Im Gastblog betrachtet der Geologe und Bibliothekar Thomas Hofmann ausgehend vom Tag der Geodiversität, der am 6. Oktober 2022 erstmals begangen wird, erdbezogene Themen und Termine.

Abseits von Tagen, die von den Vereinten Nationen (UN) oder der Unesco proklamiert werden, gibt es themenspezifische Wochen, Jahre und Dekaden. So wird von 4. bis 10. Oktober alljährlich die Weltraumwoche (World Space Week) begangen. 2022 ist mit dem Internationalen Jahr des Glases, der handwerklichen Fischerei und der Aquakultur, der nachhaltigen Entwicklung der Berggebiete und der Grundlagenwissenschaften für nachhaltige Entwicklung gleich vierfach belegt. Geht man in die nächste zeitliche Dimension, findet sich das Jahr 2022 in 15 thematischen Dekaden der UN wieder.

Österreichweite Plakatkampagne anlässlich des Internationalen Jahres des Planeten Erde im Jahr 2008.
Foto: GBA

Einzelne Themen, die den Planeten Erde betreffen, gehen – etwa als Internationale Jahre – in das 19. Jahrhundert zurück und sind älter als die 1945 gegründeten Vereinten Nationen. Fakt ist, dass von den Vereinten Nationen oder der Unesco bezeichnete Jahre, Tage und Dekaden erhöhte internationale Wahrnehmung genießen. Damit erhöhen sich die Chancen, durch gezielte Aktionen die intendierten Botschaften umzusetzen. Dass manche Tage doppelt belegt sind, so ist etwa der 30. Juni der Internationale Tag der Asteroiden wie auch des Parlamentarismus, stört kaum; die Themen liegen meist weit auseinander.

6. Oktober: Welttag der Geodiversität

Und wieder gibt es einen neuen "Tag", den Geodiversity Day! Ist die Liste der Tage nicht ohnehin zu lang? Inhaltlich geht es um ein vertieftes Verständnis und die umfassende Kenntnis über die Mannigfaltigkeit des geologischen Untergrundes. Dies ist von Bedeutung, zumal die Gesteinsvielfalt auch Grundlagen unseres täglichen Lebens birgt. Tone sind Wasserstauer, aber auch Baumaterial. Kiese und Sande sind nicht nur Baumaterial, sondern auch bedeutende Grundwasserspeicher. Erze, ob in Karbonaten oder kristallinen Gesteinen, sind ebenso wichtig wie mikroskopische Porenhohlräume, die Erdöl oder Erdgas enthalten können. Steile Felswände, rutschanfällige Hänge oder lokal wechselnde Gesteine des Untergrundes erfordern Expertenantworten, wenn es um Infrastrukturprojekte geht. Dazu kommt noch der Faktor Zeit; die Milliarden Jahre alte Geschichte des Planeten Erde und des Lebens ist in Gesteinen enthalten.

Die bunte Vielfalt des geologischen Untergrunds bildet die Grundlagen für den Alltag.
Foto: GBA/Lammerhuber

Die Geodiversität unseres Planeten birgt – denkt man an den Weinbau – auch Genussmomente. Ob Löss oder kristalliner Untergrund, das Ausgangssubstrat bestimmt die Eigenschaften der Böden, die durch Verwitterung entstehen. Winzer antworten auf diese geogene Ausgangssituation mit dem Pflanzen spezifischer Rebsorten. Genießer wissen die kostbaren Unterschiede zu schätzen. Die Geodiversität des niederösterreichischen Weinviertels, wo neben Löss auch große Flächen mit Kiesen und im Westen granitische Areale vorhanden sind, bildet die Geschmacksnuancen des Weinviertel DAC, einem Grünen Veltliner, eindrucksvoll ab.

Kostbare Geodiversität am Beispiel der Weinviertler Weine.
Foto: GBA

Vom ersten Internationalen Polarjahr ...

Zehn Jahre nach Beginn der legendären österreichisch-ungarischen Nordpolarexpedition (1872 bis 1874) von Julius Payer und Carl Weyprecht regte Letzterer einen länderübergreifenden Forschungsschwerpunkt der Polargebiete an. Vom Sommer 1882 bis zum Sommer 1883 fanden auf zahlreichen, eigens dafür geschaffenen Forschungsstationen in der Arktis meteorologische Messungen und Beobachtungen statt. Die Station der Österreicher, die von Hans Graf Wilczek, der auch die Nordpolarexpedition finanziert hatte, großzügig gefördert wurde, befand sich auf der Insel Jan Mayen. 50 Jahre später gab es das Zweite Internationale Polarjahr. 1932/33 war Österreich wieder auf Jan Mayen dabei. Die finanzielle Ausgangslage in der Zwischenkriegszeit war weniger gut. Da es bei der Lebensmittelversorgung ernste Probleme gab, wäre der Aufenthalt der Wissenschafter beinahe zur Tragödie geworden. Nachzulesen im Buch "Vierzehn Monate in der Arktis: Die österreichische Polarexpedition 1932/33 nach Jan Mayen" (Tyrolia). Das dritte Internationale Polarjahr fand 1957/1958 im Rahmen des Internationalen Geophysikalischen Jahres statt, das vierte dann von 2007 bis 2009.

