Putin betrachtet vier ukrainische Regionen ab heute als russisches Staatsgebiet.

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Der russische Präsident Wladimir Putin hat die Annexion der vier mehrheitlich von eigenen Truppen besetzten Gebiete in der Ukraine besiegelt. Bei einem von Fernsehen übertragenen Festakt am Freitag im Kreml unterzeichnete er die entsprechenden Dokumente. International wird die Annexion von Luhansk, Donezk, Saporischschja und Cherson nicht anerkannt.

Ausschnitte aus Putins Rede.
DER STANDARD

"Die Leute haben ihre Wahl getroffen", sagte Putin in Hinblick auf Scheinreferenden, die die russischen Besatzer bis zum vergangenen Dienstag in den vier Gebieten abgehalten hatten. Die russischen Besatzer sprechen von einer angeblich überwältigenden Zustimmung der dortigen Bevölkerungen zu einem Beitritt zu Russland. Die Bewohner der annektierten ukrainischen Regionen seien "für immer unsere Bürger", sagte Putin am Freitag.

Analyse der Rede Putins.

"Es gibt vier neue Regionen in Russland", sagte Putin bei seiner Rede in Moskau. Er forderte die Ukraine auf, umgehend jegliche militärischen Handlungen einzustellen und an den Verhandlungstisch zurückzukehren. Über die einverleibten Gebiete werde allerdings nicht mehr verhandelt, betonte Putin.

Er beruft sich mit Verweis auf die Scheinreferenden auf das "Selbstbestimmungsrecht" der Völker. Mit Blick auf einen weiteren Vormarsch der ukrainischen Truppen bekräftigte Putin: "Wir werden unser Land mit allen Mitteln verteidigen."

Putins gesamte Rede.
phoenix

Ein Großteil von Putins Rede bestand daraus, den Westen als Feind anzuprangern. Russland versuchte er als Speerspitze des Antikolonialismus darzustellen. Der Westen habe die Absicht aus Russland eine Kolonie zu machen. Russland führe nun einen heroischen Abwehrkampf gegen den von den imperialistischen USA geführten Westen, bei welchem es um den Selbstbehauptungswillen des russischen Volkes, das nicht in jener "Sklaverei" enden will, gehe. Putin machte die USA auch für die Zerstörung der Gas-Pipelines in der Ostsee verantwortlich: "Sie zerstören die gesamteuropäische Infrastruktur – es ist doch klar, für wen das von Nutzen ist."

Auch über Atomwaffen sprach Putin: "Die USA haben gemeinsam mit den Engländern Dresden, Hamburg und Köln in Schutt und Asche gelegt, sie haben zweimal Atomwaffen benutzt", erklärte der russische Staatschef. "Das war militärisch ohne Sinn, hatte nur ein Ziel: Unser Land und die Welt in Angst zu versetzen."

Der österreichische Politikwissenschaftler Gerhard Mangott bezeichnete Putins Rede in einer Analyse für Puls24 als "eigenartig, ermüdend und beunruhigend", weil es eine Wut- und Hassrede gegen den Westen gewesen sei. Bei der "bizarren Veranstaltung" hätte man "freudige Gesichter fast vergeblich gesucht".

International keine Anerkennung

International werden die Scheinreferenden nicht anerkannt, weil sie unter Verletzung ukrainischer und internationaler Gesetze und ohne demokratische Mindeststandards abgehalten wurden. Beobachter hatten in den vergangenen Tagen darauf hingewiesen, dass viele ukrainische Bewohner der besetzten Gebiete zur Abstimmung gezwungen wurden.

Die Staats- und Regierungschefs der EU-Staaten, darunter Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP), wiesen die Annexion als unrechtmäßig zurück. "Wir werden diese illegale Annexion niemals anerkennen", heißt es in einem am Freitag veröffentlichten Statement. "Diese Entscheidungen sind null und nichtig und können keinerlei Rechtswirkung entfalten." Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) schrieb auf Twitter: "Donezk, Cherson, Luhansk und Saporischschja sind und bleiben Ukraine. Genauso wie die Krim."

Die "Aufnahme" der okkupierten Gebiete in Russland sei "eine illegale Annexion, die wir nie akzeptieren können", betonte auch Bundespräsident Alexander Van der Bellen. Die Annexion der Gebiete sei "ein weiterer schwerwiegender Angriff auf die Souveränität und territoriale Integrität der Ukraine", erklärte Van der Bellen weiter. Die zuvor "durchgeführten Scheinreferenden in den durch Russland besetzten ukrainischen Gebieten waren eine völkerrechtswidrige Maßnahme des russischen Regimes und eine reine Farce. Sie sind auf das Schärfste zu verurteilen".

Die Vorsitzende der Rechtspartei "Brüder Italiens" (FdI – Fratelli d'´Italia) und Wahlsiegerin Giorgia Meloni, übte ebenfalls scharfe Kritik an der Annexion von vier ukrainischen Regionen. Der Schritt habe "keinen rechtlichen oder politischen Wert", erklärte Meloni per Twitter. "Wladimir Putin demonstriert wieder seine neoimperialistische Vision im sowjetischen Stil, die die Sicherheit des gesamten europäischen Kontinents bedroht", schrieb Meloni.

Der lettische Präsident Egils Levits sagte am Freitag im Gespräch mit dem STANDARD: "Die Erklärung (Anm.: Zur Annexion) ist völkerrechtlich und aus Sicht des ukrainischen Verfassungsrechts absolut nichtig", sagte der Jurist, der auf Einladung des Österreichischen Verfassungsgerichtshofs zu einer Tagung in Wien war. Man könne Gebiete eines anderen Staates nicht einfach durch Scheinreferenden annektieren, so Levits in Anspielung auf die international nicht anerkannten Abstimmungen: "Auf diese Art kann man niemanden betrügen. Vielleicht betrügt sich Russland selbst. Aber selbst das glaube ich nicht, so infantil kann man gar nicht sein."

Selenksyj reagiert mit Eilantrag für Nato-Mitgliedschaft

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj reagiert indes auf die Annexion durch Russland mit einem "fast-track"-Antrag auf Mitgliedschaft beim Militärbündnis Nato. In einer Videobotschaft sagte Selesnkyj: "Wir machen einen bedeutsamen Schritten, indem wir den ukrainischen Antrag für einen beschleunigten Nato-Beitritt unterzeichnen", sagte der Präsident. Die Annexxionserklärung Russlands werde aus ukrainischer Sicht genau gar keine Auswirkungen haben, hieß es von der ukrainischen Regierung bereits am Nachmittag. (red, APA, 30.9.2022)