Leopold Figl bei seiner Rede "Österreich ist frei".

Foto: ORF/Historisches Archiv ORF

Es ist der 120. Geburtstag nicht zwingend der rundeste aller. Wenige können ihn selbst feiern, einige werden über ihren Tod hinaus weiter gefeiert. So auch der "Baumeister" der Zweiten Republik, Ex-Bundeskanzler Leopold Figl. Auf ORF 3 gab es dazu am Sonntag gleich mehrere Stunden Programm – mit altem Ton- und Bildmaterial, Zeitzeugen, Nachfahren und Historiker und Historikerinnen kamen zu Wort, und Schauspieler Cornelius Obonya führte ganz österreichisch mit der einen oder anderen Anekdote über Figl durch einen Teil der Sendung.

Dabei ging es wiederholt nicht nur um die Zeit in den Konzentrationslagern Dachau und Mauthausen des ÖVPlers und gläubigen Christen Figl, sondern auch darum, wie ihn der "Geist der Lagerstraße" später mit der roten Hälfte der Republik zusammenarbeiten ließ.

Großkoalitionäre Töne?

Für den amtierenden Bundeskanzler Karl Nehammer kam der Geburtstag jedenfalls gelegen. In seiner Rede zum Festakt betonte er mehrmals das Miteinander von damals gegen "Fanatiker" und Gegner der Demokratie und ging dabei über die sich aufdrängende Brücke in die Gegenwart. Sollte man gar großkoalitionäre Töne vernommen haben?

Wie wichtig Kanzlerreden werden können, wissen wir – auch – von Figl. Seine Weihnachtsrede 1945 ist legendär. Dabei wurde sie damals zwar ge-, aber nicht erhalten, sondern auf Initiative der Journalisten Wolfram Marboe und Hans Magenschabb 20 Jahre später nochmals aufgenommen. Figl bedauert darin, weder Kerzen oder Brot noch Kohle für die Bevölkerung zu haben. So weit, so klar. Was aber meinte er mit "Glas zum Einschneiden"? Nein, weder Alkohol noch Psychopharmaka! Es war Fensterglas gemeint. (Colette M. Schmidt, 3.10.2022)