Hans Niemann steht unter Zugzwang.

Foto: Lennart Ootes

Hans Niemann droht Ungemach. Nachdem der US-Teenager die vor Wochen geäußerten Schummelvorwürfe von Schachweltmeister Magnus Carlsen zunächst abgestritten und lediglich zwei Betrügereien im Alter von zwölf bzw. 16 Jahren gestanden hatte, lässt nun das Wall Street Journal aufhorchen. Laut dem US-Medium hat die Online-Plattform Chess.com aufgedeckt, dass das Ausmaß des Betrugs wesentlich größer und andauernder gewesen sein soll, als bislang vermutet.

"Eklatante Betrügereien"

Nach einer von Chess.com durchgeführten Untersuchung soll der 19-jährige US-Großmeister allein im Jahr 2020 bei mehr als 100 Online-Spielen nicht erlaubte Unterstützung erhalten haben. Dabei soll es sich auch um Duelle gehandelt haben, bei denen Preisgelder vergeben wurden. "Er war 17 Jahre alt, als er wahrscheinlich in einigen dieser Spiele betrogen hat", heißt es.

In einem Brief an Niemann, der dem Bericht beigefügt ist, wird auf "eklatante Betrügereien" hingewiesen, unter anderem in einer unter einem anonymen Account geführten Partie gegen den russischen Star Ian Nepomniachtchi, Carlsens letzten Herausforderer um die Schachweltmeisterschaft.

Mit Hilfe von Betrugserkennungssoftware und Analysen will Chess.com die Ungereimtheiten entdeckt haben. Dabei wurden etwa Niemanns Züge mit jenen der besten Schachcomputer verglichen. Dem über 70 Seiten starken Bericht zufolge soll der Spieler die Betrugsvorwürfe gestanden haben und dann für eine Zeit lang von der Online-Plattform gesperrt worden sein.

Unter diesen Umständen sei auch der rasante Aufstieg Niemanns in die Schachelite zu hinterfragen. "Unserer Ansicht nach haben die Daten gezeigt, dass Hans eine uncharakteristische, unregelmäßige Wachstumsphase hatte", heißt es in dem Bericht.

Im September hatte Niemann Carlsen beim Sinquefield Cup mit den schwarzen Steinen bezwungen. Der Norweger hatte daraufhin Betrug angedeutet. Auch diese Partie wurde von Chess.com untersucht. Ergebnis: "Uns sind keine Beweise bekannt, dass Hans in diesem Spiel betrogen hat."

Chess.com und Carlsen verbindet eine Geschäftsbeziehung, die Plattform hat Carlsens "Play Magnus"-App im August für 83 Millionen Euro gekauft. Dem Weltmeister soll aber keine Liste von überführten Betrügern vorgelegt worden sein. (red, 4.10.2022)