Japanische Medien berichteten ausführlich über den Raketentest.

Foto: EPA / KIMIMASA MAYAMA

Tokio – Beim jüngsten nordkoreanischen Raketentest hat eine ballistische Rakete am Dienstag erstmals seit fünf Jahren zunächst Japan überflogen, bevor sie in den Pazifischen Ozean stürzte. Sie sei 4.600 Kilometer weit geflogen und habe eine maximale Höhe von 1.000 Kilometern erreicht, erklärte die japanische Regierung. Es gebe bisher keine Berichte über Schäden an Flugzeugen oder Schiffen.

Nach Angaben des südkoreanischen Generalstabs handelte es sich offenbar um eine ballistische Mittelstreckenrakete (IRBM), die von der nordkoreanischen Provinz Jagang aus gestartet wurde. In der Provinz hat Nordkorea in jüngster Zeit mehrere Starts durchgeführt, darunter eigenen Angaben zufolge auch von Hyperschallraketen.

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"Bedroht Frieden und Sicherheit"

Südkoreas Streitkräfte feuerten in Reaktion auf Nordkoreas Raketentest zwei Präzisionsbomben ab. Wie die Nachrichtenagentur Yonhap am Dienstag unter Berufung auf das südkoreanische Militär berichtete, wurden die Bomben von einem Kampfflugzeug des Modells F-15K über der unbewohnten Insel Jikdo im Gelben Meer abgeworfen. Zudem habe man gemeinsam mit US-Kampfflugzeugen des Typs F-16 Flugmanöver abgehalten. Das Gelbe Meer wird von China und der Koreanischen Halbinsel umrandet.

"Die Serie von Aktionen Nordkoreas einschließlich der wiederholten Starts ballistischer Raketen bedroht den Frieden und die Sicherheit Japans, der Region und der internationalen Gemeinschaft und stellt eine ernsthafte Herausforderung für die gesamte internationale Gemeinschaft einschließlich Japans dar", sagte Regierungssprecher Hirokazu Matsuno in einer kurzen Pressekonferenz am Dienstag. Auf die Frage, ob Japan Sanktionen gegen Nordkorea verhängen werde, meinte er, dass man angemessene Schritte mit Verbündeten abspreche.

Internationale Kritik

Das Frühwarnsystem J-Alert wurde in zwei nördlichen Provinzen Japans ausgelöst. Die Regierung hatte die Bürger aufgefordert, Schutz zu suchen. Der Zugverkehr in den Regionen wurde ausgesetzt. Die Flugroute über Japan sei "unglücklich", sagte der oberste US-Diplomat für Ostasien, Daniel Kritenbrink, während einer Online-Veranstaltung des Instituts für koreanisch-amerikanische Studien. "Wir sind offen für Diplomatie mit Nordkorea, aber es gehören immer zwei dazu", sagte er. "Wir werden die Tür offenlassen, aber wir werden entschlossen auf diese wachsende Bedrohung reagieren."

Der japanische Ministerpräsident Fumio Kishida bezeichnete das Vorgehen Nordkoreas als "barbarisch" und kündigte eine genaue Untersuchung des Vorfalls an. Der südkoreanische Präsident Yoon Suk-yeol verurteilte den Raketenüberflug als "rücksichtslose Provokation" und kündigte eine "strenge Antwort" an. Die USA berieten mit Südkorea und Japan über eine Reaktion. EU-Ratspräsident Charles Michel ächtete den Raketentest in einer Nachricht auf Twitter als "ungerechtfertigte Aggression und eine unverhohlene Verletzung internationalen Rechts" und bekräftigte die Solidarität mit Südkorea und Japan.

Test unter repräsentativen Bedingungen

Bisher schickte Nordkorea die meisten Raketen auf eine steile Flugbahn Richtung Weltraum, was zu einem Einschlagspunkt in der Nähe des Startplatzes führte und Überflüge der Nachbarländer vermied. Ein Über- oder Vorbeiflug an Japan ermögliche es den nordkoreanischen Wissenschaftern jedoch, Raketen unter Bedingungen zu testen, "die repräsentativer für die Bedingungen sind, denen sie im realen Einsatz ausgesetzt wären", erklärte Ankit Panda von der US-Carnegie-Stiftung für internationalen Frieden.

"Politisch gesehen ist es kompliziert: Die Rakete fliegt größtenteils außerhalb der Atmosphäre, wenn sie über Japan fliegt, aber es ist natürlich beunruhigend für die japanische Öffentlichkeit, Warnungen vor einem möglichen Einschlag einer nordkoreanischen Rakete zu erhalten."

Südkorea warnt vor Atomwaffentests

Der jüngste Test war der fünfte Nordkoreas innerhalb von zehn Tagen. Südkorea, die USA und Japan hatten vergangene Woche erstmals seit fünf Jahren trilaterale Übungen zur U-Boot-Bekämpfung abgehalten. Mit den Raketenstarts, die in diesem Jahr ungewöhnlich häufig sind, verstößt Nordkorea gegen UN-Resolutionen. In der Nacht auf Dienstag erklärte das nordkoreanische Regime zudem, die russischen Annexionen in der Ostukraine zu unterstützen. Die Scheinreferenden seien "im Einklang mit der Uno-Charta".

Südkoreas Verteidigungsminister Lee Jong-sup warnte, dass Nordkorea im Mai Vorbereitungen für einen erneuten Atombombentest abgeschlossen habe. Von Geheimdienstquellen informierte südkoreanische Abgeordnete gingen vergangenen Mittwoch von einem Atombombentest Ende Oktober bis Anfang September aus. Nordkorea verfügt nach Diplomatenangaben über Nuklearwaffen und ballistische Raketen. Bisher wurden beide Waffensysteme jedoch noch nicht erfolgreich zu einer Atomrakete zusammengeführt. (APA, 4.10.2022)