Marco Wanda: "Ich denke, das ist vorläufig das letzte Wanda-Album, das diese klassische Wanda-DNA besitzt."

Foto: Wolfgang Seehofer

Am Freitag veröffentlichte die Band Wanda ihr fünftes Album. Doch die Euphorie darüber ist gebremst, denn Anfang der Woche ist der Keyboarder der Band, Christian Hummer, gestorben. Das Gespräch mit Marco Wanda aus Anlass der Veröffentlichung eines neuen Albums und des zehnjährigen Bestehens der Band fand bereits vor drei Wochen statt.

STANDARD: Zehn Jahre, fünf Alben, überlegen Sie manchmal, was gewesen wäre, wenn nichts gewesen wäre?

Wanda: Ich habe mich das nie gefragt, es gab keine andere Option. Ich hätte nichts anderes machen können als diese Band. Es hätte sonst ein übles Ende mit mir genommen. Nicht Kriminalität, aber ein Leben ohne Aufgabe, ohne Gehalt. Und Gehalt definiere ich schon darüber, dass das, was ich tue, einen Mehrwert für andere Menschen hat.

STANDARD: Sozialarbeit böte sich da an.

Wanda: Was für ein Knochenjob! Ich weiß nicht, ob ich dafür geeignet wäre.

STANDARD: Auch ins Publikum köpfeln ist ein Knochenjob.

Wanda: Ja, dafür reicht's.

STANDARD: Sie leben ja Ihren Traum, was träumen Sie, wenn Sie von Ihrer Band träumen?

Wanda: Unlängst habe ich geträumt, dass wir ein Konzert spielen, und das war am Ende eines Tunnels. Und bis wir dort waren, war das Konzert vorbei.

STANDARD: Wie deuten Sie das?

Wanda: Vielleicht gibt es Restängste in meinem Unterbewusstsein. Aber ein derartiges Vertrauen in das, was wir tun, hatte ich noch nie so wie im Moment. Ich habe zehn Jahre lang in der Annahme gelebt, und entsprechend radikal gelebt, dass es morgen vorbei sein könnte. Aber selbst wenn alles nur eine Illusion wäre, so ist diese Illusion in ihrem Aggregatzustand mittlerweile von flüssig zu fest gewandert. Sie ist so etabliert, dass niemand aus ihr so rasch aufwachen wird. Wesentlich dafür war, dass uns das Publikum zwei Jahre lang die Treue gehalten hat. Wir sind eine der wenigen Bands, bei der nach Corona fast keine Karten zurückgegeben wurden. Das nehme ich in Dankbarkeit zur Kenntnis, und das entspannt mich. Die Leute haben keine Ahnung, was sie uns damit eigentlich geben.

STANDARD: Ihre Karriere ist ein Höhenflug, was sind denn die Lows?

Wanda: Das Low war die Nummer eins mit Columbo. Danach bin ich als Liedermacher wie ein Alchemist zu Hause gesessen und habe überlegt: Wie habe ich diesen Hit zusammengemischt? Bin ich auf eine magische Formel gestoßen? Bin ich kurz davor, nur noch Nummer-eins-Hits zu schreiben?

STANDARD: Das nennen Sie ein Low?

Wanda: Ja, es war ein kurzes High, aber ich war auch sehr verloren. Ich habe mir so eine Erwartungshaltung aufgebaut.

STANDARD: Welche denn?

Wanda: Noch eine Nummer eins, und noch eine – das macht süchtig. Es war ja nicht nur eine Single Nummer eins, auch das Album.

STANDARD: Wanda haben bei ihrem Auftauchen einen Nerv getroffen, ein Lebensgefühl. Junge Menschen, Großstadt, Sommer, laue Abende, Italien – wie lässt sich so ein Momentum bewahren?

Wanda: Wenn man diese Gemengelage als Schauplatz wahrnimmt, dann wollte ich ihn schnell wieder verlassen. Ich habe schon mit Niente versucht, aus diesem konstruierten Milieu auszubrechen. Nah am Leben der Menschen möchte ich bleiben, aber ich möchte ihnen keinen Schauplatz verkaufen. Ich möchte ihre Leben ernst nehmen, und ich glaube, dass die Schnittmenge zwischen meinem Leben und ihrem groß ist. Wir führen alle ein ähnliches Dasein, mit Verlust, Hoffnungen, Trennungen, Schmerz, Träume, Enttäuschungen.

STANDARD: Das mag sein, wer Sie aber als Popstar wahrnimmt, denkt wohl anders darüber. Sie müssen nicht um neun Uhr früh im Büro den Computer hochfahren.

Wanda: Klar. Ich bin anders aufgestellt. Aber mich regen dieselben Sachen auf wie alle anderen.

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STANDARD: Apropos aufregen. Erfolg macht sexy, zieht aber auch Nörgler an. Wie gehen Sie damit um?

Wanda: Das Leben ist halt ein Schulhof, das muss man aushalten. Es gibt wichtigere Dinge im Leben, als dass jemand nicht versteht, was ich mache.

STANDARD: Nerven die Vergleiche mit Bilderbuch?

