Laut aktueller Umfrage von Market steht kein Bewerber so stark für die Stabilität des politischen Systems wie Amtsinhaber Alexander Van der Bellen.

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Linz – "Schlechte Stimmung – mit Ausnahme vielleicht für den Herrn Bundespräsidenten, der zumindest nach heutigem Stand keine Stichwahl fürchten muss." Mit diesen knappen Worten fasst Market-Institutsleiter David Pfarrhofer das Ergebnis der dieswöchigen Umfrage seines Instituts für den STANDARD zusammen. Sie dokumentiert, dass der Optimismus der österreichischen Bevölkerung auf einem bisher noch nie gemessenen Tiefpunkt angelangt ist: Nur 18 Prozent bekunden, den nächsten Monaten mit Optimismus und Zuversicht entgegenzublicken. Ebenfalls rekordverdächtige 52 Prozent bekunden im Gegenteil Skepsis und Pessimismus. Zum Vergleich: Im Februar 2022, vor dem russischen Überfall auf die Ukraine, haben sich noch 42 Prozent als Optimisten und nur 30 Prozent als Pessimisten eingestuft.

In diesem Meinungsklima tut sich auch die Politik schwer: Die beiden Regierungsparteien kämen nur auf ein Drittel der Stimmen, wenn schon am nächsten Sonntag gewählt würde. 22 Prozent für die ÖVP, elf Prozent für die Grünen, lautet die aktuelle Umfrage. Für diese beiden Parteien hat sich das hochgerechnete Ergebnis der Sonntagsfrage seit vielen Wochen nicht verändert – ähnlich ist es bei der FPÖ, die gleichauf mit der ÖVP auf 22 Prozent kommt. Die SPÖ liegt mit 28 Prozent etwas schwächer als noch im August, aber unangefochten auf dem ersten Platz, die Neos bei zwölf und die MFG bei drei Prozent.

Hat da das Ergebnis der Tirol-Wahl mit hineingespielt? Pfarrhofer: "Die Tirol-Wahl wurde von 46 Prozent der österreichischen Wahlberechtigten verfolgt – übrigens in allen Regionen gleichmäßig, nicht nur in Westösterreich. Und wenn man dann fragt, welcher Partei das Wahlergebnis bundespolitisch genutzt hätte, dann wird zuerst die FPÖ und dann die SPÖ genannt. Die ÖVP kommt erst an dritter Stelle, da hat man ja zu Beginn des Wahlkampfs mit einem schlechteren Ergebnis gerechnet. Vor allem die verbliebenen ÖVP-Wähler sehen in dem Ergebnis Rückenwind für ihre Partei. Aber in der Sonntagsfrage bildet sich das nicht ab."

Entscheidende Motivation

Ohnehin ist die am 9. Oktober anstehende Bundespräsidenten-Wahl derzeit mehr im Fokus. Die Hälfte der Befragten hält die große Auswahl an Kandidaten für einen Aspekt, der den Wahlgang interessanter macht – das deckt sich mit der Einschätzung vor der Wahl im Jahr 2016. Vor allem für den Amtsinhaber Alexander Van der Bellen wird aber entscheidend sein, ob er die Menschen, die ihn weiterhin in der Hofburg sehen wollen, auch motivieren kann, tatsächlich zur Wahl zu gehen. Zur Erinnerung: Noch nie in der Zweiten Republik musste eine Stichwahl stattfinden, bei der ein amtierendes Staatsoberhaupt sein Amt hätte verteidigen müssen. Adolf Schärf erreichte bei seiner Wiederwahl (1963) 55,4 Prozent, Franz Jonas (1971) 52,8 Prozent, Rudolf Kirchschläger (1980) 79,9 Prozent, Thomas Klestil (1998) 63,4 Prozent und Heinz Fischer (2010) 79,33 Prozent.

