Kritisiert "zahnlose" Vorgaben für die Staatsanwaltschaft: ÖVP-Ministerin Karoline Edtstadler.

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Seit 14 Jahren ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen Betrugsverdachts, doch bis dato kam es weder zur Anklage noch zur Einstellung: Verfassungsministerin Karoline Edtstadler zitierte einen STANDARD-Bericht über die Causa Meinl European Land, um einen "Wahnsinn" anzuprangern.

Zwei, drei Jahre, maximal vier in schwierigen Fällen, dürften Ermittlungsverfahren dauern, forderte die ÖVP-Politikerin in der ORF-Pressestunde, alles andere laufe für Beschuldigte auf eine "zivile Todesstrafe" hinaus: Nicht nur der gute Ruf, sondern auch Job und Kreditwürdigkeit gingen verloren – egal, wie das Urteil später ausfällt.

Brauchen Strafverfahren also ein fixes Zeitlimit? "Davor kann ich nur warnen", sagt Cornelia Koller, Präsidentin der heimischen Staatsanwältinnen und -anwälte: "Eine absolute Frist würde dazu führen, dass wir große Fälle von Terrorismus, Cybercrime oder Anlagebetrügerei nicht mehr abwickeln können."

Belohnung für geschicktes Verschleiern

Abgesehen von internationalen Verflechtungen und der daraus resultierenden Kooperation mit ausländischen Behörden sei es vor allem die Auswertung riesiger Datenmengen, die viel Zeit kosteten, erläutert Koller: "Belohnt werden würden jene, die ihre Daten besonders gut verstecken."

Vor dem Missbrauch einer solchen Regelung warnt auch Gerhard Jarosch: Schließlich gebe es schon jetzt Beschuldigte und Anwälte, die mit einem "extremen Einsatz" der vom Gesetz gebotenen Mittel alles täten, um ein Verfahren möglichst in die Länge zu dehnen.

Fehlt der Zug zum Tor?

Was aber fehle, ergänzt der Ex-Präsident der internationalen Staatsanwälte-Vereinigung, heute bei der Kommunikationsagentur Rosam, Grünberger, Jarosch & Partner tätig, sei mitunter "der Zug zum Tor": So mancher Staatsanwalt verzettle sich in vielfältigen Seitenaspekten, statt den Hauptstrang einer Causa entschlossen zu verfolgen.

Ähnliches ist aus dem Büro Edtstadlers zu hören. Die Ministerin habe nie an eine absolute Zeitbegrenzung gedacht, heißt es auf STANDARD-Nachfrage: Aufklärung dürfe nicht eingeschränkt werden. Sehr wohl schweben Edtstadler aber bestimmte Vorgaben vor, sodass Ermittlungen "zielführend und rasch" erfolgen.

Gesetz fordert Tempo

Doch gibt es ein solches Gebot nicht längst? Paragraf 108a der Strafprozessordnung begrenzt seit 2015 Ermittlungsverfahren auf grundsätzlich drei Jahren. Reicht die Zeit nicht aus, muss die Staatsanwaltschaft beim Gericht eine konkret begründete Verlängerung beantragen – und das in der Folge immer von neuem.

Wie viele Ermittlungsverfahren sich über mehr als die drei Jahre erstrecken, war am Montag nicht herauszufinden. Fakt ist, dass einige der langen, in den Medien präsenten Fälle aus der Zeit vor dieser Regelung stammen: Das gilt für die Causa Meinl ebenso wie für die Buwog-Affäre um Ex-Finanzminister Karlheinz Grasser.

Verurteilungen wegen langer Dauer

Doch der mittlerweile geltende Passus scheine in der Praxis oft "zahnlos" zu sein, heißt es aus Edtstadlers Büro: Nicht ohne Grund werde Österreich vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte regelmäßig in Fällen wegen zu langer Verfahrensdauer verurteilt.

Standesvertreterin Koller teilt diesen Befund nicht und sieht den Schlüssel zu rascheren Ermittlungen woanders. Besonders für die Datenauswertungen brauche es technisch wie personell bessere Ausstattung, für die Polizei wie auch für die Justiz: Zwar sei die Zahl der operativ tätigen Staatsanwältinnen und Staatsanwälte 2020 um zehn Prozent auf rund 440 aufgestockt worden. Doch die vom jahrelangen Sparkurs aufgerissenen "Löcher", sagt Koller, "sind noch nicht gefüllt." (Gerald John, 3.10.2022)