Wanda: Es ist halt ein Phänomen, dass zwei Bands zur selben Zeit etwas Totgeglaubtes auf völlig verschiedene Weise belebt haben. Ich freue mich, dass es das gibt. Ich würde mir mehr als nur nur Bilderbuch und Wanda wünschen. Ich hätte gerne so eine Seattle Grunge Explosion. Am schönsten wäre es, wir hätten noch fünf, sechs andere solche Bands, mit Frauen. Wir könnten ein Festival machen, eine Tour.

STANDARD: Vielleicht müssten Sie einmal als Wanderbuch kollaborieren?

Wanda: Darüber wurde noch nie ernsthaft nachgedacht.

STANDARD: Aber Sie kennen sich?

Wanda: Wir kennen uns, aber wir sind durch die Biografie und dieses ewige Aufbauschen einer Rivalität wie zwei Hunderudel, die sich aus der Ferne grüßen.

STANDARD: Mit dem Schwanz wedeln, aber nicht beschnuppern?

Wanda: So ungefähr.

STANDARD: Erfolg ist oft eine Prüfung für eine Band, wie bewältigen Sie das?

Wanda: Rund um Ciao haben wir uns nicht mehr gesagt, was wir meinen, nicht mehr darüber geredet, was wir uns wünschen und fühlen. Da haben wir vollkommen den Draht zueinander verloren. Daran haben wir begonnen zu arbeiten. Als eine Art Psychohygiene. Das ist passiert, als Valentin Wegscheider am Schlagzeug zurückgekehrt ist. Der tickt als Typ ganz anders. Der war Gründungsmitglied, hat aber den ganzen Exzess und Erfolg verpasst, ist jetzt aber wieder dabei. Er als Mensch ist sehr nachdenklich und ruhig, das hat uns sehr gutgetan.

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STANDARD: Kann man sich das wie bei Metallica vorstellen: Familienaufstellung beim Seelendoktor?

Wanda: Nein, nicht so aufgebauscht. Wir reden nur sehr viel miteinander. Versuchen, das Ding wieder in die Hand zu nehmen, das uns ein wenig entglitten ist. Die Frage ist: Wie arbeitet man diese Band in sein Leben ein? Ich hab mich ja lange dagegen gewehrt, dass Wanda mein Leben sein soll. Das hat mir nicht geschmeckt. Aber mittlerweile muss ich anerkennen, dass es so ist.

STANDARD: Wie haben Sie sich arrangiert?

Wanda: Als ich erkannt habe, dass das mein Leben ist, kam die Erkenntnis, das muss ich pflegen, und das geht nur über schonungslose Offenheit. Alles sagen. Menschen können nicht Gedanken lesen.

STANDARD: Das klingt alles sehr vernünftig, gleichzeitig missioniert Ihre Band die Unvernunft, die Ausschweifung. Das ist in moralisch überwachten Zeiten schwierig, gab es da je Gegenwind?

Wanda: Diese moralische Überwachung ist ja kein Ausdruck von Mehrheiten. Das ist nichts generisch aus der Mitte der Gesellschaft Gewachsenes, sondern eher etwas Konstruiertes. Es ist eine Art Überwachung. Es fühlt sich an wie etwas, das von oben herab zu kontrollieren versucht. Aber das ist auf keinen Fall ein mehrheitlicher Wunsch oder ein Thema, das die Mehrheit interessiert. Insofern wäre es mir auch egal. Aber wir hatten noch nie einen Shitstorm. Von Anfang an waren wir klar positioniert gegen Sexismus, Antisemitismus, Rassismus, Homophobie — damit gibt es kein Problem.

STANDARD: Ihre Sozialisierung über Regionalradio und Jukebox-Musik, ist die nach zehn Jahren noch wichtig für Ihr Songwriting?

Wanda: Ich mag einfach einfache Sachen. Aber momentan schreibe ich alles am Klavier. Ich habe das Gefühl, dass mit diesem fünften Album jetzt etwas zu Ende erzählt ist. Ich denke, das ist vorläufig das letzte Wanda-Album, das diese klassische Wanda-DNA besitzt.

STANDARD: Sie schreiben ja ständig Songs. Wie weit sind Sie sich eigentlich selbst voraus?

Wanda: Wir nehmen schon das nächste Album auf. Aber das wird dauern, weil wir diese Platte ganz anders machen wollen. Ich bin da die treibende Kraft, wenn ich einen Song fertig habe, beginne ich den nächsten. Ich kann das nicht aufhalten

STANDARD: Wie halten Sie sich fit für all das?

Wanda: Mit Schwimmen, Joggen – bei Zweieinhalb-Stunden-Shows geht das nicht anders. Um das hohe Energielevel meiner Arbeit halten zu können, lebe ich sonst sehr sparsam, was meine Energielevel betrifft. Ein bisschen Sport, viel Liegen und Ruhe.

STANDARD: Manche Songs des neuen Albums könnten auch am Debüt drauf sein. Ist das eine Stagnation oder Konsequenz?

Wanda: Das ist einfach nur ein Umstand. Songs sind für mich nur Momentaufnahmen. Auf der Bühne wachsen sie dann und reichern sich mit einer ganz anderen Energie an. Wir hatten gar nie das Ziel, die Energie der Bühne auf Platte zu bannen. Ich möchte auch nicht Musik auf Platte haben, die einen energetisch fordert wie ein Livekonzert. Ich selber höre gerne Musik im Liegen mit Kopfhörern. Ich möchte, dass unsere Platten etwas Wohlfühliges haben. (Karl Fluch, 1.10.2022)