Wer längere Zeit psychischem Stress ausgesetzt ist, bei dem lässt sich ein erhöhter Kortisolspiegel in den Haaren nachweisen.

Foto: Pexels

Über fünf Prozent der Menschen in Österreich leiden an Depressionen. Länger anhaltende Niedergeschlagenheit oder Antriebslosigkeit sind Anzeichen dafür, ebenso körperliche Symptome wie wenig Appetit oder Schlafstörungen. Doch auch wenn die Symptome relativ klar beschrieben werden können, ist über die biologischen Grundlagen dieser Krankheit nach wie vor wenig bekannt.

Einem Team vom Institut für Psychologie der Universität Innsbruck ist es jetzt gelungen, einen Zusammenhang zu beobachten zwischen der Schwere einer Depression und dem Gehalt des Stresshormons Kortisol in den Haaren. Die Ergebnisse der im Fachblatt "EPMA" erschienen Studie könnten einen wichtigen Ansatz liefern, um bei psychisch stark belasteten Personen ein Suizidrisiko zu erkennen.

Erhöhte Kortisolspiegel

Das Stresshormon Kortisol wird im Körper bei psychischer Belastung verstärkt ausgeschüttet und dabei unter anderem in den Haaren gespeichert. Frühere Studien haben bereits gezeigt, dass an einer Depression erkrankte Menschen einen erhöhten Kortisolspiegel im Haar aufweisen können – entsprechende Daten von Personen, die durch Suizid gestorben waren, haben bisher allerdings gefehlt.

Genau das haben Alexander Karabatsiakis und sein Team nun anhand der Haarproben von 45 durch Suizid gestorbenen Personen untersucht. Sie stellten dabei noch einmal stark erhöhte Kortisolspiegel im Vergleich zu Personen mit oder auch ohne Depressionen fest. "Unsere neuen Beobachtungen könnten für die Prävention von psychischen Erkrankungen nach Stressbelastungen und deren langfristigen Konsequenzen, auch für die körperliche Gesundheit, sehr hilfreich sein", erklärt Karabatsiakis.

Leicht messbar

Weil die Entnahme von Haarproben kaum belastend ist und einfach durchgeführt werden kann, könnte die Messung des Haarkortisolspiegels einen wichtigen Ansatz für personalisierte Medizin darstellen und auch in der Suizidprävention Vorteile bringen. "Wenn zum Beispiel Hausärzte messen könnten, dass sich ein hormonelles Stresspotenzial im Körper abzeichnet, könnte man eventuell auch bei psychisch stark belasteten Personen ein potenzielles Suizidrisiko erkennen", betont Karabatsiakis. Der medizinische Fokus auf die Person könne sich dann entsprechend intensivieren, auch wenn der Patient selbst über keine Beschwerden berichte.

Die Studie erweitert damit die biologische Perspektive auf psychische Erkrankungen. "Der Kortisolspiegel im Haar steigt mit der subjektiv empfundenen Schwere der depressiven Symptome", erklärt Karabatsiakis. "Je länger man sich zudem depressiv fühlt, desto aktiver ist wohl also auch die Stressantwort unseres Körpers." Der Experte hält weitere Studien, die das Präventionspotenzial von Haarkortisol untersuchen, sowie vermehrte Forschung zum Thema Suizidalität, Suizidprävention und deren biologischen Mechanismen für "zwingend erforderlich und dringlicher denn je". (APA, jaa, 3.10.2022)