Was genau das Ziel des Ukraine-Angriffs ist, dazu lässt sich der Kreml weiterhin nicht wirklich in die Karten schauen. Deutlich gemacht hat Sprecher Peskow am Mittwoch aber, dass es aus Sicht der Regierung die Kampfhandlungen bis zur Einnahme der Region Donezk weitergingen.

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Geht es nach den Separatisten, soll nun alles ganz schnell gehen: Der selbsternannte Präsident der nur von Russland, Syrien und Nordkorea anerkannten "Volksrepublik Luhansk", Leonid Pasetschnik, hat am Mittwoch um eine Angliederung seines Gebietes an Russland ersucht. Er begründete das mit dem Ergebnis des Scheinreferendums der vergangenen Tage. Die von ihm geführte "Volksrepublik" liegt auf dem Territorium der Ukraine. Gleichfalls um einen Anschluss an Russland ersuchte der von Russland eingesetzte Militärverwalter der ukrainischen Region Cherson, die aktuell zu großen Teilen von Russland besetzt ist.

Die sogenannten Referenden wurden in den vergangenen Tagen abgehalten, sie fanden nicht unter demokratischen Bedingungen statt. Zum Teil wurden Menschen von Bewaffneten zum öffentlichen Ausfüllen der Stimmzettel gedrängt. Auch bei der Auszählung gab es Betrug, wie offizielle Fotos nahelegen, auf denen zu sehen ist, wie offenkundig leere Stimmzettel ausgewertet werden. Russland selbst teilte am Mittwoch mit, die Abstimmungen seien "im Einklang mit internationalem Recht" gestanden – was in der Weltgemeinschaft sonst allerdings kaum jemand so sieht.

Wann es eine offizielle Entscheidung über den Anschluss der beiden Gebiete ebenso wie der teilweise von Russland besetzten ukrainischen Region Saporischschja und der "Volksrepublik Donezk" geben soll, ist unklar.

Russlands Präsident Wladimir Putin will sich vorerst noch nicht zu den Referenden äußern, hieß es am Mittwoch in einer Mitteilung der staatlich kontrollierten Agentur Ria Nowosti. Aus der Duma war zuvor der 4. Oktober als möglicher Termin für eine Befassung genannt worden. Aus der russischen Regierung war mehrfach die Andeutung zu vernehmen, dass die Gebiete nach einem Anschluss als russisches Gebiet gesehen werden, das dem restlichen Land gleichstehe. Verbunden hat man das mit dem Hinweis, dass Angriffe auf Gebiete, die von Moskau als russisches Territorium erachtet werden, auch mit den nuklearen Verteidigungskräften des Landes beantwortet werden könnten.

Mindestziel Donezk

Aus dem Kreml gab es am Mittwoch dafür eine andere Meldung. Russland sehe es als sein "Mindestziel" in der Ukraine an, die vollständige Kontrolle über die Region Donezk, auf deren Gebiet die von Russland anerkannte "Volksrepublik Donezk" liegt, zu erlangen, so Sprecher Dmitri Peskow. Bis dahin gebe es kein Ende der Kämpfe. Derzeit halten russische Soldaten sowie – formell – solche der "Volksrepubliken" rund 60 Prozent der Region. Luhansk wird hingegen fast vollständig von ihnen kontrolliert.

Allerdings steht Russland derzeit in der Region Donezk eher unter Druck. Rund um die aktuell von Russland besetzte Stadt Lyman im Norden der Region versucht die ukrainische Armee derzeit einen Kessel um die verbleibenden russischen Soldaten zu schließen. Lyman, rund 20.000 Einwohner zählend, liegt auf der Nachschubstrecke zur Stadt Slowiansk, die Russland wegen ihrer strategischen Bedeutung einnehmen müsste, will es die ganze Region kontrollieren. In der Großstadt Charkiw fiel am Mittwoch nach russischem Beschuss in manchen Gebieten die Stromversorgung aus.

Einberufungsbefehl für bereits Aktive

Zudem läuft die vom Kreml ausgerufene "Teilmobilmachung", die in mehreren Landesteilen allerdings eher einer Einberufung fast aller infrage kommenden Männer gleichkommt, weiter nicht so wie von der russischen Regierung erhofft. Unter anderen gibt es Meldungen, wonach auch bereits Verstorbene und Kranke eingezogen werden. Episodenhaft ist auch davon zu hören, dass Soldaten nun Einberufungsbefehle erhalten haben, die bereits in der Ukraine im Einsatz sind. Außerdem ist nach Berichten der Plattform Insider ein Teil des russischen Biathlon-Teams zum Kampf eingezogen worden. Der zuletzt begonnenen Fluchtbewegung wehrtüchtiger Männer will Moskau offenbar ein Ende bereiten. An der Grenze zu Georgien soll es am Mittwoch Einschränkungen bei der Ausreise gegeben haben, auch von Grenzübergängen aus Russland nach Norwegen wurden weniger Übertritte als zuletzt gemeldet.

Die USA haben aus diesem Grund nun am Mittwoch erneut ihre Bürgerinnen und Bürger zum Verlassen des Landes aufgefordert. Nicht zuletzt deshalb, weil Russland keine US-russischen Doppelstaatsbürgerschaften anerkenne, könnten Amerikaner, die auch einen russischen Pass haben, ansonsten an die Front beordert werden, hieß es in der Mitteilung aus Washington. (red, 29.9.2022)