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Zweimal schnappte im Mühlviertel die Lebendtierfalle hinter einem jungen Wolf zu.

Foto: Picturedesk / J & C Sohns

Man ist dieser Tage in der kleinen Mühlviertler Marktgemeinde St. Georgen am Walde durchaus geteilter Meinung. Die Ansichten unter den 1967 Einwohnern schwanken zwischen "Moi, so süß" und einem wildökologischen "Schleich di".

Der Grund für die aktuelle Verunsicherung ist eine Wolfssichtung der ganz besonderen Art. Am vergangenen Wochenende saß gleich zweimal ein junger Wolf in einer Lebendtierfalle, die eigentlich für Frischlinge gedacht war. Ob nun ein Wolf zweimal in die wenige Kilometer voneinander aufgestellten Fallen tappte oder es sich um zwei verschiedene Tiere handelt, soll eine DNA-Analyse klären. Fest steht hingegen jetzt schon, dass die Verunsicherung in der Bevölkerung groß ist. Denn eines ist klar: Wo sich Jungwölfe tummeln, ist der Rest des Rudels meist nicht weit.

Geheule auf dem Schulweg

Bürgermeister Heinrich Haider (SP) war übrigens der Erste, der dem Wolf am Wochenende in die Augen schaute: "Die Falle steht direkt neben meinem Haus, da schaust schon ziemlich blöd momentan." Angesichts der Raubtiersichtung in Siedlungsnähe sei jetzt die Angst im Ort durchaus groß. Haider: "Natürlich unter den Bauern, aber gerade auch bei Familien. Viele Schulkinder müssen am Morgen, wenn es oft noch dunkel ist, eine gewisse Strecke bis zur Bushaltestelle zurücklegen. Und der Weg führt am Wald vorbei. Und wir haben viele Schwammerlsucher, die sich jetzt nicht ins Unterholz trauen."

Das Gemeindeoberhaupt geht deshalb in die Offensive. Gemeinsam mit dem regionalen Jagdleiter und dem Wolfsbeauftragten des Landes lädt Haider kommende Woche zu einer Informationsveranstaltung in die örtliche Musikschule: "Wir wollen keine Panik verbreiten, aber darüber reden, was zu tun ist, wenn man einem Wolf begegnet."

Feuer gegen den Wolf

In Kärnten und Tirol machen bereits eigene Vereine gegen die Wölfe mobil. Die Gruppierung Save the Alps ruft von Kärnten aus dazu auf, am Freitag um 19 Uhr europaweit "Solidaritätsfeuer" gegen die Wölfe zu entzünden. Für den Verein ist jeder Wolf, der auf Kärntner Almen herumstreift, einer zu viel.

In Tirol fordern die Sozialpartner nach der Landtagswahl eine Anpassung des Jagdgesetzes. Die Entnahme von Wölfen solle über den Verordnungsweg geregelt werden statt über einen langwierigen Bescheid, der beanstandet werden kann, verlangt Landwirtschaftskammer-Präsident Josef Hechenberger (ÖVP), der gleichzeitig Vorsitzender des Vereins Alm ohne Wolf ist.

Unterstützung dafür kommt nun auch von ministerieller Seite: Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig (ÖVP) hatte am Montag in Brüssel eine Überarbeitung der Flora-Fauna-Habitat(FFH)-Richtlinie zu Wölfen gefordert. Diese biete zwar die Möglichkeit, Problemwölfe "zu entnehmen", aber in der "Vollziehung dieser Ausnahmebestände" gebe es Probleme, kritisierte der Minister. Der Vollzugsspielraum sei in der EU-Regelung "zu eng definiert".

Gleichheit statt Schutz

Gleichzeitig ist nun das Tiroler Landesverwaltungsgericht mit vier Fragen zur Rechtsauslegung der EU-Regelung zu Wölfen an den Europäischen Gerichtshof (EuGH) herangetreten. Konkret geht es um den Gleichheitsgrundsatz. Denn in einigen europäischen Ländern, wie etwa Estland, Lettland, der Slowakei oder Polen, sind Wölfe vom strengen Schutzregime der FFH-Richtlinie ausgenommen. Doch Österreich habe diese Ausnahmen nicht, da beim EU-Beitritt 1995 der Wolf noch weit weg gewesen sei, argumentiert der Tiroler Agrarlandesrat Josef Geisler (VP), der den Wolf auch zum zentralen Punkt in den Koalitionsverhandlungen machen will. Zudem wurde nach dem günstigen Erhaltungszustand des Wolfes, der Definition von Schäden sowie der Prüfung von Alternativen zum Abschuss von Problemwölfen gefragt. Politisches Ziel sei eine Änderung der über 30 Jahre alten FFH-Richtlinie.

Laut dem Land Tirol sind im heurigen Almsommer 300 Schafe gerissen und 50 verletzt worden. 200 Schafe gelten als vermisst. Dazu kamen 20 tote Ziegen und ein totes Rind. 17 verschiedene Wölfe wurden in Tirol nachgewiesen. In der ersten Jahreshälfte wurden außerdem zwei Bären nachgewiesen. Etwa 25 Schafe fielen ihnen zum Opfer. (Markus Rohrhofer, Stefanie Ruep, 30.9.2022)