Die Garage ist so vollgeschlichtet, dass nur rund um die Werkbank gerade so viel Platz bleibt, dass dort eine Person arbeiten kann. Es dauert also ein wenig, bis Hans Leitgeb sein erstes Rad, das er aufgebaut hat, herausfischen und herzeigen kann. Bei jedem Bike, das er dabei angreifen und umschlichten muss, erzählt er in zwei, drei Sätzen die Geschichte dazu.

Auch nach einigen Jahren im Geschäft als Radaufrüster arbeitet Hans Leitgeb immer noch in seiner Garage. Die Angebote, den Betrieb auszubauen, hat er ausgeschlagen.
Foto: Guido Gluschitsch

Das eine ist für die Kinder, das andere bekam er geschenkt, das dritte hat er sich selbst gebaut, mit mehr Federweg vorn, damit er angenehmer darauf sitzen kann. Und dann ist es frei. Hans Leitgeb schiebt ein silberfarbenes Herrenrad mit rotem Sattel, roten Griffen, je einer roten Speiche in den Rädern vor seine Garage in Pöttsching im Burgenland. Er hat das Rad auf dem Müllplatz gefunden, mitgenommen und zu einem Pedelec mit einem E-Motor in der hinteren Nabe ausgebaut. Nicht aus einer Lust, sondern eher aus einem Groll heraus.

"Ich hab mir gesagt, ich will mir nie wieder ein neues Rad kaufen." Das war eine seiner Reaktionen, weil eines Tages sein E-Bike und das Fahrrad seiner Frau aus dem Schuppen gefladert wurden. Die Diebe hat die Polizei später gefasst, die Räder waren aber nicht mehr aufzufinden.

Glücklicher Zufall

"Manchmal kommen die Sachen einfach auf einen zu", sagt Hans Leitgeb. Und so war es auch mit seiner Firma Hans. Rad und Tat.

In der Woche nach dem Verlust fand er sein künftiges Rad auf dem Müll und fasste den Entschluss zum Projekt, weil "wenn sie mir das dann stehlen, ist es zwar auch nicht wurscht, aber es ist wenigstens kein neues Radl", dachte er sich. Mitten während des Arbeitens holte ihn dann seine Kindheit ein.

Hans Leitgeb und sein erstes Pedelec, das er sich aus einem Rad gebaut hat, das er auf der Deponie fand.
Foto: Guido Gluschitsch

Schon als junger Bub, erinnert er sich, habe ihn seine Mutter immer gefragt, warum er überhaupt ein Zimmer habe, wenn er doch dauernd nur in der Werkstatt sei, um an etwas "herumzuzangeln". Und die einstige Freude holte ihn bei seinem Radprojekt wieder ein. Sie war eine willkommene Abwechslung zu dem, was er damals beruflich machte und macht.

Multitalent

Hans Leitgeb ist – und das ist jetzt gar nicht so einfach, das alles aufzuzählen – Musiker, Tontechniker, Radiomacher, Medienvisionär. Und er hat eben auch eine Radwerkstatt. Er arbeitete immer selbstständig, wollte sich nie anstellen lassen und sich damit binden. Er arbeitete für den ORF, war einer der Gründer des ersten Supermarktradiosenders. Er hat sein eigenes Tonstudio neben der Radwerkstatt.

Und er gründete kurzerhand eine Musikschule, als er merkte, dass das Angebot in seiner Umgebung zu klein war, um allen Kindern, die ein Instrument erlernen wollen, das zu ermöglichen.

Radiomacher, Musikschul-Betreiber, Radwerkstätten-Besitzer – das alles findet man in der Vita von Hans Leitgeb.
Foto: Guido Gluschitsch

Wer Hans Leitgeb kennt, weiß, dass er auch mit seiner Musikschule neue Wege ging. Für ihn stand im Mittelpunkt, dass die Kinder Freude am Spielen haben. Die Fortschritte kämen dann schon von ganz allein. Spielen ist wichtiger als Üben, könnte man überspitzt sagen. Und genau dieses Motto holte ihn dann auch selbst in der Werkstatt beim Radlbauen wieder ein.

"Ich habe gemerkt, wie gut mir diese Arbeit tut", die eben nicht einem wirtschaftlichen Interesse, sondern ganz allein seiner eigenen Motivation entsprang, "wie sehr mir das Zangeln taugt." Dabei ging es bei dieser Arbeit nicht darum, das Rad zu reinigen, die Kette zu schmieren und die Bremsen neu einzustellen. Er baute das Schrottrad komplett neu auf. Bis hin zum Einspeichen des E-Motors in der hinteren Felge erledigte er alles selber. Auch das neue Design entwarf er selber.

