Nach Wlaznys kurzer Ansprache gab es in St. Pölten viele Selfies und Autogramme.

Foto: www.corn.at , Heribert Corn

Es geht beschaulich zu an diesem sonnigen Mittwoch in St. Pölten. Es ist Mittagszeit, die Straßen der Fußgängerzone bevölkern vor allem Pensionistinnen und Jungeltern mit Kinderwägen. Die Schanigärten der Lokale sind trotz des freundlichen Wetters noch eher dünn besetzt. Ruhige Stimmung, wie sie um diese Uhrzeit eben herrscht, in einer österreichischen 50.000-Einwohner-Stadt.

Wer sich aber den Weg zum Rathausplatz bahnt, wird überrascht. Mitten auf dem Platz, zwischen Dreifaltigkeitssäule und Pfarrkirche, steht ein kleiner Lkw. Aus seinem Inneren dröhnt Punk-Musik, ein paar junge Menschen in Sneakers und Kapuzensweatern stehen rundherum. Auf ihren T-Shirts wie auf dem Lkw steht: "Mei‘ Präsident".

Um punkt zwölf Uhr kommt er dann auch, der um den es hier geht: Ein junger Mann, hochgewachsen, lange Haare bis in den Nacken, betritt die Hebebühne des Kleinlasters. "Auf meiner Wahlkampftour schau' ich heut' auch in Sankt Pölten vorbei", sagt er. "Warum? Weil's schön ist." Der Mann im schwarzen Sakko heißt Dominik Wlazny. Die meisten hier kennen ihn aber unter seinem Künstlernamen Marco Pogo. Der 35-Jährige ist Mediziner, Musiker, Gründer der Bierpartei – und steht am 9. Oktober auf dem Stimmzettel für die Bundespräsidentenwahl. Als mit Abstand jüngster der insgesamt sieben Bewerber.

Mit dem richtigen Besteck essen

"Ich bin aber auch da, weil ich euch ein paar Sachen persönlich sagen will", sagt Wlazny ins Mikrofon, "ein paar Sachen, die mir wichtig sind." Es gebe aktuell zu viele Krisen gleichzeitig, einen Krieg in der Ukraine, eine Gesundheitskrise, eine politische Krise. Umso wichtiger sei es nun, das Amt des Bundespräsidenten mit Werten aufzufüllen. "Und wenn diese Werte verletzt werden", sagt der Wiener, "dann kann man auch laut werden."

Die Wahlkampfrede kam von der Hebebühne.
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Es brauche einen Eignungstest für Ministerinnen, wiederholt er eine seiner zentralen Wahlkampfforderungen – auch wenn die ein Bundespräsident gar nicht durchsetzen kann. Und: Er wünsche sich ein "Zukunftsministerium", das die vielen drängenden Probleme unserer Zeit angehen soll. Was es eigentlich als Eignung zum Bundespräsidenten brauche, fragt er sich danach selbst. "Geht es darum, bei einem Staatsbesuch mit dem richtigen Besteck essen zu können? Oder mit der Frau Biden einen Walzer tanzen zu können?" Wenn es das sei, sagt der Sänger der Punkband Turbobier, "dann geht sich das aus". Viel wichtiger sei aber das angesprochene Einstehen für die eigenen Werte.

"Wer hat dem Rosenkranz sein Österreich weggenommen?"

Auch ein paar Seitenhiebe gegen seine Mitbewerber sind dabei – etwa gegen FPÖ-Kandidat Walter Rosenkranz, der "Holen wir uns unser Österreich zurück!" als Wahlkampfmotto ausgab. "Wer hat dem Rosenkranz eigentlich sein Österreich weggenommen?", fragt Wlazny von der Bühne. Gelächter im Publikum.

Nach rund zehn Minuten ist die Rede des Punkrockers und Politikers – mit seiner ursprünglich als Satireprojekt gegründeten Bierpartei gelang ihm bei der Wien-Wahl 2020 der Einzug in die Bezirksvertretung – auch schon wieder vorbei. Wlazny steigt von der Hebebühne, die Besucher scharen sich um ihn.

Und das Publikum auf dem St. Pöltner Rathausplatz ist jung. Auch zahlreiche Schülerinnen und Schüler dürften ihre Mittagspause für einen Besuch genützt haben. Nachteil für Wlazny: Die meisten von ihnen sind noch gar nicht wahlberechtigt. Viele der Jugendlichen wollen Selfies und Autogramme. "Na sicher!" und "Natürlich", beantwortet er jede der Anfragen geduldig. Aber nicht alle hier wissen auch genau, mit wem sie es zu tun haben. "Wer ist das überhaupt?", fragt eine Teenagerin. "Keine Ahnung", sagt ihre Freundin mit Schultasche.

"Die Jungen sind die Zukunft"

Wahlkampfleiter Michael Wlazny – keine zufällige Namensgleichheit, er ist der Vater des Präsidentschaftskandidaten – koordiniert unterdessen die Medienwünsche. Auch der ORF und die "Niederösterreichischen Nachrichten" sind gekommen. Die Wahlkampfhelfer in den Kapuzenshirts verteilen "Mei‘ Präsident"-Aufkleber. Eine knappe Stunde nach Beginn ist Wlaznys Auftritt auch schon wieder vorbei. Das Publikum geht seines Weges, die Musik verstummt, Niederösterreichs Landeshauptstadt hat ihre Mittagsruhe wieder. Auch die Schülerinnen und Schüler zerstreuen sich in alle Richtungen.

Das Publikum beim Marco-Pogo-Auftritt war deutlich jünger als bei anderen Präsidentschaftskandidaten.
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"Des soll jetzt ned deppat klingen", sagt Wlazny im Gespräch mit dem STANDARD. "Aber die Jungen sind unsere Zukunft." Man müsse versuchen, sie in den demokratischen Prozess zurückzuholen, statt sie zu ignorieren. "Das sind keine Schulschwänzer", sagt Wlazny. "Das sind junge Menschen, die man ansprechen muss." Zu viele von ihnen fühlten sich von der Politik nicht gehört, die Pandemie habe das nicht gerade besser gemacht.

Was er sich realistisch für den Wahlabend erwarte? "Das Ziel ist, Präsident zu werden", sagt Wlazny. Noch wichtiger sei aber zu zeigen, dass man mit Politik etwas bewegen könne. Sprach's und stieg in einen roten Van. Es muss weitergehen. Schon um 17 Uhr wartet der nächste Wahlkampfauftritt auf dem Salzburger Mozartplatz. "Um die Zeit wird es sicher noch ein bisschen voller werden", sagt Wlazny. In St. Pölten hat der Marco-Pogo-Auftritt indessen bereits Spuren hinterlassen: Auf einigen Bänken auf dem Rathausplatz kleben jetzt "Mei’ Präsident"-Sticker. (Martin Tschiderer, 29.9.2022)