Im Detail hängt die Wechselwirkung zwischen Wald und Wasser aber von der Höhenlage, dem Klima, den Niederschlägen, den Baumarten, der Geologie, den Bodenverhältnissen und der Nutzung ab.

Die vielfältigen Aspekte der Wald-Wasser-Beziehungen in aller Welt haben Forschende deshalb in einem 188 Seiten starken IUFRO-Report zusammengefasst, der 2018 von Irena Creed und Meine van Noordwijk herausgegeben wurde. Er behandelt die Hydrologie, den Klimawandel, Veränderungen der Landnutzung, Managementmethoden und die Rolle von Gesetzen. Wie diese Erkenntnisse den Waldbesitzern und -bewirtschaftern, der Politik und der Bevölkerung nahegebracht werden können, wurde bei der Waldforschungskonferenz in Wien intensiv diskutiert.

Ausgedünnte Wälder

Es sei wichtig, Entscheidungsträger von der lokalen bis zur EU-Ebene über wissenschaftliche Erkenntnisse zu informieren, erklärte Lars Högbom von Skogforsk, dem Forschungsinstitut für Forstwirtschaft in Schweden. Die Vermittlung an Praktiker im Wald sei aber genauso entscheidend. Um den Boden zu schonen, könne man etwa Matten oder Äste auflegen, bevor man mit dem Harvester – einer Holzerntemaschine – in den Wald fährt.

Ebenso könne man eine temporäre Brücke über einen Bach legen, statt mit dem schweren Gerät einfach quer durchzufahren. John Stanturf, pensionierter Mitarbeiter des Forest Service der USA, ist Gastprofessor an der Universität für Lebenswissenschaften in Estland und arbeitet in Usbekistan und Kirgistan an einem Forschungsprojekt mit, bei dem degradierte Bergwälder wiederhergestellt werden sollen. Diese Wälder seien durch Überweidung und fehlendes Management ausgedünnt, der Boden dadurch nicht mehr geschützt, was bei Starkniederschlägen immense Auswirkungen habe: "Es gibt enorme Überschwemmungen und Schlammlawinen, die Infrastruktur zerstören und Menschenleben fordern."

Schutzfunktion stärken

Da es bisher für diese Region wenig Daten über Wetter, Boden und Wasser gebe, müsse man diese Lücke füllen und dann Empfehlungen für eine nachhaltige Landnutzung an die Politik, die Behörden und die Bevölkerung geben. Das sei auch deshalb wichtig, weil es sich um das Wassereinzugsgebiet des Aralsees handle, der durch Übernutzung mehr und mehr austrocknet.

Wälder sind angesichts des Klimawandels wichtig für den Wasserhaushalt und die Wasserversorgung, sie leiden aber gleichzeitig unter den Folgen der Klimaveränderung. Längere Trockenperioden schwächen die Bäume und machen sie anfälliger für Schädlinge und Krankheiten. Trockenheit und geschwächte Bäume erhöhen wiederum die Gefahr von Waldbränden. Selbst im Einzugsgebiet der Kaiserbrunnquelle mit durchschnittlich 1200 Millimeter Jahresniederschlag brach im Oktober 2021 ein größerer Waldbrand aus, der erst nach 13 Tagen gelöscht werden konnte.

Der Klimawandel erhöhe die Gefahr von Waldbränden, Verursacher sei in Österreich aber zu 95 Prozent der Mensch, betont Florian Kraxner, Forstforscher am Internationalen Institut für Angewandte Systemanalyse (IIASA) mit Sitz in Laxenburg. Er hat deshalb ein Forschungsprojekt initiiert, bei dem eine Karte des zukünftigen Feuerrisikos in Österreichs Wäldern erstellt werden soll. Damit sollen dann Gemeinden, Einsatzkräfte, politische Entscheidungsträger, Tourismusverantwortliche und Wanderer oder Mountainbiker sensibilisiert werden. "Schon Kinder müssen lernen, wie wir den Wald schützen können", sagt der Forscher.

Regionale Baumarten

In Südeuropa, wo im heurigen Jahr wieder Waldbrände wüteten, sei ein Umbau des Waldes nötig, um die Brandgefahr zu verringern und gleichzeitig die Biodiversität zu erhöhen und den Wasserhaushalt zu verbessern, erklärt Sandra Luque vom französischen Institut national de la recherche agronomique (INRAE). Dafür müsse man regionale Baumarten fördern. Denn die nicht natürlich vorkommenden Eukalyptusplantagen in Spanien etwa verbrauchen sehr viel Wasser, statt den Wasserhaushalt positiv zu regulieren, und brennen durch ihren hohen Gehalt an ätherischen Ölen wie Zunder.

"Wir haben in den vergangenen Jahren viele Fortschritte in der Forschung zu den Zusammenhängen zwischen Wald und Wasser gemacht", resümiert Irena Creed, "jetzt müssen wir eng mit den Verantwortlichen für das Management und der lokalen Bevölkerung zusammenarbeiten, um sicherzustellen, dass diese Erkenntnisse genutzt werden können." (Sonja Bettel, 2.10.2022)