Was wie eine Trinkflasche aussieht, ist der Akku für den E-Antrieb. Der Motor sitzt in der Hinterrad-Nabe.
Foto: Guido Gluschitsch

"Es ist eine Tätigkeit der Entspannung, merkte ich." Kein Wunder also, dass er bei der nächsten Gelegenheit das nächste Fahrrad vom Müll aufsammelte und als Pedelec neu aufbaute. "Dann hab ich noch das Rad der Schwiegermutter restauriert und mit einem E-Antrieb ausgerüstet", erinnert er sich.

Es dauerte nicht lange, bis sich seine Fähigkeiten in der Umgebung herumgesprochen haben. "Es sind immer mehr Leute gekommen, die gefragt haben, ob ich nicht deren Rad auch machen kann." Womit es dann aber auch nicht mehr weit bis zu der Anmeldung eines Gewerbes war.

Vom Hobby zum Beruf

Inzwischen ist aus der Entspannung an der Werkbank so viel Tätigkeit geworden, dass Hans Leitgeb in der Hauptsaison selber kaum noch zum Radfahren kommt. "Was aber auch daran liegt, dass ich alles allein mache, keine Mitarbeiter habe." Ob er das ändern wird, darüber denkt er immer wieder nach. Aber man bekommt den Eindruck, dass es ihm schon sehr gelegen kommt, dass er allein in seiner eigenen Welt, im Takt seiner eigenen Zeit arbeiten kann.

Auch Motoren, die über eine Rolle ein Rad antreiben, verbaut Hans Leitgeb – wenn das halt die beste Lösung für das Mobilitätsbedürfnis einer Kundschaft ist.
Foto: Guido Gluschitsch

"Manchmal gibt es Probleme mit einem Rad, und es gelingt mir nicht und nicht draufzukommen, wo der Hund begraben liegt, ich nicht mehr weiterweiß", erzählt er. Dann stellt er dieses Rad gern auf die Seite, macht etwas anderes. "Irgendwann drängt sich mir das Rad dann regelrecht von selbst auf – und dann habe ich oft innerhalb weniger Minuten die Lösung ..."

Gewichtige Frage

Mit wie viel Gefühl Hans Leitgeb das Thema lebt, erkennt man auch daran, wie sehr es ihn freut, dass "Räder, die andere einfach weghauen würden, wieder einen Wert bekommen" und wieder genutzt werden. "Die besten Radln kriegst sowieso auf der Deponie", sagt er. Er schätzt es, dass die Räder früher solider gebaut wurden. Und auf ein paar Kilo mehr oder weniger, die die Räder wiegen, kommt es nicht an, schmunzelt er und streicht sich über den Bauch. Was er damit meinen könnte? Vielleicht, dass man nicht viele Tausender in ein um wenige Gramm leichteres Rad investieren muss, wenn man vorher schon viele Tausender in ein paar Kilogramm mehr Passagier investiert hat. Aber bei dem Thema hält sich Hans Leitgeb nicht lange auf.

Für die Steuerung des Antriebs gibt es unterschiedliche Lösungen; von einfachen Knöpfen, über Displays am Lenker bis hin zu Bluetooth und Apps.
Foto: Guido Gluschitsch

Lieber erzählt er von Leuten, die ihm ihre alten Räder überlassen. Selbst wenn sie ihm später nur mehr als Ersatzteillager dienen können, freut er sich darüber, dass wieder etwas nicht weggeworfen werden musste.

Oder dann ist da die Geschichte von der älteren Dame – seine Kunden sind in der Regel ältere Menschen, die sich durch den E-Antrieb die Mobilität auf dem Rad erhalten wollen. Sie bekam von den Kindern ein neues E-Bike geschenkt. Kam damit aber nie zurecht. Sie war so an ihr altes Rad gewöhnt, dass sie mit dem neuen keine Freude hatte. Hans Leitgeb hat ihr dann ihr altes Rad mit einem E-Motor aufgerüstet. Das neue Pedelec hat sie daraufhin nie mehr angegriffen.

Individuelle Lösungen

Als er mit seiner Werkstatt begann, konnte er die Umrüstung noch um unter 1000 Euro schaffen. Unter 1300 Euro geht es heute meist nicht mehr. Weil die Batterien so teuer geworden sind. Reich werden will Hans Leitgeb mit dieser Arbeit ohnedies nicht. Wichtiger ist ihm, genau das Rad zu bauen, das den jeweiligen Bedürfnissen entspricht. Reichweite, Nabenantrieb vorn oder hinten, oder Rollenantrieb – das wird immer angepasst. "Ein Großteil meines Lohns ist die Zufriedenheit des Kunden", sagt er. (Guido Gluschitsch, 2.10.2022)