Im ersten Jahrtausend vor unserer Zeitrechnung (v. u. Z.) wurden die Menschen Europas zusehends mobiler. Handel und Kolonialisierung brachten fremde Kulturen miteinander in Kontakt, was allerdings auch zu militärischen Auseinandersetzungen führte. Eine internationale Untersuchung hat nun gezeigt, dass Konflikte umgekehrt auch Vertreter unterschiedlicher Völker einander nähergebracht haben: Die Genome von Gefallenen einer Schlacht zwischen Griechen und Karthagern belegen, dass im Jahr 480 v. u. Z. auf Sizilien auch Söldner aus Nordosteuropa, dem Kaukasus und der eurasischen Steppe im Einsatz waren.

Während des fünften Jahrhunderts v. u. Z. hatten Griechen aus der Ägäis und Phönizier von der Levante im gesamten Mittelmeergebiet Küstenhandelsposten und Kolonien gegründet. Bestimmte strategisch bedeutsame Orte gerieten dabei zum Zankapfel zwischen den Völkern; es ging vor allem die wirtschaftliche und territoriale Vorherrschaft. Militärische Auseinandersetzungen waren die Folge. Antike Historiker wie Herodot und Diodorus Siculus berichteten von zwei wichtigen Schlachten, in denen Phönizier aus dem nordafrikanischen Karthago die griechische Stadt (Polis) Himera angriffen.

Ein Massengrab aus der Schlacht von Himera im Jahr 409 v. u. Z. Diese Schlacht verloren die Griechen, und die Karthager zerstörten Himera.
Foto: Stefano Vassallo, Soprintendenza Archeologica di Palermo

Mit und ohne Hilfe von Verbündeten

Während der ersten Schlacht im Jahr 480 v. u. Z. verteidigte ein griechisches Bündnis zwischen Himera, Syrakus und Agrigento die Polis erfolgreich; aber als die Karthager 409 v. u. Z. auf Rache sinnend mit einer großen Söldnerarmee erneut vor den Toren der Stadt auftauchten, mussten die Himeraner weitgehend ohne Unterstützung kämpfen, und die Polis wurde zerstört und aufgegeben.

Details über die Protagonisten dieser Schlachten liefern nun – 2.500 Jahre später – Analysen der Genome, die man aus den Gebeinen der Gefallenen gewinnen konnte. "Diese Fallstudie beleuchtet Kriegsführung als Mechanismus für kulturellen Kontakt und positioniert Soldaten, insbesondere Söldner, als Überbringer von Ideen, Technologien, Sprachen und Genen über große Entfernungen", erklärte Ron Pinhasi von der Universität Wien.

Riesige Nekropole

Ausgrabungen in Himera an der Nordküste Siziliens haben seit den 1990er-Jahren über 10.000 Bestattungen und damit eine der größten griechischen Nekropolen überhaupt freigelegt. Darunter befinden sich mehrere Massengräber mit Skeletten, die Archäologinnen und Archäologen als getötete Soldaten der Schlachten des 5. Jahrhunderts v. u. Z. interpretiert haben. Es handelte sich praktisch ausschließlich um die Überreste von Männern jungen bis mittleren Alters, von denen einige typische Kampfverletzungen aufwiesen oder Pfeilspitzen in ihren Knochen stecken hatten.

Man vermutet, dass mehrere geordnete, kleinere Massengräber die Gefallenen der siegreichen Armee von 480 v. u. Z. enthalten. Ein größeres Massengrab mit dichtgedrängten Personen wird den Gefallenen der Schlacht von 409 v. u. Z. zugeschrieben, die von den Überlebenden des karthagischen Angriffs vor der Aufgabe der Stadt offenbar in größerer Hast begraben wurden. Die nun im Fachjournal "PNAS" präsentierte Studie untersucht die genetischen Verwandtschaften dieser Soldaten und anderer zeitgenössischer Sizilianer, indem sie die Genome von 54 Individuen analysiert, die in Himera und anderen Stätten in Westsizilien ausgegraben wurden.

Von weit außerhalb des Mittelmeerraums

"Die Ergebnisse machen deutlich, dass die griechische Kolonialisierung in der klassischen Antike nicht nur zur Ausbreitung der ägäischen Völker im gesamten Mittelmeerraum führte, sondern auch einen breiteren Kosmopolitismus ermöglichte", sagte der Genetiker David Reich von der Harvard-Universität. "Während die Sizilianer des ersten Jahrtausends v. u. Z. größtenteils von der lokalen Bevölkerung aus der Bronzezeit abstammen, haben die Bewohnerinnen und Bewohner von Himera nicht nur ägäische und lokale sizilianische Vorfahren, sondern kommen auch von viel weiter her."

Die genetische Vielfalt der Soldaten übertraf die der Zivilbevölkerung von Himera sogar. "Wir waren erstaunt, unter den Soldaten der Schlacht von 480 v. u. Z. viele Individuen zu finden, die von weit außerhalb des Mittelmeerraums abstammen, etwa aus dem Kaukasus, Nordosteuropa und der eurasischen Steppe, einer Region, die in der Antike als Skythien bekannt war. Eine solch extreme genetische Vielfalt in einem einzigen Bestattungskontext ist beispiellos für diese Periode der klassischen Geschichte", sagt Erstautorin Alissa Mittnik vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie (Leipzig).

Isotopenanalyse zum Vergleich

Die Archäologin Laurie Reitsema von der Universität von Georgia, ebenfalls Erstautorin, und ihr Team haben außerdem die stabilen Isotope der Bestatteten Himeras untersucht. Die Isotope von Elementen wie Strontium und Sauerstoff, die mit Nahrung und Wasser aufgenommen und in Knochen und Zähne eingebaut werden, geben Aufschluss darüber, wo ein Mensch aufgewachsen ist.

"Viele der Soldaten von 480 v. u. Z. hatten Isotopensignaturen von außerhalb Siziliens, was darauf hindeutet, dass sie erst als Erwachsene dorthin gereist sind", sagte Reitsema. "Als wir die Isotopenergebnisse mit den genetischen Ergebnissen verglichen, fanden wir eine frappierende Korrelation: Alle Soldaten mit genetischem Ursprung außerhalb des Mittelmeers waren auch eindeutig isotopisch ortsfremd. Mit den genetischen Daten wissen wir jetzt, wo sie wahrscheinlich geboren wurden."

Historische Autoren bestätigt

Die genetisch und isotopisch "fremden" Individuen waren gemeinsam in einer Reihe größerer Massengräber beigesetzt worden. Nach Ansicht der Forschenden untermauert das ihre besondere soziale Stellung. In historischen Quellen wird beschrieben, dass Syrakus, eine der Städte, die Himera zu Hilfe kamen, eine große Anzahl von Söldnern in seiner Armee beschäftigte. Die Wissenschafter sehen diese historischen Berichte durch Genetik, Isotopenanalysen und archäologische Belege bestätigt.

Im Gegensatz zur ersten Schlacht deuteten für das Massengrab der Schlacht von 409 v. u. Z., die Himera ohne Hilfe durch Verbündete verlor, weder Isotope noch Genetik auf eine fremde Herkunft der Gefallenen hin. "Die meisten Soldaten in der späteren Schlacht waren Nachkommen indigener Sizilianer und Migranten aus der Ägäis. Ehen zwischen verschiedenen ethnischen Gruppen scheinen in Himera die Norm gewesen zu sein", erklärte David Caramelli von der Universität Florenz, leitender Autor dieser Studie. (red, 4.10.2022)