Internationales Polarjahr: 1882 bis 1883 betrieben die Österreicher eine Forschungsstation auf der Insel Jan Mayen.
Foto: Gemeinfrei

... zum Internationalen Jahr des Planten Erde

Das Jahr 2008 wurde von der Uno zum Internationalen Jahr des Planten Erde (International Year of the Planeth Earth, IYPE) ernannt. Die Unesco fügte 2007 und 2009 dazu, und so wurde daraus ein Triennium. Neben wissenschaftlichen Themen war vor allem die Öffentlichkeitsarbeit ein zentrales Anliegen. Auch Österreich beteiligte sich mit zahlreichen PR-Aktionen, darunter einer österreichweiten Plakatkampagne, die unter dem Motto "Geologie ist …" stand. Ziel war es, ähnlich wie beim Tag der Geodiversität, auf die vielfältige Bedeutung des Planeten Erde für den Menschen hinzuweisen. 2014 folgte mit dem Internationalen Jahr der Kristallografie (International Year of Crystallography, IYCr) abermals ein Themenjahr mit Fokus auf die Geosphäre. Damals realisierte der österreichische Mineraloge Robert Krickl das größte Kristallstrukturmodell der Welt. Mit 19.440 weißen und 19.440 roten Kugeln, die Natrium- und Chloratome darstellten, baute er einen drei mal drei Meter großen Würfel eines Salzkristalls (NaCl), der im Herbst 2015 im Innenhof des Wiener Rathauses zu sehen war. 2016 wurde der Rekord durch den Eintrag in das Guinnessbuch der Rekorde bestätigt.

Blickt man retrospektiv auf die Themen internationaler Jahre, so zeigt die aktuelle Energiesituation, wie vorausschauend das in der UN-Generalversammlung vom 20. Dezember 2010 beschlossene und 2012 begangene Jahr der erneuerbaren Energie für alle (International Year of Sustainable Energy for All) war. Erklärtes Ziel war damals, in den nächsten zwanzig Jahren ein Drittel der benötigten Energie aus erneuerbaren Energieträgern zu gewinnen.

Mit "Tagen" Botschaften punktgenau kommunizieren

Die erwähnten "Jahre", aber auch "Dekaden" haben einen wissenschaftlichen Fokus, parallel dazu rückt das Erreichen der breiten Öffentlichkeit zunehmend in den Vordergrund. Wenn nicht genügend Ressourcen personeller und finanzieller Natur zur Verfügung stehen, laufen diese Initiativen aber Gefahr, ihre ehrgeizigen Ziele nur eingeschränkt zu erreichen. Anders bei den jährlich wiederkehrenden "Tagen". Die zeitliche Fokussierung eröffnet mehr Chancen, Botschaften gezielter zu kommunizieren.

Um bei der Geosphäre zu bleiben, der 22. April, der Internationale Tag der Mutter Erde (International Mother Earth Day), zeigt Parallelen zum Tag der Geodiversität am 6. Oktober. Doch im April wird eher ein Hilferuf für den Planeten kommuniziert ("Mother Earth is clearly urging a call to action"), unter dem Motto: Frieden schließen mit der Erde ("Making peace with nature"). Thematisch liegt hier der 13. Oktober, der Internationale Tag der Katastrophenvorbeugung (International Day for Disaster Risk Reduction), nahe. Der Boden, im Schnittpunkt der Sphären, hat am 5. Dezember seinen Tag (World Soil Day). Die Berge sind am 11. Dezember (International Mountain Day) im Mittelpunkt des Interesses.

Von der Hydrosphäre …

Das Beispiel des auch in der Bevölkerung gut verankerten Weltwassertages (World Water Day), der seit 1993 am 22. März stattfindet, zeigt im Rückblick, dass unterschiedliche Aspekte zum Wasser von zahlreichen Medien regelmäßig aufgegriffen werden. Eine Suche bei APA-OTS ergibt von 1998 bis 2022 insgesamt 401 Treffer. Parallel dazu können noch bis 20. November 2022 Kurzvideos (max. 60 Sekunden) mit den Hashtags #MyGroundwaterStory und #WorldWaterDay versehen, hochgeladen werden. Der Link soll dann an mygroundwaterstory@un-igrac.org gesendet werden. Geht es beim Weltwassertag um Süßwasser, haben die Ozeane am 8. Juni ihren eigenen Tag. Der 5. November steht im Zeichen der Tsunami-Aufklärung (World Tsunami Awareness Day), womit die Hydrosphäre abgedeckt wäre.

… zur Atmo- und Biosphäre

Wenn es um die Atmosphäre geht, so sind neben dem 23. März, dem Welttag der Meteorologie (World Meteorological Day), auch der 7. September für die saubere Luft (International Day of Clean Air for blue skies) und der 16. September für die Ozonschicht (International Day for the Preservation of the Ozone Layer) zu nennen.

Der Reigen der Tage für die Biosphäre beginnt am 2. Februar mit den Feuchtgebieten. Es folgen das Seegras (1. März), der Tierschutztag (World Wildlife Day, 3. März), der Wald (21. März), Thunfische (2. Mai), die Pflanzengesundheit (12. Mai), Zugvögel (14. Mai), Bienen (20. Mai), die Biologische Diversität (22. Mai), die Tropen (29. Juni) und schließlich die Baumwolle (7. Oktober), wobei hier der soziale Aspekt der arbeitenden Menschen im Vordergrund steht.

Die Antwort auf die Frage, was derartige "Tage" bringen, beziehungsweise ob man neue benötigt, hängt davon ab, was man, sprich die einzelnen Länder, Organisationen, Vereinigungen bis hin zu engagierten Privatpersonen, daraus macht. Die Themen sind es jedenfalls nicht nur wert, der breiten Öffentlichkeit wissenschaftlich fundiert, aber verständlich kommuniziert zu werden, sondern es ist auch höchst notwendig. (Thomas Hofmann, 6.10.2022)