Ein Jahr nach der Ankündigung des Tesla-Roboters sind die Erwartungen nicht kleiner geworden.

Foto: Tesla

Man kann zu Elon Musk stehen, wie man möchte – den Zug zum Tor kann man dem Visionär jedenfalls nicht absprechen. Selbst wenn er nicht immer trifft. Eine Zukunft mit autonomen Elektroautos und eine Mission zum Mars sind ihm nicht genug: Humanoide Roboter von Tesla sollen die nächste Revolution einläuten, wenn es nach dem Visionär geht. Die Herausforderungen dafür sind nicht weniger zu unterschätzen.

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Eigentlich hätte der Tesla-Bot, wie das Projekt ursprünglich hieß, bereits letztes Jahr das Licht der Welt auf dem hauseigenen AI Day in Palo Alto erblicken sollen. Stattdessen bekam man eine charmante Ausrede des Multimilliardärs zu sehen: Was anfangs noch wie ein Cybercop aus einem Sci-Fi-Blockbuster anmutete, entpuppte sich rasch als echter Tänzer, der nur als Roboter verkleidet war.

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Eine neue Vision nimmt Gestalt an

Die Erwartungen sind ein Jahr später dennoch nicht kleiner geworden, und Musk wird nicht müde, den mittlerweile in Optimus umbenannten Roboter (in Anlehnung an Optimus Prime aus dem Sci-Fi-Franchise "Transformers") selbst laufend ins Spiel zu bringen. So gibt es neben seiner Ankündigung, bis 30. September möglicherweise einen "working prototype" zu Optimus vorstellen zu können, einige, teils sehr konkrete Details zum Aussehen und den Fähigkeiten des Humanoiden.

Demnach soll Optimus 1,73 Meter groß sein, 57 Kilo wiegen und sich maximal mit einer Geschwindigkeit von rund acht Kilometern pro Stunde fortbewegen können. Im Kreuzheben will man den Roboter mit knapp 70 Kilogramm und für das Tragen von Gegenständen mit bis zu 20 Kilogramm belasten können.

Tatsächlich hegt Musk große Hoffnungen in Optimus: Der Einsatz des Roboters soll sich künftig nicht nur auf Tesla-Fabriken beschränken, er soll auch Einzug in Privathaushalten finden, ließ Musk durchblicken: Die Roboter könnten Arbeiten in Haus und Garten übernehmen, bei der Altenpflege aushelfen – und sogar als Sexualpartner herhalten. Dass die Ziele sehr ambitioniert scheinen, verdeutlicht aber vor allem ein Blick auf die gegenwärtige Entwicklung bei humanoiden Robotern.

Nicht nur eine Frage der Beinarbeit

Im STANDARD-Gespräch mit Robotikexperte Markus Vincze von der TU Wien wird schnell klar, dass der Weg zum stahlharten Buddy im Alltag noch ein sehr weiter sein dürfte. Bisherige Vorzeigeprojekte wie der Atlas oder der Spot von Boston Dynamics hätten zwar den Vorteil, dass sie mechanisch mit kleinen und besonders kräftigen Antriebssystemen schon sehr weit fortgeschritten und robust seien.

Boston Dynamics

"Der Nachteil aber ist, dass im laufenden Betrieb viele Ingenieure notwendig sind um zu kontrollieren, dass der Roboter richtig darauf reagiert, was er zu sehen glaubt", sagt Vincze. Zudem würden die Roboter im Gegensatz zu einer normalen Alltagssituation meist in kontrollierten Umgebungen gezeigt, wo die Wahrnehmung mit speziellen Markern zusätzlich erleichtert wird.

Abgesehen von der Faszination für die technische Machbarkeit stellt sich überhaupt die Frage, ob für Optimus und seine vorgesehenen Einsatzzwecke Beine notwendig wären. Im Gegensatz zu sieben Motoren pro Bein, die man für eine Nachbildung der sieben Freiheitsgrade des menschlichen Beins benötigt, wäre eine radgetriebene Umsetzung mit zwei Motoren einfacher umzusetzen und käme mit den meisten Situationen in Haushalten zurecht. "Das betrifft im Übrigen auch die Fertigung in Fabriken, die in der Regel so gebaut ist, dass ein Gehen nicht zwingend erforderlich scheint. Im Gegenteil, dort wird für eine sehr geordnete und plane Umgebung gesorgt", sagt Vincze.

Eigene Gesetze

Mit einem tanzenden Roboter allein wird Elon Musk Expertinnen und Experten am AI Day jedenfalls nicht beeindrucken. Eine wirkliche Herausforderung für Optimus wäre es hingegen, wenn er beispielsweise einen ungeordneten Fertigungstisch aufräumen oder sortieren könnte, erklärt Vincze: "Ich kenne fast keinen Greifer, der Teller stapeln kann. Das Nehmen von der Seite ist perfekt für menschliche Finger, es gibt aber derzeit noch keine Roboterfinger, die das annähernd präzise erreichen können."

Zu diesen mechanischen Herausforderungen kommt hinzu, dass sich das Mooresche Gesetz, wonach sich Computerleistung regelmäßig verdoppelt, in der Robotik nicht anwenden lässt. Laut Vincze werde die benötigte Hardware jährlich nur drei bis fünf Prozent besser. Und der Aufwand, Datensätze in der Welt um den Roboter wahrzunehmen und zu verarbeiten, sei ungleich größer als sie direkt von einer künstlichen Intelligenz verarbeiten zu lassen.

Man stehe im Prinzip vor dem gleichen Problem wie beim autonomen Fahren: "Eigentlich muss man jede Situation einmal gesehen haben, um richtig reagieren zu können. Es ist aber praktisch unmöglich, sich jede Situation im Vorfeld ausdenken zu können und in der echten Umgebung zu erkennen. Diese Diskrepanz, die der Mensch so gut bewältigen kann, gilt es noch in beiden Fällen zu überwinden", resümiert der Robotikexperte.

Ein weiter Weg mit Unterstützung

All das legt nahe, dass Optimus noch einen weiten Weg vor sich hat. Es zeigt aber auch, dass der Fortschritt humanoider Roboter bei Tesla sehr stark von anderen Projekten im Haus profitieren kann. Dazu zählt einerseits der in Entwicklung befindliche Supercomputer Dojo, der als eine Art Trainingsmaschine für künstliche Intelligenzen eingesetzt werden soll. Andererseits wird das bislang umstrittene Fahrassistenzprogramm Full Self-Driving (FSD) ebenfalls eine wesentliche Rolle für humanoide Roboter von Tesla spielen.

Da auch für diese beiden Projekte ein Update am heurigen AI Day in Aussicht gestellt worden ist, darf man umso gespannter sein, welche Neuigkeiten Elon Musk diesmal zu verkünden hat. Optimus dürften sie in jedem Fall ein Stück näher zur Realisierung bringen. (Benjamin Brandtner, 29.9.2022)