Allerdings muss man wissen, dass bei Wahlen für eine zweite Amtszeit die Wahlbeteiligung immer sehr niedrig ist – bei der Wiederwahl von Heinz Fischer waren es nur 53,6 Prozent. Zwar sagen diesmal 72 Prozent, dass sie am 9. Oktober sicher wählen werden – aber eine so hohe Mobilisierung erscheint unwahrscheinlich, sagt Pfarrhofer.

44 Prozent aller Befragten sagten eineinhalb Wochen vor der Wahl, dass sie Van der Bellen wieder wählen wollen – Walter Rosenkranz und Dominik Wlazny nennen je zehn, Tassilo Wallentin sieben, Gerald Grosz fünf, Michael Brunner vier und Heini Staudinger ein Prozent der Wahlberechtigten. Die relativ niedrigen Nennungen für Walter Rosenkranz erklären sich dadurch, dass die deklarierte FPÖ-Wählerschaft nur zu etwas mehr als 40 Prozent hinter Rosenkranz steht, während erklärte Anhänger von Grünen, SPÖ und ÖVP zu mehr als einem Drittel Van der Bellen zu wählen beabsichtigen.

Heruntergebrochen auf jene, die eine sichere Wahlabsicht haben, sind es allerdings 51 Prozent für den Amtsinhaber, rechnet Pfarrhofer vor: "Das würde bedeuten, dass es keine Stichwahl gibt und der Herr Bundespräsident im ersten Wahlgang bestätigt würde." Die Unsicherheit, ob das so eintritt, sei weniger eine statistische (bei Umfrageergebnissen rund um die 50-Prozent-Marke beträgt die Schwankungsbreite bei 800 Befragten +/– 3,5 Prozent) als eine der Mobilisierung: "Wenn viele Wahlberechtigte den Eindruck haben, dass es auf ihre Stimme ohnehin nicht ankäme, dann bleiben eben auch viele am Wahltag daheim – und das lässt sich nicht mit Sicherheit vorhersagen."

Was die Umfragen aber zeigen können, ist die generelle Einschätzung der Kandidaten.

DER STANDARD ließ dazu eine Reihe von Fragen stellen, aus denen auf die Profile der Kandidaten geschlossen werden kann. Zunächst zum politischen System: "Bundespräsidentschaftskandidaten können ja für eine Entwicklung Österreichs in die eine oder andere Richtung stehen. Ich meine: Der eine Kandidat steht mehr für die Stabilität des politischen Systems, der andere mehr für eine umfassende Änderung des politischen Systems. Ich lese Ihnen nun nochmals die Kandidaten vor und bitte Sie, mir jeweils zu sagen, ob der Kandidat im Falle der Wahl für die Stabilität des politischen Systems steht oder ob die Wahl dieses Kandidaten eher eine umfassende Änderung des politischen Systems bedeuten würde." Bei dieser Fragestellung sehen 69 Prozent Van der Bellen als stabilisierende Kraft – während jeweils 54 Prozent Walter Rosenkranz und Gerald Grosz eine umfassende Änderung des politischen Systems zutrauen.

"Stabilität und Vertrauen sind aber wichtige Faktoren gerade in unsicheren Zeiten", gibt Pfarrhofer zu bedenken. Er hat auch das Vertrauen in die Kandidaten abgefragt – und auch hier ein deutliches Ergebnis für Van der Bellen erhoben: 44 Prozent sagen, ihr Vertrauen in Van der Bellen sei gestiegen, 37 Prozent geben einen Vertrauensverlust an.

An Vertrauen gewonnen hat auch Dominik Wlazny, von dem Pfarrhofer sagt, dass er nun "sicher nicht mehr als reiner Spaßkandidat anzusehen" sei. Rund ein Viertel der Befragten traut ihm sogar zu, ein Bundespräsident für alle Österreicher zu sein. Eine Mehrheit aber hegt hier Zweifel. Und zwar bei allen Kandidaten, außer beim amtierenden Bundespräsidenten: Dieser gilt 55 Prozent als Präsident für alle Österreicher. (Conrad Seidl, 30.9.2022)