Diverse Hersteller kürzen ihre Kapazitäten ein.

Foto: Reuters/Pichi Chuang

Die schwache Wirtschaftslage macht sich auch auf dem Chipmarkt bemerkbar und stellt diesen nun auf den Kopf: Beklagten vergangenes Jahr noch diverse Branchen – von der Automobilindustrie bis zur Unterhaltungselektronik – den Mangel an heiß begehrten Halbleitern und die damit einhergehenden Schwierigkeiten, der hohen Nachfrage nachzukommen, so stellen diverse Lieferanten ihre Produktion nun um oder kürzen die Kapazitäten.

So heißt es etwa in einem Beitrag der Nachrichtenagentur Bloomberg, dass Halbleiterproduzenten in Südkorea zum ersten Mal seit vier Jahren ihre Produktion kürzen – weil erstens die Lager voll seien und man zweitens mit einer geringeren Nachfrage aufgrund der globalen Wirtschaftslage rechne.

Bei den Abnehmern der Chips zeigt sich ein ähnliches Bild: Apple etwa steigt bei der Produktion der iPhones auf die Bremse und wird die Fertigungsmenge nicht erhöhen, zuvor hatte der Konzern aus Cupertino die Prognose noch angehoben. Schon im Juli hatte es geheißen, dass quer durch die Branche zahlreiche Chip-Bestellungen storniert werden.

Günstiger: Grafikkarten und Speicher

Ist die Chipkrise also vorbei, wird Elektronik wieder günstiger und leichter verfügbar? Die Antwort auf diese Fragen lautet wie so oft "Jein", wie eine Anfrage des STANDARD beim heimischen Leiterplattenhersteller AT&S ergibt. Demnach herrsche noch immer Mangel an bestimmten Chips, andere wiederum seien im Überfluss zu haben.

So gebe es bereits seit Anfang des Jahres einen Überschuss an Grafikprozessoren, heißt es seitens AT&S. Auch der STANDARD hatte bereits berichtet, dass die einst horrenden Preise für Grafikkarten sinken. Dies ist unter anderem auf hohe Lagerbestände zurückzuführen, außerdem machten die sinkenden Kurse für Kryptowährungen die Herstellung selbiger mit Grafikkarten zunehmend unattraktiv.

Ethereum, das zweitgrößte Kryptowährungs-Netzwerk der Welt, stellte zuletzt ohnehin vom rechen- und energieintensiven Proof-of-Work- auf das umweltfreundlichere Proof-of-Stake-Verfahren um. Gerade bei der Herstellung ("Mining") von Ether setzte man auf die Rechenleistung von Grafikkarten. Für die Hersteller ("Miner") der Kryptowährung ist diese Hardware somit nun nutzlos.

Seitens AT&S fügt man hinzu, dass inzwischen auch der Markt für Speicher-ICs übersättigt sei. In der Fachpresse führt man dies auf Lagerkorrekturen der Abnehmer zurück, die sich noch bis Frühjahr 2023 erstrecken sollen.

Teure Spezialchips

Auf der anderen Seite gebe es noch immer Spezialchips, welche knapp sind, heißt es seitens AT&S – darunter fallen etwa bestimmte Mikrocontroller. Dies deckt sich mit diversen Berichten, laut denen unter anderem die Automobilindustrie nach wie vor mit Chipmangel kämpft. Zuletzt gab die Allianz eine Schätzung ab, laut welcher der Chipmangel die europäische Branche in den Jahren 2021 und 2022 rund 100 Milliarden Euro kostete.

Somit gibt es laut AT&S derzeit allerlei unterschiedliche Reaktionen: Teilweise sind massive Lagerbestände entstanden, welche verkauft werden müssen und die Produktion einbrechen lassen. Andernorts geht die Produktion ungerührt weiter.

Zyklischer Markt

Generell ist der Chipmarkt ein zyklischer – es gibt also abwechselnd Engpässe und Angebot. Der Grund dafür ist, dass neue Technologien große Investments seitens der Hersteller erfordern, sie rentieren sich nur in sehr großen Skalen und müssen daher wohlüberlegt sein.

Während der Engpässe in der jüngsten Vergangenheit waren eben diese Anpassungen gemacht worden, die sich nun in einem teilweisen Überangebot manifestieren. Und es ist davon auszugehen, dass dieses Überangebot in den kommenden Jahren anhalten wird.

Nicht über einen Kamm scheren

Dabei muss aber eben betont werden, dass die Schwankungen immer nur bestimmte Produktgruppen und bei diesen wiederum nur bestimmte Produktionsprozesse betrifft – generalisierende Aussagen sind also meist zu kurz gegriffen. So heißt es bei AT&S etwa, dass die Überkapazität der nächsten Jahre Halbleiterprozesse in High-End-Chips für Notebooks, Smartphones und ähnliches betreffen wird. Andere Bereiche werden wiederum weiterhin von Knappheit geprägt sein – unter anderem jener, in dem AT&S selbst tätig ist, wie das Unternehmen betont.

Auch ist die Gesamtmarktlage je nach Region unterschiedlich. Im wichtigen US-Markt etwa ist der Consumer Confidence Index zuletzt wieder gestiegen, und es ist ungewiss, ob der Abwärtsstrudel aus Wirtschaftsabschwung, Arbeitslosigkeit und Konsumrückgang tatsächlich eintritt. In Europa hingegen ist der Ausblick deutlich düsterer, China wiederum leidet unter den harten Covid-Maßnahmen und den damit verbundenen Einbußen.

Und schließlich betont man bei AT&S, dass man die Einbrüche vor allem Im Consumer-Bereich sehe, während investmentgetriebene Märkte "robuster" sind: Gerade bei Datacenter-Applikationen, wie Server und Networking, werden kaum Rückgänge erwartet. Das liegt nicht zuletzt daran, dass die fortschreitendende Digitalisierung nicht aufhaltbar ist und entsprechende Infrastruktur benötigt.

Summa summarum kann es für Konsumentinnen und Konsumenten zumindest in Bezug auf Computerchips kaum eine bessere Situation geben: Ihre eigenen Geräte werden billiger, während Dienstleister ihre Kapazitäten weiterhin ausbauen. Ein Teil des zyklischen Markts, der so manchem gefallen dürfte. (Stefan Mey, 3.10.2022)

Update, 4.10.: In einer früheren Version wurde AT&S fälschlicherweise als Halbleiter-Produzent bezeichnet. Der Fehler wurde korrigiert, wir bedanken uns beim Forum für die freundlichen Hinweise.