Xi ist wieder da. Am vergangenen Wochenende hatte in den Social Media ein Gerücht die Runde gemacht, wonach der chinesische Präsident Xi Jinping unter Hausarrest gestellt worden sei und die Volksbefreiungsarmee das Kommando übernommen habe. Die Gerüchte waren von Anfang an nur mit dünnen Fakten unterlegt. In die Welt gesetzt hatte sie wohl ein indischer Politiker auf Twitter. Am vergangenen Dienstag aber zeigte sich Xi Jinping wieder im Staatsfernsehen.

Ein Grund, weshalb sich das Gerücht so rasant ausbreitete und sich nahezu 72 Stunden hielt, ist aber auch, dass es derzeit ächzt im Gebälk. Die Wirtschaft, das Fundament der Diktatur, schwächelt. Rund 2,8 Prozent wird sie heuer wachsen, sagt die Weltbank voraus. Das liegt weit unter den von der Partei anvisierten 5,5 Prozent – und zudem unter dem Durchschnitt der Region. Damit wächst die Unzufriedenheit im Volk und in den Fraktionen innerhalb der Partei. Die KPCh ist zwar nach außen ein monolithischer, opaker Block. Im Inneren aber toben Machtkämpfe, die nur selten an der Oberfläche sichtbar werden – wie zuletzt 2012 beim Thriller um Xis Widersacher Bo Xilai (der danach von der Bildfläche verschwand).

Covid-19 hat China in eine Abwärtsspirale geführt. Das vom Wirtschaftswachstum verwöhnte China fällt in der Region zurück.
Foto: EPA / Mark R. Cristino

Da ist zunächst die Null-Covid-Politik Xi Jinpings. Noch vor einem Jahr wurde das massenhafte Einsperren von Millionen Menschen als "wirtschaftliche Öffnungsstrategie" verkauft. Die Lockdowns würden Tode verhindern und seien deshalb auch gut für die Wirtschaft. Mittlerweile ist klar: Diese Politik richtet einen gewaltigen wirtschaftlichen Flurschaden an.

Wirtschaft auf wackeligen Beinen

Die Wirtschaftsmetropole Schanghai litt über drei Monate unter einem harschen Lockdown. Um etwas gegenzusteuern und vor allem den ärmeren Wanderarbeitern zu helfen, hat die Regierung von Schanghai nun Garküchen auf den Straßen wieder erlaubt. Problematisch sind die Lockdowns zudem für ausländische Unternehmen. Ein zweijähriger China-Aufenthalt schmückte in den vergangenen zwei Jahrzehnten meist den Lebenslauf karrierebewusster Arbeitnehmer aus Mitteleuropa. Angesichts der rigorosen Quarantänevorschriften und der ständigen Angst vor Lockdowns will sich das heute kaum mehr jemand antun.

In den Chefetagen vieler Konzerne aber bereitet man sich noch aus einem anderen Grund auf ein verändertes Umfeld vor: Der Krieg in der Ukraine hat gezeigt, auf welch wackligen Füßen das wirtschaftliche Engagement in autoritären Staaten steht. Sollte es tatsächlich zu einem militärischen Konflikt um Taiwan kommen, ist eine Verlagerung der Lieferketten kein fernes Szenario mehr, sondern eine Notwendigkeit.

Währung unter Druck

Druck auf die chinesische Wirtschaft kommt derzeit auch aus Washington. Die massiven Zinserhöhungen der Fed üben Druck auf alle Währungen der Welt aus. In Schwellenländern löst das Inflation und Währungsverfall aus. Chinas Währung darf nur innerhalb einer bestimmten Bandbreite schwanken, aber trotzdem übt der starke Dollar Druck auf den chinesischen Yuan aus. Der fiel gestern auf ein 14-Jahres-Tief. Das Allheilmittel mehr Liquidität funktioniert dieser Tage schlecht. Noch niedrigere Zinsen würden den Yuan weiter belasten – und damit ein weiteres Problem verstärken.

Chinas Immobilienkrise ist noch lange nicht gelöst. Zahlreiche Unternehmen sind eigentlich insolvent
Foto: Reuters/Aly Song

Chinas Immobilienkrise ist noch lange nicht gelöst. Zahlreiche Unternehmen, allen voran der moribunde Evergrande-Konzern, sind eigentlich insolvent. Am Mittwoch hieß es, CIFI Holdings sei zahlungsunfähig. Über 37 Städte haben jetzt die Regeln für den Erwerb von Eigentumswohnungen gelockert, um die Branche etwas zu stabilisieren. Tatsache aber ist, dass Chinas Immobilienbranche, die knapp ein Drittel der Wirtschaftsleistung ausmacht, jahrelang zu schnell und vor allem mit zu vielen Schulden gewachsen ist.

All das ist der Stabilität oder der "harmonischen Gesellschaft", wie die Partei sie anstrebt, nicht unbedingt zuträglich. Zu Zahlungsboykotts und spontanen Demonstrationen wütender Wohnungskäufer ist es in den vergangenen Monaten immer wieder gekommen. All das kommt für Xi Jinping gerade doppelt ungünstig – beim in wenigen Wochen stattfindenden Parteikongress will er nämlich seine dritte Amtszeit verkünden und sich damit zum mächtigsten Präsidenten seit Mao Tse-tung machen. (Philipp Mattheis, 30.9.2022)