Die drei Männer vor Fahnen.

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Nehammer bei einer Pressekonferenz mit Orbán und Vučić.

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Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP), der serbische Präsident Aleksandar Vučić und der ungarische Regierungschef Viktor Orbán haben sich am Montag in Budapest angesichts des Anstiegs von Flüchtlingsströmen über die Balkanroute zu einem Gipfel über Migration getroffen. Nehammer kündigte an, die Zusammenarbeit der Polizei mit den ungarischen Behörden auszuweiten. Konkrete Details werden erst ausgearbeitet.

Zudem soll Serbien unterstützt werden: Man wolle personell und finanziell bei der Rückführung illegaler Migranten helfen. "Wir achten darauf, den Grenzdruck zwischen Nordmazedonien und Serbien zu reduzieren", sagte Nehammer. Orbán fasste die Wünsche der drei Politiker in drei Punkten zusammen:

  • Die von Orbán so bezeichnete "Verteidigungslinie" zur illegalen Migration soll "Schritt für Schritt" in den Süden verlagert werden. Er deutete an, dass er die Schengen-Grenze gerne an die serbisch-nordmazedonische verlegen würde.
  • Rückführungen illegaler Migranten sollen vermehrt durchgeführt werden.
  • Es soll ein Flüchtlingszentrum außerhalb des Gebietes der Europäischen Union errichtet werden.

"Österreich ist derzeit massiv von illegaler Migration belastet. Der solidarische Beitrag, den wir in Europa leisten, ist überproportional hoch", beklagte der Kanzler. Besonders das Burgenland sei aufgrund der langen Ostgrenze belastet. Die EU-Asylpolitik funktioniere nicht, monierte Nehammer. "Solange die EU nicht mit effizienten Maßnahmen eingreift, müssen wir uns selbst helfen. Daher tut Österreich alles, um sich zu schützen, und wir wollen dazu gemeinsam mit Serbien und Ungarn weitere Maßnahmen setzen. Denn wenn die serbischen und ungarischen Grenzen geschützt sind, ist auch unsere eigene Grenze geschützt."

Nach Angaben des Innenministeriums sind von Jänner bis August 56.149 Asylanträge in Österreich gestellt worden. Das bedeute eine Steigerung zum Vergleichszeitraum des Vorjahrs um 195 Prozent. Die meisten Anträge kämen derzeit von indischen Staatsangehörigen. Überhaupt gebe es immer mehr Asylanträge von Menschen, die aufgrund ihres Herkunftslandes keine Chance auf Asyl hätten, etwa Personen aus Indien, Pakistan, Marokko oder Tunesien.

Innenminister in Bratislava

Ebenfalls am Montag findet in Bratislava ein Treffen von Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) mit seinen Amtskollegen aus der Slowakei, Tschechien und Ungarn zum Thema Grenzkontrollen statt. Mit vergangenem Donnerstag hatten Österreich und Tschechien an der Schengen-Binnengrenze zur Slowakei Grenzkontrollen eingeführt. Prag hatte einen starken Anstieg von Flüchtlingen vor allem syrischer Herkunft verzeichnet, die über die Slowakei und Tschechien nach Deutschland weiterziehen wollen.

Die Einführung von Grenzkontrollen durch Österreich begründete Karner damit, dass man Ausweichbewegungen der Schlepper zuvorkommen wolle. Die slowakische Regierung übte Kritik an der Einführung von Grenzkontrollen. An den Schengen-Binnengrenzen mit Ungarn und Slowenien führt Österreich bereits seit September 2015 Grenzkontrollen durch.

Ungarn und Serbien sind seit Jahren stark von den Flüchtlingsströmen über die Balkanroute betroffen. Ungarn hatte im Zuge der Flüchtlingskrise 2015 Zäune an seinen Südgrenzen zu Serbien und Kroatien errichtet und tritt seitdem hart gegen illegale Migration auf. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat das Land dafür wiederholt verurteilt, NGOs beklagen seit Jahren Misshandlungen von Asylsuchenden und Zurückweisungen (Pushbacks) nach Serbien.

Österreich entsendet seit dem 3. August 2020 Polizistinnen und Polizisten an die ungarisch-serbische Grenze für den Dienst in "gemischten Streifen". Deren Zahl soll nun von 50 auf 70 aufgestockt werden. Nach offiziellen Angaben wurden heuer von Jänner bis September an der ungarischen Südgrenze 178.000 illegale Grenzübertritte verhindert. 2021 lag die Zahl im gesamten Jahr bei 122.000.

Menschenrechtsverletzungen

In den ersten sieben Monaten des Jahres wurden in Serbien nach Angaben des Belgrader Zentrums für Asylhilfe mehr als 65.000 Flüchtlinge registriert. Laut dem Zentrumsleiter Dragos Đurović halten sich in Serbien im Durchschnitt ständig etwa 10.000 Flüchtlinge auf, von denen allerdings nur 4.500 in Aufnahmecamps untergebracht sind.

Anhaltend seien die gesetzwidrigen Pushbacks aus Ungarn, beklagte Đurović. Täglich würden alleine aus dem nördlichen Nachbarland etwa 600 Flüchtlinge nach Serbien zurückgedrängt. Auch seien Flüchtlinge für serbische Institutionen "unsichtbar". Seit Jahresbeginn hätten nämlich nur etwas mehr als 2.600 Personen die Gelegenheit erhalten, einen Asylantrag zu stellen. Nur zehn von ihnen wurde es auch gewährt.

Die grüne außenpolitische Sprecherin Ewa Ernst-Dziedzic hatte Ende September nach einem Lokalaugenschein an der serbisch-ungarischen Grenze "gravierende Menschenrechtsverletzungen" beklagt. Sie habe dort Menschen mit schweren Verletzungen gesehen, die ihnen von der ungarischen Polizei zugefügt worden sein sollen. Die Geflüchteten fristeten in wilden Camps ihr Leben und versuchten immer wieder, über die EU-Außengrenze nach Ungarn zu gelangen, berichtete sie im APA-Gespräch.

Die FPÖ will am Dienstag ihrerseits ein Maßnahmenpaket zur "De-Attraktivierung" Österreichs als Asylland einbringen. Dazu gehört die Aussetzung von Asylanträgen auf österreichischem Boden. (luza, APA, 3.10.2022)